„Wie mit ihm umgegangen wird, ist verheerend“Baumgart über Kader, Winter-Transfers & Kimmich

Steffen Baumgart trainiert den 1. FC Köln.

Steffen Baumgart beim FC-Training am 24. November 2021.

Steffen Baumgart spricht im Interview mit EXPRESS.de unter anderem über die Kader-Planung des 1. FC Köln, Winter-Transfers und die Diskussionen um Bayern-Star Joshua Kimmich.

von Jürgen Kemper  (kem)Martin Zenge  (mze)

Derby-Zeit im Rheinland – Derby-Premiere für Steffen Baumgart (49). EXPRESS.de traf den FC-Trainer vor dem emotionsgeladenen Duell mit Borussia Mönchengladbach (Samstag, 27. November 2021, 15.30 Uhr) zum XXL-Interview über seine ersten Monate in Köln, seine großen Pläne mit den Geißböcken und die hitzige Corona-Debatte. Von Baumgart gibt’s wie immer Klartext! Lesen Sie hier den zweiten Teil.

Steffen Baumgart: 1. FC Köln wird interessanter für andere Spieler

Steffen Baumgart, wie gehen Sie als Trainer an die Kaderplanung heran?

Baumgart: Ich bin niemand, der sich mit einer Liste von Spielern hinstellt und sagt: Diese acht Jungs hätte ich gerne. Wir überlegen gemeinsam, was zum Gesicht der Mannschaft passt. Ich glaube, dass wir durch unseren Fußball mittlerweile auch interessant für Spieler sind, die im Sommer vielleicht noch gesagt hätten: „In Köln sehe ich mich nicht.“

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Was muss ein Spieler mitbringen, der zu Ihnen und dem neuen FC passt?

Baumgart: Wenn wir Spieler holen, wollen wir Jungs, die sich entwickeln können, das auch wollen und trotzdem schon Bundesliga-Niveau haben. So wollen wir als Mannschaft immer einen Schritt weitergehen.

Braucht der FC in der Winterpause Verstärkungen?

Baumgart: Ich würde nie sagen, dass keiner kommt oder keiner geht. So eine Wechselperiode ist ja genau dafür da, das auszuloten. Es gibt immer interessante Spieler, aber wir beschäftigen uns jetzt nicht mit einzelnen Positionen. Im Moment ist es doch so, dass spielerisch eine ganze Menge passt.

Steffen Baumgart: „Oder man sieht darin eine Chance“

Spätestens im Sommer dürfte Bewegung in den Kader kommen. Acht Verträge laufen aus, darunter auch Leistungsträger. Macht Sie das nervös?

Baumgart: Wenn acht Verträge auslaufen, kann man sagen: Oh, da wird es eng. Oder man sieht darin eine Chance. Die Quote acht von acht in die eine oder andere Richtung ist dennoch eher unwahrscheinlich.

Unter anderem läuft der Vertrag Ihres Vize-Kapitäns, Rafael Czichos, aus. Können Sie die Kritik an ihm nachvollziehen?

Baumgart: Wenn ich bei dem ein oder anderen Ball vom ihm das Gemurre im Stadion höre, da muss ich schon sagen: Wir müssen alle auf dem Teppich bleiben. Man schießt sich auf den einen Fehlpass ein und vergisst die anderen 150 Pässe, die ankommen. An einem Gegentor ist ganz selten einer allein schuld. Im Fußball ist es oft so: Wer das Tor macht, ist der Held, und wer den Fehler macht, der Anti-Held – so funktioniert das für mich nicht. Und so viele Fehler, die ich auch als Fehler bewerte, hat Rafa nicht gemacht. Er hat von mir die Vorgabe, ins Risiko zu gehen. Er wird hier kritischer als andere gesehen, aber ich sehe ihn vorne.

Gilt auch für Timo Horn, der nun allerdings bis zum Winter zuschauen muss.

Baumgart: Jungs aus dem eigenen Stall haben oft einen schwereren Stand, das ist auch bei Salih so. Viele Leute gucken woanders hin und sagen: Da sind die guten Spieler. Ich sage: Nein, hier sind die guten Spieler. Das haben wir mittlerweile auch mehr als einmal bewiesen. Als ich hergekommen bin, war gefühlt gar kein Spieler gut.

Wie sehen Sie Horns Entwicklung vor der Knie-Verletzung?

Baumgart: Bei Timo sehe ich eine sehr gute Entwicklung. Das hat natürlich auch etwas mit der Spielweise der Mannschaft zu tun: Sein Spiel nach vorne wird klarer, er steht besser. Es ist für ihn wichtig, neuen Input zu kriegen, auch wenn vorher gut gearbeitet wurde. Natürlich macht auch er nicht alles richtig. Aber nicht jeder Ball, der knapp am Torwart vorbei reingeht, ist gleich ein Fehler.

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Steffen Baumgart: „Wie mit Joshua Kimmich umgegangen wird, ist verheerend“

Zur Liga allgemein: Sie haben als einziger Bundesliga-Trainer den BVB als Meister getippt. Ein Gefallen für Ihren Kumpel Marco Rose?

Baumgart: Nein, warum soll Dortmund nicht Meister werden? Alle sagen immer Bayern, das ist mir zu einfach. Dortmund, Leipzig und sogar Hoffenheim haben die Chance, Meister zu werden, wenn sie kontinuierlich ihr Potenzial abrufen würden. Bei Dortmund ist das definitiv da. Sie hatten einen erfolgreichen Start und trotzdem wird über die Leistung der Mannschaft diskutiert. Und sie haben zehn Verletzte. Das ist für mich schwer nachzuvollziehen. Wenn Dortmund solche Spiele wie gegen uns oder Stuttgart gewinnt, werden sie bis zum Ende oben dabei sein. Man sieht auch, dass Bayern nicht unfehlbar ist.

Aktuell wird in München weniger über den Sport als über Joshua Kimmichs Impf-Entscheidung diskutiert. Wie würden Sie mit dem Spieler umgehen?

Baumgart: Joshua Kimmich hat auf die Impf-Frage eine ehrliche Antwort gegeben und wird dafür an den Pranger gestellt. Er hat nicht drumherum geredet, niemanden betrogen. Ich bin nicht seiner Meinung, um Gottes Willen – aber wie mit ihm umgegangen wird, ist verheerend. Sogar seine Stiftung, mit der er viel Positives bewegt, wird mit reingezogen.

Allgemein kommt der Fußball aus den Corona-Diskussionen nicht raus, auch durch den Fall Markus Anfang…

Baumgart: Das ist etwas ganz anderes. Und da müssen wir abwarten, was abschließend rauskommt. Insgesamt sollte es viel weniger um Einzelfälle gehen. Es ist doch aktuell nicht der Fußball, der sich im Hinblick auf Corona schwach präsentiert. Schwach sieht die Politik aus. Im Sommer macht man die Impf- und Testzentren zu, dabei war abzusehen, dass der Herbst schlimm wird. Wir sollten endlich die richtigen Prioritäten setzen, konstruktive und klare Ansagen machen – und handeln.

Steffen Baumgart gibt ein Interview.

FC-Trainer Steffen Baumgart beim EXPRESS-Termin im November 2021.

Was glauben Sie, warum der Fußball in dieser Debatte so sehr im Mittelpunkt steht?

Baumgart: Ich höre immer, dass Fußballer Vorbilder sind. Nein, Fußballer sind Fußballer. Sie werden zu Vorbildern gemacht, sind aber oft keine. Warum? Weil sie genauso im Leben stehen und Fehler machen wie andere.

RB Leipzig muss wieder vor leeren Rängen spielen. Befürchten Sie auch in Köln Geisterspiele?

Baumgart: Das reden wir auf keinen Fall herbei. Da Statistiken zeigen, dass die Ansteckungsgefahr im Stadion gering ist. Wir haben in Köln konsequent auf 2G gesetzt und ich hoffe, dass wir auch weiterhin mit Fans spielen.