„Bundesliga war ganz weit weg“ Entdecker Kroos, Förderer Keller – so landete Adamyan beim FC

Sargis Adamyan bei seinem FC-Debüt gegen den italienischen Meister AC Mailand

Sargis Adamyan bei seinem Debüt für den 1. FC Köln im Testspiel gegen den italienischen Meister AC Mailand am 16. Juli 2022

Sargis Adamyan spricht im EXPRESS.de-Interview unter anderem über seinen Wechsel zum 1. FC Köln, seine spezielle Karriere und seine Frau Anna.

von Martin Zenge  (mze)

Sargis Adamyan (29) war der letzte FC-Einkauf des Sommers. Jetzt ist der Armenier (33 Länderspiele) in der Pole-Position für den Sturm-Platz neben Anthony Modeste (34) – und eine der Offensiv-Hoffnungen der neuen Saison!

In seinem ersten Interview als Kölner spricht Adamyan bei EXPRESS.de über seine besondere Karriere, die Gründe für seinen Wechsel, seinen FC-Start, den Pokal-Auftakt bei Ex-Klub Regensburg und seine Frau Anna.

Sargis Adamyan: Tor gegen 1. FC Köln kostete seinen Ex-Coach den Job

Sargis Adamyan, zum Start ein kleiner Gedächtnis-Test: Welche Erinnerungen haben Sie an den 12. Mai 2019?Adamyan: Wenn Sie so fragen, war das bestimmt unser 5:3-Sieg mit Regensburg in Köln.

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Genau. Ihr erstes Spiel im Rhein-Energie-Stadion. Sie trafen doppelt, der FC feierte den Aufstieg.Adamyan: Das war ein schönes erstes Spiel hier (lacht). Köln war bereits Zweitliga-Meister, insofern konnten am Ende alle glücklich sein. Zuvor hatte ich noch nicht höher als 2. Bundesliga gespielt – deswegen war das Spiel in Köln vor 50.000 Fans schon etwas ganz Besonderes.

Ihr zweites Spiel in Köln ein Jahr später war ebenfalls speziell. Nach Ihrem Hoffenheim-Wechsel steuerten Sie ein Tor und eine Vorlage zum 2:1-Sieg bei. Die Partie kostete Ihren vorherigen Regensburger Trainer Achim Beierlorzer den FC-Job…Adamyan: Wir hatten im Anschluss Kontakt, er hat mir das nicht übel genommen. Das ist eben der Sport. Warum ich immer gegen den FC getroffen habe, kann ich selbst gar nicht sagen.

Jetzt sollen Sie für Köln treffen. Bevor wir zum FC kommen: Lassen Sie uns auf Ihre bisherige Karriere und Ihren Lebensweg schauen. Als Sie viereinhalb Jahre alt waren, ist Ihre Familie aus Armenien nach Deutschland ausgewandert. Wie kam es dazu?Adamyan: Mein Vater hatte in Armenien eine Schuhfabrik mit vielen Mitarbeitern. Doch dann hat sich die Währung geändert und quasi von heute auf morgen war alles nichts mehr wert. Daher haben sich meine Eltern dazu entschlossen, nach Deutschland auszuwandern. Meine Tante war zwei Jahre zuvor nach Bielefeld gezogen.

Sie und Ihre Familie wohnten zunächst in einem Asylheim in Mecklenburg-Vorpommern. War es schwer, in Deutschland anzukommen?Adamyan: Für mich persönlich war es zum Glück eher unkompliziert. Es trafen dort viele Kulturen aufeinander. Und mit fünf, sechs, sieben Jahren gab es für mich von morgens bis abends nur Fußball, so konnte ich schnell Anschluss finden.

Fünf Jahre in der Regionalliga – Adamyan: „Ich habe nie gezweifelt“

Einem Verein sind Sie allerdings erst als Zwölfjähriger beigetreten. Warum so spät?Adamyan: Zuvor habe ich Tischtennis im Verein gespielt, war sogar Landesmeister in Mecklenburg-Vorpommern. Ich spiele noch immer gerne, im Trainingslager hatten die Jungs wenig Chancen (lacht). Fußball habe ich als Kind immer auf der Straße gespielt. Bis mich bei einem Schulturnier in Neubrandenburg ein D-Jugend-Trainer eingeladen hat.

Ihr erster Kontakt mit dem Profi-Fußball war wohl vier Jahre später der Wechsel zu Hansa Rostock.Adamyan: Genau. Bei einem Landespokal-Finale mit Neubrandenburg gegen Hansa kam der Kontakt mit Roland Kroos zustande.

Der Vater von Toni und Felix Kroos – und Ihr Entdecker?Adamyan: Das kann man so sagen. Er hat mich vor allem beim Thema Disziplin geprägt, aber auch mit seinem Fachwissen. Für mich war er vier Jahre lang ein sehr, sehr guter Jugendtrainer.

Als Sie zu den Profis hochgezogen wurden, trafen Sie auf Steffen Baumgart, der Hansas Co-Trainer war. Wie sind Ihre Erinnerungen?Adamyan: Er war damals schon laut, sehr verändert hat er sich nicht (lacht). Wobei er als Cheftrainer noch ein bisschen intensiver ist. Es war keine einfache Zeit für mich als Neuling bei den Profis, wir haben gegen den Abstieg gespielt in der 3. Liga.

Anschließend mussten Sie trotz Ihres Drittliga-Debüts einen fünfjährigen Umweg über die Regionalliga nehmen, spielten in Neustrelitz und Steinbach. Haben Sie daran gezweifelt, dass der Profi-Fußball das Richtige ist?Adamyan: Nein, ich habe nie gezweifelt – weil mir der Fußball einfach immer Spaß gemacht hat. Meine Miete und den Lebensunterhalt konnte ich auch in der Regionalliga zahlen. Ich wollte erst mal schauen, wie lange das mit Fußballspielen möglich ist. Bei Hansa hatte ich zudem eine Ausbildung als Industriekaufmann begonnen, das wäre eine Alternative gewesen.

Haben Sie damals noch von der Bundesliga geträumt?Adamyan: Die Bundesliga war ganz weit weg für mich. Wenn ich ehrlich bin, habe ich daran nicht mehr geglaubt. Schon der Wechsel nach Regenburg in die 2. Bundesliga hat mich extrem gefreut. Ich war wahnsinnig aufgeregt, dort spielen zu dürfen.

Adamyan über Christian Keller: „Habe bei ihm sofort viel Vertrauen gespürt“

Welche Rolle hat FC-Sportchef Christian Keller, zu dieser Zeit Geschäftsführer des SSV Jahn, gespielt?Adamyan: Ich habe bei Steinbach eine relativ gute Saison gespielt mit 16 Toren. Christian Keller hat mich bei einem Spiel gegen Hoffenheim II entdeckt, bei dem mir ein Doppelpack gelungen ist. Dann hat er mich nach Regensburg geholt, und so war ich auf einmal aus der Regionalliga in der 2. Bundesliga angekommen.

Demzufolge ist Christian Keller eine prägende Figur in Ihrer Karriere.Adamyan: Definitiv. Nicht viele hätten sich getraut, einen Regionalliga-Spieler zu holen und auf ihn zu bauen. Ich habe bei ihm sofort viel Vertrauen gespürt.

Nach zweieinhalb Jahren in Hoffenheim und der Leihe nach Brügge hat er Sie zum FC gelotst. Sie hätten auch wieder bei der TSG angreifen können, schließlich hat mit André Breitenreiter ein neuer Trainer übernommen.Adamyan: Ich hatte noch ein Jahr Vertrag in Hoffenheim, hätte also zurückgehen können. Der Trainer hat mir sogar gesagt, dass er es schade findet, dass ich gehe, weil er viel Potenzial in mir sieht.

Warum wollten Sie dennoch nach Köln?Adamyan: Mein Gefühl hat mir gesagt, dass ich ein neues Kapitel brauche – frischen Wind. Beim FC hatte ich vom ersten Moment an das richtige Gefühl. Das Spielsystem liegt mir sehr. Ich habe letzte Saison viele FC-Spiele gesehen, und es hat mir Spaß gemacht zuzuschauen. Das war der ausschlaggebende Grund.

Steffen Baumgart hat Sie in der Vorbereitung ordentlich über den Platz gescheucht und gesagt, Sie müssten noch aufholen. Wie weit sind Sie?Adamyan: Mittlerweile fühle ich schon deutlich fitter als zum Zeitpunkt des Wechsels. Das Training ist intensiver als bei anderen Vereinen, die Spielidee macht das aber auch notwendig. Und die Aufgaben eines Stürmers haben sich ein bisschen verändert. Wir müssen mehr laufen und arbeiten – vor allem mit Steffen Baumgart als Trainer (lacht). Bei ihm ist es nicht möglich, sich mal eine Auszeit zu gönnen.

Gegen Mailand und Nijmegen haben Sie in der Spitze neben Anthony Modeste gespielt. Ist das Ihre beste Position?Adamyan: Ich bin recht flexibel in der Offensive, das wird man von Spiel zu Spiel sehen. Mit Tony kann es auf jeden Fall passen. Er ist ein eher robuster Stürmer und kopfballstark, kann die Bälle verlängern. Ich kann um ihn herum spielen. Wir können voneinander profitieren.

Mit Hoffenheim haben Sie in der Europa League gespielt, jetzt warten die Conference-League-Playoffs. Was ist für den FC international möglich?Adamyan: Ich traue uns sehr viel zu, gerade mit diesen Fans. Wenn man sieht, was Frankfurt in der Europa League abgerissen hat – bei uns kann das ähnlich sein. Ich sage jetzt nicht, dass wir die Conference League gewinnen, aber wir haben einen breiten Kader und sind bereit für den Europapokal. Vor allem, wie intensiv wir spielen, überzeugt mich.

Sargis Adamyan: „Meine Frau muss mehr Selfies machen“

Wie gefällt es Ihnen in der Stadt?Adamyan: Sehr gut. Man spürt tatsächlich schnell, wie offen die Leute sind. Als Nächstes steht der Umzug aus Heidelberg an. Meine Frau und ich haben schon eine neue Bleibe gefunden, dort fühle ich mich dann sicher noch wohler als im Hotel.

Ihre Frau Anna war 2014 Teilnehmerin bei „Germany’s Next Topmodel“ und hat mehr als eine halbe Million Instagram-Follower. Wer muss mehr Selfies machen, wenn Sie gemeinsam unterwegs sind?Adamyan: Ganz klar meine Frau, sie wird oft gefragt (lacht). Sie war ja schon öffentlich bekannt, bevor wir uns kennengelernt haben. Das war, während die Show lief. Wobei ich gar nicht wusste, dass sie dort teilnimmt.Anzeige: Jetzt Gutschein für den Fanshop des 1. FC Köln gleich hier im EXPRESS-Gutscheinportal sichern!

FC-Stürmer Sargis Adamyan mit seiner Frau Anna, die als Model und Influencerin arbeitet.

FC-Stürmer Sargis Adamyan mit seiner Frau Anna, die als Model und Influencerin arbeitet.

Demnächst moderiert sie eine ARD-Doku zu einem sehr persönlichen Thema, unerfüllter Kinderwunsch. Werden Sie dort auch zu sehen sein?Adamyan: Nein, wir trennen das. Das ist ihr Thema, und das macht sie super. Mein Thema ist der Fußball.

Und da wird es am Samstag mit dem Pflichtspiel-Auftakt im DFB-Pokal ernst. Ausgerechnet in Regensburg…Adamyan: Das wird sehr speziell für mich. Mit dem Trainer, Mersad Selimbegovic, telefoniere ich oft. Sein Co-Trainer ist einer meiner engsten Freunde. Wir dürfen Regensburg auf keinen Fall unterschätzen. Als Zweitligist ist der Jahn schon in der Saison, für uns wird es das erste Spiel. Wir müssen an unser Maximum gehen, dann sind wir Favorit. Aber dort zu spielen, ist immer eklig.