Spieler bewusstlos getretenVor 40 Jahren gab es den ersten TV-Beweis
Köln – Die Bundesliga läuft wieder. Viele neue Regelauslegungen und die dritte Saison mit Videobeweis werden auch in den kommenden Wochen und Monaten wieder für jede Menge Gesprächsstoff sorgen, so viel ist sicher. Vor genau 40 Jahren gab es zwar noch lange keinen Videobeweis – aber ein böses Foul, das zur ersten „Fernsehsperre“ der Bundesliga-Geschichte führte.
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1979 trat Manfred Drexler Wolfgang Kraus bewusstlos
Samstag, 18. August 1979, 16.51 Uhr: Im Gelsenkirchener Parkstadion liegt Bayern-Spieler Wolfgang Kraus (damals 25) bewusstlos auf dem Boden. Acht Minuten lang. Wenige Stunden später sehen Millionen von Fernsehzuschauern, was dem Schiedsrichter auf dem Platz entgangen war: Der Schalker Manfred Drexler (damals 28/†2017) trat dem am Boden liegenden Kraus im Vorbeilaufen den Schuh in den Rücken. Gezielt. Mit Absicht.
Kraus wird umgehend ins Gelsenkirchener Krankenhaus Bergmannsheil gebracht. Diagnose: Schwere Nierenquetschung und Prellung der Wirbelsäure. Es werden drei Tage Bettruhe verordnet.
Bayern-Kapitän Paul Breitner forderte Gefängnis für Drexler
Bayern-Kapitän Paul Breitner schimpft nach dem Spiel: „Ich habe dem Drexler gesagt, er sei ein Verbrecher und gehöre ins Gefängnis.“ Für Karl-Heinz Rummenigge gehört Drexler „auf die Fahndungsliste“ und DFB-Trainer Erich Ribbeck fordert: „Ein solcher Spieler müsste vom DFB für ein Jahr gesperrt werden.“
Schiedsrichter Günter Linn entschuldigt sich nach der Partie: „Hätte ich das Foul gesehen, Drexler wäre vom Platz geflogen.“ Der Übeltäter selbst liefert als Erklärung dies: „Ich war geistig weggetreten.“
Und Schalke-Coach Gyula Lorant hat seine ganz eigene Sicht: „Kraus ist ein Schauspieler. Drexler ist arm dran. Breitner nannte ihn Dreckskerl, der ins Gefängnis gehört. Nach dem Spiel hat Drexler geheult.“
FC Bayern kündigte Klage gegen Manfred Drexler an
Der FC Bayern und Kraus kündigen Klage gegen Drexler wegen vorsätzlicher Körperverletzung an. Der Gefoulte sagt: „Ich kann mich an nichts mehr erinnern. Aber ich werde die Fernsehaufzeichnung als Beweismittel nehmen.“
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Das tut auch erstmals der DFB: 13 Tage nach dem Foul erhebt Chefankläger Hans Kindermann Anklage, Drexler wird schließlich für drei Monate gesperrt. „Eine schlimme Zeit“, erinnerte sich Drexler später. „Die Titelseiten der Zeitungen sahen lange so aus: links Lady Di, rechts ich.“
Fußball brutal: Der Rechtsweg ist ausgeschlossen
Zur Zivil-Klage kam es freilich nicht. Schließlich hatte der BGH schon 1974 in einem Grundsatzurteil entschieden, dass wer Fußball spielt, „muss grundsätzlich Verletzungen in Kauf nehmen“.
Wer den Platz betritt, überlässt seinen Körper also dem Schicksal: Dem mussten sich auch Heinz Flohe (1979) und Ewald Lienen (1981) beugen, als sie gegen Paul Steiner und Norbert Siegmann vor Gericht zogen.
Karl Allgöwer verklagte Bodo Illgner vor dem Landgericht
1987 verklagte Karl Allgöwer Torwart Bodo Illgner vorm Stuttgarter Landgericht. Der von seinem Anwalt Christoph Schickhardt nach einer Knochenabsplitterung in der Schulter auf 23105,34 D-Mark bezifferte Schadenersatz war eher Nebensache.
Allgöwer wollte ein Exempel statuieren gegen gesundheitsgefährdende Spielweise – willigte aber letztlich in einen Vergleich ein. Illgner sei kein Vorsatz nachzuweisen, stellten die Richter fest. Bis heute gilt mehr oder weniger: Der Rechtsweg ist ausgeschlossen…
Das sind die längsten Sperren der Bundesliga-Geschichte
1. Levan Kobiaschwili (Hertha BSC), 7,5 Monate:
Im Mai 2012 verpasste der Georgier beim Relegations-Rückspiel bei Fortuna Düsseldorf Schiedsrichter Wolfgang Stark im Kabinengang während einer Spielunterbrechung einen Faustschlag. Die verhängte Sperre wurde im deutschen Profi-Fußball bis heute nicht übertroffen.
2. Timo Konietzka (1860 München), 6 Monate:
Der Löwen-Stürmer ließ sich im Oktober 1966 im Spiel gegen Borussia Dortmund zu einer Tätlichkeit gegen Schiedsrichter Max Spinnler hinreißen, soll diesen vor die Brust gestoßen und vors Schienbein getreten haben. TV-Bilder, die das beweisen konnten, gab es nicht, doch Konietzka wurde ein halbes Jahr aus dem Verkehr gezogen.
3. Erwin Kremers (Schalke 04), 14 Wochen:
Wieder mal ein Vergehen am Schiedsrichter, diesmal verbal. In Kaiserslautern beleidigte im Mai 1974 der Schalker Kremers Schiri Max Klauser schwer und sogar wiederholt. „Ich habe den Schiedsrichter massiv beleidigt“, erklärte Kremers im Nachklang in einem Interview: „Als er fragte, ob er richtig gehört habe, habe ich gesagt: Und jetzt noch mal für Doofe.“
4. Manfred Wagner (1860 München), 12 Wochen:
Der Löwe mischte sich 1966 ebenfalls in das Handgemenge seines Mitspielers Konietzka gegen Schiri Spinnler ein.
…Manfred Drexler (Schalke 04), 12 Wochen: siehe oben
… Norbert Meier (MSV Duisburg), 12 Wochen:
Die berühmteste Kopfnuss-Schwalbe der Bundesliga: MSV-Trainer Meier versetzte dem Kölner Spieler Albert Streit im Dezember 2005 an der Außenlinie einen Kopfstoß, um sich dann selbst theatralisch fallen zu lassen – was für ein unwürdige Tete-a-tete.
7. Uli Stein (Hamburger SV), 10 Wochen:
Im Supercup-Finale 1987 schlug der HSV-Torwart Bayern-Stürmer Jürgen „Kobra“ Wegmann die Faust ins Gesicht. Stein wechselte nach Frankfurt.
… Axel Kruse (VfB Stuttgart), 10 Spiele:
In seinem ersten Pflichtspiel für den VfB (August 1993, Pokal gegen Kaiserslautern) ging der Stürmer Schiri Hans-Joachim Osmers so hart an, dass dieser stolperte „wie ein Osterhase“ (O-Ton Kruse).