Das ist eine überragende Leistung! Moritz Müller, Kapitän der Kölner Haie, absolviert am Freitag in Iserlohn sein 1000. Spiel in der Deutschen Eishockey Liga.
XXL-Interview zum 1000. DEL-SpielHaie-Käpt’n Moritz Müller: „Es ist schon alles weicher geworden“
Manche Zahlen sind einfach kurios. Bei den Kölner Haien wird dies nun erneut unter Beweis gestellt. Am 24. Februar 2013 absolvierte Mirko Lüdemann (49, heute im Marketing des KEC tätig) sein 1000. Spiel in der Deutschen Eishockey Liga (DEL) – es gab einen Sieg über Straubing.
Exakt am gleichen Datum, zehn Jahre später, erreicht der aktuelle Haie-Kapitän Moritz Müller (36) die magische Marke von 1000. DEL-Spielen. Am Freitagabend kommt es in Iserlohn zum gigantischen Jubiläum. Vorher traf EXPRESS.de die beiden lebenden Kölner Eishockey-Legenden zum XXXL-Jubiläums-Interview.
Herr Müller, können Sie sich noch an Ihr erstes DEL-Spiel für die Kölner Haie erinnern?
Moritz Müller: Ja, das war gegen Düsseldorf zu Hause. Gleich ein super Start. Ich kann mich noch an Fetzen vom Spiel erinnern, das war mega aufregend und überwältigend vor ausverkauftem Haus. Ich war natürlich auch verängstigt, wollte nichts falsch machen.
Hat Sie Mirko Lüdemann als Altmeister damals an die Hand genommen?
Müller: Ja schon, wenn man als junger Spieler hochkommt, dann versuchen die Alten einem, den Druck zu nehmen. Ich sollte alles genießen und auf keine Fälle Angst haben, hieß es.
Moritz Müller: Zu Beginn der Karriere Eishockey-Stürmer
Herr Lüdemann, wie sind denn Ihre Erinnerungen an den jungen Moritz Müller als er zu den Haie-Profis kam?
Lüdemann: Keine Ahnung mehr, das ist alles zu lange her. Ewigkeiten. Ich frage mich gerade: Wenn er sein erstes Spiel im Dezember absolviert hat, wo war er vorher die ganze Zeit...?
Müller muss lachen: Ich habe die Vorbereitung mitgemacht und Pokalspiele und war in der DNL im Nachwuchs. Mittrainiert habe ich aber unter Hans Zach schon regelmäßig bei den Profis. Und dann bin ich für das Spiel in den Kader gerutscht. Ich weiß auch nicht, warum. Damals war ich sogar noch Stürmer. Die ersten drei Jahre habe ich als Stürmer gespielt.
Wie wurden Sie von den gestandenen Profis aufgenommen?
Müller: Früher war das noch nicht so, wie es heute ist. Wenn ein junger Spieler hoch kommt, gehen die alten Spieler hin und stellen sich mal vor. Wenn Du früher in die Kabine gekommen bist als junger Spieler, dann hast Du einfach die Klappe gehalten. Das war schon noch ein anderer Ton damals. Bis ich das erste Mal mit Lüde gesprochen habe, war wahrscheinlich zwei, drei Jahre später...
Echt jetzt?
Müller muss lachen: Beim Lüde hatten wir auch einen Running-Gag: Wir haben immer gefragt: Lüde, wie hieß der, der neben dir saß? Da hat er immer nur geantwortet: Kenne ich nicht.
Lüdemann muss grinsen: Ja, ja, dann gab es mal einen jungen Spieler, der saß sogar mal einen Monat, 16 Spiele, neben mir. Ich wusste nicht, wie er hieß.
Müller: So war das damals. Die Jungs waren unter sich und als junger Spieler hat man versucht, sich da ranzuarbeiten.
Mussten Sie leiden?
Müller: Es gab nichts, wo ich heute sagen würde, dass es mir geschadet hat.
Jetzt absolvieren Sie das 1000. DEL-Spiel genau am selben Tag, wie es Lüdemann hatte – nur zehn Jahre später. Eine verrückte Geschichte, oder? Wie besonders ist das für Sie?
Lüdemann: Da wird immer viel von außen reingetragen. Klar ist es das 1000. Spiel und ein Meilenstein, den man abgerissen hat. Aber für das Spiel an sich ist es wie jedes andere. Wenn es dann losgeht ist es egal, ob es das erste Spiel oder das 1000. ist. Dann musst du parat stehen.
Sehen Sie das ähnlich, Herr Müller? Oder liegen Sie zumindest danach im Bett und denken sich: 1000. Spiele, da muss man schon ein geiler Kerl sein?
Müller: Neee. Da kommen ja einige Sachen dazu: Gesundheit und auch Glück. Natürlich hat man die Tage davor ein paar Termine, aber im Spiel ist es nichts Besonderes. Trotzdem werde ich nach dem Spiel schon stolz drauf sein.
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Die Voraussetzungen sind gut für das Duell in Iserlohn. Zuletzt gab es einen tollen Erfolg in Mannheim...
Müller: Wir gucken ja nicht da drauf, was war und was sein wird. Für uns Spieler gilt: In dem Moment, in dem die Scheibe eingeworfen wird, geht es von null los. Das ist, wie beim Würfeln: Wenn Du gerade eine 6 hattest, heißt das ja nicht, dass nochmal eine 6 kommt. Warum auch? Es geht immer wieder von vorne los.
Empfinden Sie die Saison als schwankend beim KEC? Nach tollen Siegen gibt es auch immer wieder Niederlagen...
Müller: Bei welchem Team ist das denn anders, außer bei München? Es ist halt sehr eng. Natürlich machen wir uns nach Niederlagen Vorwürfe, dass wir einige Sachen nicht gut gemacht haben. Aber es ist nicht so, dass wir nach einem Sieg in Mannheim sagen: So, jetzt hauen wir alle weg. In der Liga schlagen sich alle untereinander.
Aber Platz 6 ist das große Ziel – wie realistisch ist die direkte Viertelfinal-Teilnahme?
Müller: Das Selbstvertrauen ist sehr gut. Ich finde auch, dass wir sehr gutes Eishockey spielen in der Saison. Wir haben eine deutliche Steigerung zu den letzten Jahren. Wir sind eigentlich in jedem Spiel in der Lage zu gewinnen. Zu Beginn der Saison hatten wir ein Problem mit Strafen, da haben wir einige Spiele abgegeben durch. Das machen wir jetzt viel besser.
Kölner Haie: Moritz Müller spricht über Lieblingstrainer
Gucken wir nochmal zurück auf die lange Karriere: Wer war der Lieblingstrainer?
Müller: Ich hatte viele tolle Trainer. Hans Zach muss ich danke sagen, dass er mich reingeschmissen hat. Natürlich war es bei ihm hier und da die harte Schule. Doug Mason hat mich zum Verteidiger gemacht, er war ein sehr netter Mensch, der einen anderen Ansatz hatte. Und von Uwe Krupp, der ja selber Verteidiger war, habe ich wirklich sehr viel gelernt. Zudem erinnere ich mich gerne an Dan Lacroix zurück, der war zwar nur kurz hier, aber den haben alle sehr geschätzt.
Gab es auch Katastrophen-Erlebnisse?
Müller lacht: Ja natürlich, da gab es auch Trainer, wo man sich im Nachhinein sagt: Das hätte man sich sparen können. Aber ich will hier keine Namen nennen. Das wäre unfair da einen rauszupicken, aber im Kopf habe ich zwei, drei Kandidaten.
Mittlerweile sind Sie Kapitän, wie hat Sie das verändert?
Müller: Ich bin da reingewachsen in die Rolle als Führungsspieler. In jungen Jahren habe ich einige Sachen zu ernst genommen. Wenn ich nochmal zurückreisen könnte, würde ich mir selber sagen, dass ich mich ein bisschen entspannen soll. Ich wollte es zu sehr, war zu verbissen, ich wollte es zu perfekt machen. Auch als Kapitän muss man auch einfach Sachen mal passieren lassen. Der Austausch mit dem Trainer ist aber enorm wichtig, da kann man einiges vorbeugen oder verhindern oder sogar verbessern. Uwe Krupp nimmt da Rückmeldungen gerne an.
Welche besonderen Mitspieler fallen Ihnen ein?
Müller: Felix Schütz, Johannes Salmonsson – der war sehr lustig. Aber es sind auch Freundschaften entstanden. Mit Torsten Ankert bin ich am selben Tag hier angekommen, dann haben wir 600 Spiele für die Haie gemacht. Klar, dass da was entsteht.
Sie und Lüdemann waren beide den Haien immer treu – ärgert man sich manchmal, dass man nichts anderes probiert hat?
Müller: Die NHL-Tür war bei mir wie bei Lüdemann nie offen. Vielleicht hätte man sich über einen Umweg da rein kämpfen können. Das macht man aber eher, wenn man nicht so was Gutes zu Hause hat. Bei den Haien hat man schon etwas sehr Gutes. Aber ich würde lügen, wenn es nicht den Moment gegeben hätte, wo ich an einen Wechsel gedacht habe. Den gab es auf jeden Fall. Wenn es dann kurz davor war, habe ich es doch nicht gemacht. Es hat Vorteile, 1000 Spiele für einen Klub gemacht zu haben, es hat aber auch Nachteile.
Welche?
Müller: Im Erfolg bekommt man ein Lob zu viel, im Misserfolg einen Arschtritt zu viel. Man wird zur Sache und als die Sache betrachtet. Man steht dann quasi für die Kölner Haie, egal, ob man etwas ändern konnte an der Situation oder nicht.
Wie wichtig war Thomas Eichin als langjähriger Geschäftsführer?
Müller: Sehr wichtig, er hat mir schon geholfen. Ich kam hier alleine an als Teenager und hatte nicht das klassische Familienleben zu Hause. Ich habe Familienanschluss gesucht und ihn dann auch gefunden, mit Nadja. Aber bei den Jungs in der Kabine war es anfangs ein bisschen schwer, die Tochter vom Thomas zu daten. Mit den Jahren wurde es besser, als man gesehen hat, dass es eine längere Beziehung wird. Für Thomas und mich war es dann aber auch gut, dass er gegangen ist, da war ich hier nicht immer der Schwiegersohn...
Hat sich in den Jahren das Leben und der Umgang in der Kabine auch geändert – gesellschaftlich gibt es ja schon einen großen Wandel...? Ist Eishockey noch der harte Männersport mit derben Sprüchen?
Müller: Es ist ja nicht so, dass wir in einer Blase leben. Es hat sich schon insgesamt verändert. Es gibt schon freche Sprüche und es ist weiter ziemlich gerade heraus bei uns, aber es ist schon alles weicher geworden.
Ist das gut oder schlecht für den Sport?
Müller: Das mag ich nicht beurteilen, aber was ich wichtig finde für den Sport ist, dass er ehrlich, hart und fair bleibt. Das geben wir auch den jungen Spielern so mit. Ich habe eine Erinnerung an Alex Hicks – damals ist Steve Palmer verletzt hinausgegangen. Er kam dann zurück auf die Bank. Da hat Hicks ihn gefragt, was er denn hätte. Palmer hatte eine Wunde am Mund. Hicks fragte dann, ob er genäht worden sei. Als Palmer verneinte, sagte Hicks: „Dann brauchst Du auch nicht rausgehen.“ Für mich als 18-Jähriger war klar: Ich gehe nie raus.
Wie ist die neue Generation der Eishockey-Spieler?
Müller: Die Jungs, die hochkommen, sind alle sehr sozial, alle lieb zueinander, sehr achtsam, aber auch alle ein bisschen weicher.
Wie ist das auf dem Eis, gibt es da noch viel Trash-Talk? Früher gingen Sie auch keinem Faustkampf aus dem Weg...
Müller: Mittlerweile konzentriere ich mehr aufs Spiel. Ich habe oft nicht die Kraft, auch noch Gegner zu beschimpfen. Zudem habe ich das Gefühl, es nimmt mir die Konzentration vom Spiel weg. Ich will mich nicht ablenken lassen. Mit mir redet auch kaum jemand und ich werde selten beschimpft. Aber wenn es sein muss, dann springt man natürlich ein, wenn zum Beispiel der Torwart gecheckt wird. Das ist dann Ehrensache.
Es gab eine heftige Prügelei gegen den damaligen Ingolstädter Christoph Melischko, wenig später kam er ins Haie-Team. Wie lief das ab?
Müller: Es wird oft mehr von außen reingetragen als es eigentlich war. Wir hatten einen Faustkampf und danach kam er dann nach Köln, zog sogar in die gleiche Straße nach Sülz. Wir haben sofort festgestellt, dass wir uns mögen. Wir hatten gar kein Problem miteinander. So ist es ja meistens: die Jungs, die sich auf dem Eis prügeln, die sind alle aus einem Holz geschnitzt und sehr ähnlich. Die verstehen sich eigentlich alle gut. In unserem Sport ist das so: Da kochen die Emotionen hoch, man haut sich eine rein und dann ist auch wieder gut.
Wer ist Ihr Lieblingsgegner?
Müller: Das Derby gegen die Düsseldorfer EG ist die Nummer 1, Iserlohn die Nummer 2. Ich mag die kleine Halle in Iserlohn und die aufgeheizte Stimmung.
Meinen Sie, es gibt beim 1000. Spiel am Freitag Beifall von den Iserlohnern?
Müller schmunzelt: Ich erwarte keine Standing Ovations. Aber 2018, als wir mit Silber von Olympia zurückkamen, da war eines unserer ersten Spiele in Iserlohn. Da haben wir, Christian Ehrhoff, Felix Schütz und ich, Standing Ovations bekommen. Da habe ich gedacht: Wow, jetzt habe ich es geschafft – die Iserlohner applaudieren. Ob das jetzt wieder so sein wird? Es hat halt jetzt nicht so eine Tragweite mit den 1000. Spielen.
Wie lange planen Sie noch, Lüdemann hatte 1197 DEL-Spiele...?
Müller: Das ist schwer zu sagen.
Lüdemann: Da muss man jetzt schauen, denn es müssen viele Dinge passen. Grob wären das noch vier Jahre, die man noch mal knallen muss. Körper, Verletzungen, das Mentale – da muss alles stimmen.
Müller: Ich weiß, dass Lüde dann nur noch Jahresverträge unterschrieben hat. Meiner läuft noch bis 2024. Noch macht es Spaß, ich bin fit und kann von der Leistung mithalten. Aber wenn einer der Faktoren nicht mehr stimmt, ist es vielleicht sehr schnell vorbei. Es ist schwer zu sagen.
Was sagt der Körper aktuell?
Müller: Ich fühle mich richtig gut und fit, aber es gibt schon mal Tage, nach drei Spielen in einer Woche, wo es weh tut. Der Vorteil als Verteidiger ist, dass man im Alter ein bisschen was mit gutem Auge lösen kann. Vor zehn Jahren wäre ich da noch dümmer reingerannt, dann hätte es noch mehr weh getan. Ich kann jetzt Dinge besser lösen, das erlaubt einem dann auch noch was länger zu spielen.
Wie sind Ihre Ziele für die Saison?
Müller: Priorität Nummer ein: Wir wollen jetzt Sechster werden. Gegen wen es dann geht, ist egal.
Sie haben noch keinen Titel gewonnen, standen dreimal im Finale...
Müller: Die Stadt würde Kopf stehen. Das ist mein Traum, das wünsche ich mir schon noch. Ich habe auch das Gefühl, dass es in diesem Jahr in die richtige Richtung geht. Es waren ja auch ein paar wilde Jahre dabei. Wir müssen halt in die Position kommen, um den Titel zu spielen, da arbeiten wir jetzt alle dran – auch was die langfristige Ausrichtung im Klub angeht. Wenn man oben angreifen will, muss man mit den Großen mitspielen, das geht nicht anders.
Wo sehen Sie sich nach der Karriere? Weiter im Eishockey oder woanders?
Müller: Ich glaube, ich würde ganz gerne mal etwas anderes machen, etwas ausprobieren. Ich bin umtriebig. Und ich will auf jeden Fall weiter den Junghaien helfen – durch die Spielervereinigung werde ich dem Eishockey auch verbunden bleiben. Trainer im Eishockey eher nein, aber ausschließen will ich auch nichts. Ich freue mich auch mal darauf, an den Wochenenden freizuhaben. Oder jetzt im Karneval – man sieht, was die anderen so treiben. Das würde ich auch gerne mal genießen können.