Gordon Herbert ist beim Deutschen Basketball-Bund als Nationaltrainer angetreten, um mit der DBB-Auswahl Medaillen zu holen. Über die erste große Mission bei der Heim-EM 2022 in Köln sprach er mit EXPRESS.de
Basketball-EM in Lanxess-ArenaNationalcoach Herbert gespannt auf Köln-Kulisse – Nowitzki ein Thema?
von Béla Csányi (bc)
Sein Vorgänger Henrik Rödl (52) legte die Messlatte mit dem starken Viertelfinal-Einzug bei Olympia hoch – kein Wunder, dass Basketball-Nationaltrainer Gordon Herbert (62) Medaillen zu seinem Anspruch erklärt hat.
Die erste ganz große Gelegenheit wartet schon bei der Heim-EM mit Spielen in Köln und Berlin im Jahr 2022 auf den Deutschen Basketball-Bund. Über die Aussichten beim Turnier vor heimischer Kulisse, das Bundesliga-Sterben im Rheinland und die deutschen Hoffnungsträger in der NBA sprach Herbert im Interview mit EXPRESS.de.
Gordon Herbert sieht Medaillen-Chancen für Deutschland bei Heim-EM
Gordon Herbert, um mal sportlich anzufangen: Wie fällt ihr Fazit nach den ersten Monaten Amtszeit in Deutschland aus?
Gordon Herbert: Ich bin sehr beeindruckt von der Überzeugung, mit der die Spieler die deutsche Nationalmannschaft vertreten wollen, auch die Arbeit im Verband funktioniert bisher tadellos. Meine Erfahrungen bis jetzt waren in dieser Hinsicht sehr gut.
Bei ihrer Vorstellung haben Sie gesagt, dass Medaillen der Anspruch sein müssten. Was sind die Schlüssel-Faktoren, damit Deutschland bei Turnieren zum Medaillen-Kandidaten wird?
Herbert: Es ist zwar wichtig, dass man die besten Spieler im Nationalteam spielen lässt, aber noch wichtiger ist es, dass die Spieler sich zum Team bekennen und voll bei der Sache sind. Vor diesem Hintergrund ist es entscheidend, dass die Spieler sich voll reinhängen, bei jeder Einheit und in jedem Spiel alles geben und wir eine Identität als Team entwickeln.
Berlin und Köln fiebern der Basketball-Europameisterschaft 2022 entgegen, das Turnier vor heimischen Fans wird etwas ganz Besonderes. Ist das schon die erste große Medaillen-Chance?
Herbert: Das ist eine große Gelegenheit für den deutschen Basketball. Viele Spieler sind in der besten Phase ihrer Karriere. Die Spieler, mit denen ich gesprochen haben, sind schon voller Vorfreude darauf, vor heimischem Publikum dieses Turnier spielen zu können. Ich sehe uns für das Turnier auf einem sehr guten Weg.
Gordon Herbert: Rheinland-Klubs würden der BBL guttun
Neben Berlin ist Köln einer der beiden Austragungsorte in Deutschland. Hat man Ihnen schon berichtet, dass es hier die wohl leidenschaftlichsten Sportfans im Land gibt?
Herbert: Ich glaube, ich war bis jetzt erst einmal in der Arena. Das war beim Allstar-Game Anfang der Zweitausender und hat mir sehr gut gefallen. Ich habe gehört, dass Köln eine großartige Sport-Stadt ist, mit tollen Klubs im Fußball und Eishockey. Ich bin gespannt auf die Kulisse bei der EM.
Seit zwölf Jahren gibt es hier allerdings keinen Erstligisten mehr. Auch Leverkusen und Düsseldorf sind in der BBL nicht vertreten, in Bonn zieht sich die Telekom als Hauptsponsor zurück. Wird das Rheinland zum schwarzen Fleck auf der Basketball-Landkarte?
Herbert: Tatsächlich gibt es mit Bonn aktuell nur noch einen Erstligisten in der Region. Der deutsche Basketball würde von Erstligisten in Köln oder Düsseldorf auf jeden Fall profitieren, beide haben eine sehr gute Infrastruktur. Das gilt auch für Hagen, wo es gute Bedingungen und eine erst vor einigen Jahren umgebaute Halle gibt. Allein in dieser Region findet sich Potenzial für zwei oder drei weitere Bundesligisten.
Aus dem Rheinland über den großen Teich Richtung NBA: Dennis Schröder spielt nach seinem Wechsel zu den Boston Celtics bislang eine starke Saison. Wie viel Potenzial sehen Sie in ihm?
Herbert: Als erstes gefällt mir, dass er große Ambitionen gezeigt hat, Teil des Nationalteams zu sein und für Deutschland zu spielen. Das war die wichtigste Erkenntnis unseres ersten Gesprächs. Er bringt mit seinem Talent Dinge aufs Feld, zu denen nicht allzu viele Spieler fähig sind. Es heißt immer: „Es gibt kein ‚ich‘ in Team“, aber ich sehe das anders. Und Dennis ist jemand, der die notwendige individuelle Klasse einbringen kann.
Gordon Herbert über mögliche Zusammenarbeit mit Dirk Nowitzki: „Liegt vor allem an ihm“
Deutschland hat aktuell gleich mehrere starke Spieler in der NBA. Sehen Sie bei Franz Wagner, Maxi Kleber oder Daniel Theis die Chance, zu führenden Spielern in der Nationalmannschaft zu werden?
Herbert: Franz beispielsweise spielt wirklich eine grandiose Saison als Rookie und er würde sich sehr freuen, für Deutschland zu spielen. Aber aus Erfahrung weiß ich, dass es manchmal kompliziert ist, die NBA-Profis dann auch bei Turnieren dabeizuhaben. Das ist allein aus Versicherungsgründen alles andere als einfach, aber wir versuchen unser Bestes. Daniel Theis hat mir zuletzt aber versichert, dass er zu 100 Prozent im Sommer bei uns ist.
Wer an deutsche Basketballer in der NBA denkt, wird immer auch an Dirk Nowitzki denken. Er ist EM-Botschafter. Glauben Sie, er wäre auch darüber hinaus für eine Rolle im deutschen Basketball zu begeistern?
Herbert: Es wäre natürlich großartig, ihn in welcher Position auch immer bei uns zu haben. Er ist nicht nur ein großartiger Spieler gewesen, sondern ist auch eine fantastische Person. Wir werden auf jeden Fall darüber sprechen und dann liegt es vor allem an ihm, ob er sich eine Rolle bei uns vorstellen kann.
Abseits der NBA gibt es auch einige starke deutsche Spieler im europäischen Ausland. Wie intensiv verfolgen Sie Tibor Pleiß, Johannes Voigtmann und Co.?
Herbert: Ich verfolge zum Beispiel die EuroLeague sehr intensiv, schaue mir Woche für Woche viele Spiele an. Einer der größte Vorteil der Deutschen in der NBA ist, dass sie vorher bereits in Europa auf hohem Niveau international gespielt haben. Tibor Pleiß habe ich gerade erst in München gesprochen und mit ihm über seine Zukunft im Nationalteam geredet.
Sie arbeiten seit 2010 mit kurzer Unterbrechung praktisch dauerhaft in Deutschland. Wie sehen Sie die Entwicklung im deutschen Basketball in den vergangenen zehn Jahren?
Herbert: Ich sehe sehr große Schritte nach vorne in den vergangenen Jahren. Es gibt viele deutsche Spieler in der Liga und auch in der EuroLeague, die eine entscheidende Rolle spielen. Es sind sechs ausländische Spieler pro Team in der BBL erlaubt, mir würde als Nationalcoach natürlich gefallen, wenn sich diese Zahl reduzieren würde (lacht). Andererseits müssen sich die deutschen Spieler ihre Minuten dadurch hart erarbeiten und täglich an ihre Grenzen gehen, das hilft natürlich bei der Entwicklung.