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Sportboss im Krisen-InterviewFC vor Derby unter Druck: Herr Keller, wackelt Steffen Baumgart?

Christian Keller im Gespräch mit Steffen Baumgart.

Christian Keller und Steffen Baumgart tauschen sich beim Training des 1. FC Köln am 26. September 2023 aus.

Christian Keller steht beim 1. FC Köln derzeit in der Kritik. Die Fans suchen die Schuld für den gravierenden Fehlstart vor allem beim Sportboss. Bei EXPRESS.de beantwortet er nun die dringendsten Fragen.

Beim 1. FC Köln schrillen vor dem Derby gegen Borussia Mönchengladbach am Sonntag (22. Oktober 2023, 15.30 Uhr, DAZN und im Liveticker auf EXPRESS.de) alle Alarm-Glocken. Mit nur einem Punkt aus sieben Spielen steht der Klub in der Bundesliga bereits jetzt schon mit dem Rücken zur Wand.

Die Kritik richtet sich dabei aber weniger gegen Coach Steffen Baumgart (51), sondern vielmehr gegen Sportboss Christian Keller (44). Ein Vorwurf lautet: Keller spart den FC kaputt! Die Fans nahmen ihm vor allem krumm, dass er weder einen dringend benötigten Stürmer, noch einen adäquaten Nachfolger für Ellyes Skhiri (28) holte.

Christian Keller: „Da brauchen wir nicht drum herumzureden“

Mitten in der Krise hat Keller jetzt das Wort. Im ersten Teil des EXPRESS.de-Interviews spricht Kölns Geschäftsführer über die Gründe für die Krise und den Qualitätsverlust nach den Abgängen von Ellyes Skhiri und Jonas Hector. Dazu beantwortet er die Frage: Gibt es beim FC eine Trainer-Diskussion?

Alles zum Thema Jonas Hector

Christian Keller, wie beschreiben Sie die aktuelle Situation vor dem richtungsweisenden Derby gegen Borussia Mönchengladbach?

Christian Keller: Unabhängig vom Gegner: Es ist ganz klar, dass wir jetzt anfangen müssen zu punkten. Dabei kommen jetzt Gegner – beginnend mit Gladbach – gegen die wir punkten können, wenn wir unsere Leistung bringen. Das Derby hat dabei natürlich eine hohe emotionale Bedeutung für unsere Fans. Wir müssen das Spiel dennoch mit einem kühlen Kopf angehen.

Es war lange Steffen Baumgarts Credo, dass es in erster Linie um die Leistung geht. Zählen angesichts von nur einem Punkt aus sieben Spielen jetzt aber nur noch nackte Ergebnisse?

Keller: Grundsätzlich bleibt das Prinzip: Leistung vor Ergebnis. Andererseits wissen wir natürlich auch, dass wir unter dem Strich an Punkten gemessen werden. Und in der Hinsicht haben wir mit einem Unentschieden erst ein halbwegs erträgliches Ergebnis eingefahren. Das ist deutlich zu wenig. Wir sind aber weiter der Überzeugung, dass kontinuierlich gute Leistungen auf Strecke auch zwangsläufig zu den erforderlichen Punkten führen werden.

Vor der Saison sagte Steffen Baumgart, er wäre angespannter als sonst. Wie erleben Sie ihn in der aktuellen Phase?

Keller: Ich erlebe ihn sehr sachlich und in sich ruhend. Er ist sehr fokussiert und nimmt die fraglos schwierige Situation sehr gut an. Es ist kein Geheimnis, dass er ein sehr ehrgeiziger Trainer ist und grundsätzlich immer mehr will. Ich finde aber, er macht es sehr gut, wie er mit der Differenz zwischen Anspruch und Wirklichkeit umgeht. Und eins ist auch klar: Wir alle hätten uns den Saisonstart anders vorgestellt.

Und wie sieht es bei Ihnen aus?

Keller: Uns war intern bewusst, dass es eine herausfordernde Saison werden würde. Es war von vorneherein klar, dass es für uns primär darum gehen würde, in der Liga zu bleiben. Ich habe schon vor einem Jahr gesagt, dass diese Spielzeit im Kontext der Gesundung des FC vielleicht sogar die schwerste wird. Trotzdem hätte ich nicht gedacht, dass wir zum jetzigen Zeitpunkt erst einen Punkt haben. Das ist nicht genug, da brauchen wir nicht drum herumzureden.

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Wenn man auf Ursachenforschung geht, fällt aktuell auf, dass viele Leistungsträger gleichzeitig nicht funktionieren. Können Sie sich das erklären?

Keller: Wenn wir den einen konkreten Grund ausgemacht hätten, hätten wir den erlösenden Knopf schon gedrückt. Fakt ist, dass viele Spieler nicht an ihrem Leistungslimit agieren. Das ist sicher ein Grund, warum wir nicht so gut funktionieren, wie wir eigentlich könnten. Wir haben es in den vielen engen Spielen, die wir hatten, aber auch nicht geschafft, das Ding auf unsere Seite zu ziehen. Wir konnten die spielentscheidenden Situationen meist nicht in unserem Sinne gestalten, weder offensiv noch defensiv. Denn es wird zwar immer gesagt, wir schießen zu wenig Tore, was absolut richtig ist. Aber gleichzeitig kriegen wir auch zu viele und vor allem zu leichte Gegentore. Dabei waren es häufig Verkettungen von Fehlern, die auf diesem Niveau zu viel sind.

Ist das eine Qualitätsfrage?

Keller: Wenn man auf lange Sicht immer die gleichen Sachen falsch macht, fehlt die nötige Lernkurve. Sieben Spiele sind für eine solche Bewertung aber noch deutlich zu wenig. Wir sind nach wie vor der festen Überzeugung, dass diese Mannschaft Bundesliga-Qualität besitzt.

Keller: „Wir wussten, dass wir das nicht auffangen können“

Wiegen die Abgänge von Jonas Hector und Ellyes Skhiri dann doch schwerer als gedacht?

Keller: Nein, das war uns im Vorhinein bewusst. Beide sind weit überdurchschnittliche Bundesligaspieler, die für uns extrem wichtig waren. Ich würde Jonas dabei sogar noch einen Tick höher einstufen als Ellyes, weil er mit dem Gesamtpaket aus Leistung und Auftreten die Zugmaschine dieser Mannschaft war. Wir wussten, dass wir das nicht auffangen können, egal wie gut der Neuzugang auf dieser Position sein würde. Es braucht Zeit, bis wir seinen Abgang kompensieren werden.

Fehlt er Ihnen nicht nur auf dem Platz, sondern auch in der Kabine?

Keller: Es gibt mehrere Spieler in der Kabine, die die kommunikative Rolle von Jonas übernommen haben – und jetzt mehr in die Verantwortung gerückt sind. Daran fehlt es meiner Meinung nach nicht. Was fehlt, ist seine individuelle Klasse auf dem Platz. Jonas war maßgeblich verantwortlich für die Statik in unserem Spiel. Er war praktisch kaum zu pressen, hatte fußballerisch immer eine Lösung und uns so immer neue Möglichkeiten gegeben.

Florian Kainz hat die Rolle des Kapitäns übernommen. Warum tut er sich aktuell so schwer?

Keller: Kainzi und Dejo (Anm. d. Red. Dejan Ljubicic) stehen als Führungsspieler derzeit besonders im Fokus, aber sie sind ja nicht die einzigen. Für alle Spieler gilt, dass sie immer probieren, ihr Bestes zu geben. Es gibt im Fußball aber nun mal diese Phasen, in denen es nicht läuft, wo das Selbstvertrauen nicht so groß ist und die Dinge nicht mehr so leicht von der Hand gehen. Gleichzeitig können aber auch zwei, drei Siege dazu führen, dass die Dinge plötzlich wieder spielend einfach aussehen. Wir müssen weiterarbeiten und dann mit vereinten Kräften den Bock umstoßen.

Ein Punkt nach sieben Spielen. Bei wohl jedem anderen Bundesligisten gäbe es eine Trainer-Diskussion. Wie sieht das beim FC aus?

Keller: Es gilt das gleiche Prinzip wie bei den Spielern: Leistung vor Ergebnis. Ich bewerte das Trainer-Team daran, wie es mit der Mannschaft arbeitet. Das nehme ich als sehr strukturiert, fokussiert und akribisch wahr. Obwohl überall, wo gearbeitet wird, auch Fehler passieren, kann ich dem Trainer-Team in Summe eine sehr gute Leistung konstatieren. Und was genauso wichtig ist: Die Mannschaft steht geschlossen hinter ihrem Trainer. Insofern will ich über dieses Thema gar nicht sprechen.

Gibt es einen Punkt, an dem Sie ins Grübeln geraten würden?

Keller: Das ist hypothetisch. Ich bleibe dabei, dass es keine Diskussion gibt. Denn ich bin überzeugt davon, dass die Ergebnisse kommen werden, wenn wir ruhig und sachlich bleiben und weiter hart arbeiten.

Kritiker werfen Steffen Baumgart vor, dass er keinen Plan B habe und immer den gleichen Fußball spielen lasse. Was entgegnen Sie dem?

Keller: Man muss grundsätzlich zwischen Spielidee und Grundordnung unterscheiden. Unsere Grundordnung wird beispielsweise in Abhängigkeit vom Matchplan angepasst. Gegen eine Dreierkette spielen wir meist im 4-2-3-1. Wenn wir gegen eine Viererkette agieren, spielen wir in der Regel im 4-1-3-2. Es gibt hier also Variabilität. Bei der Spielidee ändern wir dagegen nichts. Unsere Philosophie ist, dass wir den Gegner hoch attackieren, stressen und nach Balleroberung schnell zum Abschluss kommen wollen. Dass das nicht immer funktioniert, steht auf einem anderen Blatt Papier. Es ist einfach, das in einer Phase zu kritisieren, in der es mal nicht läuft. Ich sage: Wenn man eine Idee hat, von der man überzeugt ist, dann sollte man ihr treu bleiben. Daher bestätige ich unseren Trainer darin, unsere Spielidee mit aller Konsequenz durchzuziehen.

Wie sehr beunruhigt Sie es, dass vermeintlich direkte Konkurrenten wie Heidenheim und Darmstadt schon sechs Punkte mehr haben?

Keller: Auf der einen Seite ist es natürlich nach sieben Spieltagen viel zu früh, um auf die Tabelle zu gucken. Auf der anderen Seite hecheln wir natürlich von Anfang an hinterher. Also müssen wir Punkte holen, um den Abstand nicht noch größer werden zu lassen.

Die nächsten Gegner heißen Gladbach, Leipzig, Augsburg und Bochum. Was erwarten Sie da?

Keller: Auch wenn es eine Floskel ist, grundsätzlich denken wir von Spiel zu Spiel. Unabhängig davon ist es aber so, dass von den nächsten vier Gegnern drei unsere Kragenweite haben. Deshalb ist es unser klares Ziel, in den kommenden Spielen möglichst viele Punkte zu holen.

Im zweiten des großen EXPRESS.de-Interview spricht Christian Keller über die erfolglose Stürmer-Suche, mögliche Winter-Transfers und das schwebende CAS-Verfahren.