1. FC Köln gegen Borussia Mönchengladbach – erstmals mit Steffen Baumgart an der Seitenlinie. EXPRESS.de traf den FC-Trainer zum Derby-Interview.
„Auch ohne neues Vertragsangebot...“Baumgart über Gladbach-Gerüchte, Köln-Ärger und FC-Verlängerung
Derby-Zeit im Rheinland – Derby-Premiere für Steffen Baumgart (49). EXPRESS.de traf den FC-Trainer vor dem emotionsgeladenen Duell mit Borussia Mönchengladbach (Samstag, 27. November 2021, 15.30 Uhr) zum XXL-Interview über seine ersten Monate in Köln, seine großen Pläne mit den Geißböcken und die hitzige Corona-Debatte. Von Baumgart gibt’s wie immer Klartext! Lesen Sie hier den ersten Teil.
Steffen Baumgart: „...dann wäre es hier vielleicht gar nicht mehr auszuhalten“
Steffen Baumgart, der 1. FC Köln macht so viel Spaß wie schon lange nicht mehr, hat aber auch seit 1. Oktober nicht mehr gewonnen. Ist das Glas nun halb voll oder halb leer?
Baumgart: Unsere 15 Punkte sind nicht schlecht. Wenn man aber die Möglichkeiten sieht, die wir hatten, muss man einfach sagen: Das ist zu wenig. Deswegen können wir von halb voll oder halb leer sprechen. Ich rede lieber von halb voll. Weil ich uns insgesamt auf einem guten Weg sehe.
Macht aktuell Platz zwölf – Ihr vor der Saison ausgegebenes Ziel.
Baumgart: Wir wissen aktuell noch nicht genau, wo der Weg hingeht. Von den Leistungen ja, von den Ergebnissen nein. Wir hatten auch noch nicht einmal Glück in dieser Saison. Wenn wir mal ehrlich sind: Sechs Punkte mehr waren drin. Da rede ich von Freiburg, Frankfurt und Mainz. Aber dann wäre es hier vielleicht gar nicht mehr auszuhalten (lacht). Deswegen sind kleine Schritte vielleicht gar nicht so schlecht.
Am Samstag wartet Ihr erstes großes Rhein-Derby gegen Borussia Mönchengladbach. Kribbelt es schon?
Baumgart: Nein, aber das wird kommen. Das geht meist am Vortag los, die Anspannung wird steigen. Ich glaube, gerade das erste Derby ist schon etwas Besonderes. Pal Dardai hat das sehr gut gesagt vor dem Berlin-Derby: Das Spiel ist gar nicht das Entscheidende – sondern dass einen Tag später alle zur Arbeit müssen. Köln und Gladbach sollten froh sein, dass es dieses Duell gibt, und damit meine ich das friedliche Derby. Ich will da nichts von Hass hören, das hat im Sport nichts zu suchen.
Nachdem Marco Rose seinen Wechsel nach Dortmund angekündigt hatte, gab es das Gerücht, auch Gladbach sei an Ihnen interessiert. Stimmt’s?
Baumgart: Da war nichts dran. Klar beschäftigt man sich nicht immer nur mit diesem einen Trainer, sondern es gibt eine Liste mit vier, fünf Leuten. Bestimmt stand ich da bei dem ein oder anderen Verein drauf, aber zu Gladbach gab es keinen Kontakt. Die Gladbacher waren sich relativ früh mit Adi Hütter einig. Und ich bin sehr froh, dass ich hier bin.
Steffen Baumgart: „Dass Gladbach ein positives Beispiel ist, damit wäre ich in Köln vorsichtig“
Der FC stand in den vergangenen elf Saisons am Ende nur einmal vor Gladbach. Kann sich das in den nächsten Jahren wieder ändern oder ist der Vorsprung zu groß?
Baumgart: Warum sollte das nicht möglich sein? Als ich im Sommer angefangen und darüber gesprochen habe, welchen Fußball wir spielen wollen, haben alle ein bisschen komisch geguckt. Zwölf Wochen später halten es alle für normal. Jetzt haben wir die Akzeptanz in der Liga, fast in jedem Spiel bisher die Kontrolle. Ich glaube, daran sieht man, dass einiges geht, wenn man das möchte. In diese Richtung wollen wir weitergehen mit dem FC. Ob das jetzt die Gladbach-Richtung ist, weiß ich nicht – aber ich glaube schon, dass der FC auch mit Erfolg umgehen kann.
Gladbach ist nach der erfolgreichen Relegation 2011 durchgestartet, wird allgemein auch von der Entwicklung her häufig als Vorbild für den FC genannt. Sehen Sie das auch so?
Baumgart: Dass Gladbach ein positives Beispiel ist, damit wäre ich in Köln vorsichtig. Aber es ist ein Verein, auf den man schauen kann, wenn man sich entwickeln möchte. Vom Stadion und den Emotionen her sind wir auf keinen Fall schlechter, genauso wenig von der Leistung im Nachwuchs. Doch bei der Infrastruktur, die auch ein ganz wichtiger Faktor für langfristigen Erfolg ist, sind sie uns um Längen voraus. Da sind wir sogar in der 2. Liga am unteren Tabellenende, wenn das überhaupt reicht.
Waren Ihnen diese Ausmaße am Geißbockheim klar, als Sie unterschrieben haben?
Baumgart: Nein, ich habe die Kabine wirklich erst gesehen, nachdem ich unterschrieben hatte.
Glück für den FC…
Baumgart: Unterschrieben hätte ich trotzdem. Aber ich meine das schon ernst, wenn ich sage, in Paderborn haben wir zuerst das Trainingszentrum gezeigt und dann das Vertragliche geregelt. Hier ist es besser, wenn wir über den geilen Verein, die geilen Fans und den geilen Fußball sprechen. Nicht nur Gladbach hat andere Möglichkeiten, auch Dortmund, Frankfurt und Leverkusen – Bayer hat sogar ein neues Trainingszentrum auf Kölner Boden. Wir laufen der Musik hinterher. Aber in dieser Stadt hat es ja nicht nur der FC schwer.
Was meinen Sie?
Baumgart: Zum Beispiel gibt es nicht mal eine vernünftige Basketball-Halle. Und wenn ich bei Viktoria oder Fortuna bin – wann wurde da das letzte Mal in die Kabinen investiert? Köln hat die größte Sport-Uni Europas. Aber ob hier wirklich was für den Sport getan wird, weiß ich nicht.
Ist es für Sie selbstverständlich, dass Sie sich als Trainer auch für Themen wie den Geißbockheim-Ausbau einsetzen?
Baumgart: Ich komme doch nicht hierher, sage, dass wir mit dem Verein etwas entwickeln wollen, und dann kümmere ich mich nur um die Mannschaft. Ich bin ja nicht der Erste, dem diese Zustände auffallen – ich bin vielleicht lauter. Hier haben ganz viele Menschen ganz lange gearbeitet für diesen Ausbau – und es ist ja auch alles da. Wir haben nichts falsch gemacht. Selbst der letzte Haken war eigentlich schon gesetzt. Wir haben in Köln sehr viele Möglichkeiten, die wir nicht nutzen. Aber Sie kennen mich – ich bin immer zuversichtlich: Deshalb hoffe ich ganz einfach, dass sich hier irgendwann etwas bewegt und der FC nicht länger nur Politikum ist.
Steffen Baumgart: „Auch ohne neues Vertragsangebot habe ich nicht vor, hier wegzugehen“
Sie haben gesagt, dass es für Sie in Deutschland nicht viele größere Vereine als den FC gibt. Woran machen Sie das fest?
Baumgart: Man hört immer davon, dass Spieler sagen, sie wollen „den nächsten Schritt“ gehen. Dann würde ich mich in Köln fragen: Wie groß soll ich denn noch werden? Was soll der nächstgrößere Verein nach dem 1. FC Köln sein? Leipzig? Glaub ich nicht. Aus finanzieller und sportlicher Sicht vielleicht, aber nicht als Verein. Da gibt’s nur Dortmund und Bayern. Aber auch in diesem Verein steckt so viel Potenzial, in anderen Tabellenregionen zu spielen – mit langem Atem, nicht mit kurzem.
Es gibt schon nach wenigen Monaten Verantwortliche im Klub, die gerne mit Ihnen verlängern würden (Vertrag bis 2023). Was sagen Sie dazu, ist das bereits bei Ihnen angekommen?
Baumgart: Natürlich unterhalten wir uns darüber, wie es hier läuft. Aber auch ohne neues Vertragsangebot habe ich nicht vor, hier wegzugehen. Der Vertrag läuft noch eineinhalb Jahre. Die Arbeit beim FC macht gerade sehr viel Spaß, sei es mit den sportlich Verantwortlichen, der Geschäftsführung oder dem Präsidium. Das hat sich in den letzten Monaten alles sehr positiv entwickelt, wir sind alle sehr eng miteinander.
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Fühlen Sie sich auch in der Stadt wohl?
Baumgart: Sehr wohl. Gesehen habe ich trotzdem noch nicht viel – weder den Dom, noch habe ich so etwas wie eine Schiffstour gemacht. Ab und zu mal war ich in der Stadt unterwegs zum Einkaufen oder um zu schlendern. Der Mittelpunkt unserer Familie bleibt zwar Berlin, aber meine Frau ist oft hier, meine Kinder in den Ferien. Und meine große Tochter hat in Köln gerade ihren Frisör-Meister gemacht.
Durfte Sie an Ihrem Kopf üben?
Baumgart: Bei meinen Haaren gibt’s nicht viel zu testen. Ich gehe ungern zum Frisör, selbst wenn meine Tochter der Frisör ist (lacht).
Sie sind in Ihren ersten FC-Monaten sofort zum Fan-Liebling geworden, Ihre Mütze ist restlos ausverkauft, Sie waren in TV-Shows zu Gast, sogar einen eigenen Song haben Sie. Wie geht Ihre Familie mit diesem Hype um?
Baumgart: Sie registriert das, aber mehr auch nicht. Entscheidend ist, dass man sich nicht zu wichtig nimmt. Man muss das alles einschätzen können. Gerade im Trainer-Job geht es schnell mal nach oben, dann wird aber auch die Fallhöhe größer. Für mich geht es darum, im Job präsent zu sein, nicht auf dem Bildschirm.