Vor dem Länderspiel gegen Liechtenstein wollte der DFB eigentlich seinen langjährigen Bundestrainer Joachim Löw würdig verabschieden. Ein Kommentar zur missratenen Zeremonie.
Kommentar zur unwürdigen ZeremonieDer DFB kann nicht einmal Joachim Löw angemessen verabschieden
Wolfsburg. Die Länderspielwoche von Wolfsburg wurde von zwei Themen überstrahlt: die Fünffach-Quarantäne nach Niklas Süles positivem Coronatest und die Verabschiedung von Joachim Löw (61). Mit fast fünf Monaten Verzögerung sollte der Ex-Bundestrainer noch einmal vor Fans, Verantwortlichen und Spielern für die Erfolge in seinen 15 Jahren Tätigkeit gefeiert werden. Aber selbst das bekam der DFB wieder nicht hin.
Beim Deutschen Fußball-Bund herrscht seit Jahren Führungs-Chaos bis hin zur totalen Handlungsunfähigkeit. Wie schnell der weltweit größte Sportverband komplett überfordert ist, zeigte sich in Wolfsburg nicht nur beim Umgang mit den Spielern, die in Isolation geschickt werden mussten.
Kaum deutliche Worte der Kritik in Richtung der ungeimpften Spieler, stattdessen ein unhaltbarer Vergleich von Oliver Bierhoff, der die Impf-Verweigerung von Joshua Kimmich in die Nähe des durch seine Depressionen in den Selbstmord getriebenen Robert Enke rückte. Da half auch eine halbherzige Entschuldigung des DFB-Direktors nicht. Den Verantwortlichen beim Verband ist bei vielen Themen komplett der Kompass verloren gegangen.
Wie die „Zeremonie“ von Joachim Löw hektisch vor dem Anpfiff des Liechtenstein-Spiels durchgeprügelt wurde, war beschämend. Lange dröhnte beim Aufwärmprogramm Musik aus den Boxen im Stadion, brüllte der Stadionsprecher-Marktschreier Belangloses in sein Mikro. Doch als es schließlich um Löws Abschied ging, rannte allen die Zeit davon. Ein Länderspiel gegen Liechtenstein an einem kalten November-Abend in Wolfsburg klingt eh schon nach Höchststrafe.
Aber wie wenig Wertschätzung dem Weltmeister-Trainer entgegen gebracht wurde, zeigte sich schnell. Die Ex-Nationalspieler, die extra nach Niedersachsen gereist waren, standen kurz unbeholfen am Platz, Löw schüttelte ein paar Hände und nahm vom Interimspräsidenten Peter Peters eine schmucklose Urkunde entgegen. Der Ex-Schalker befindet sich übrigens auf Werbetour für seine beabsichtigte Wahl zum DFB-Präsidenten. Da war es ihm besonders wichtig, vielen Menschen um den Hals zu fallen und möglichst gekonnt in die Kameras zu schauen.
Für Peter Peters war der Löw-Abend in erster Linie Wahlkampf
Doch eigentlich sollte es an diesem Abend um den Rekord-Bundestrainer (198 Spiele, 124 Siege) gehen. Zeit für ein paar Worte an Löw oder an die Fans war nicht. Die RTL-Kommentatoren waren vom raschen Ablauf des Abschieds wohl ebenfalls so überrascht, dass sie diesen kaum richtig würdigen konnten.
Dass Manager-Lehrling Benedikt Höwedes statt Direktor Bierhoff den Abschied organisieren musste, ist fast nur noch ein Randaspekt. Und dass andere Weggefährten wie der langjährige Torwarttrainer Andreas Köpke nicht einmal in den Innenraum kamen, passte ebenfalls in die verkorkste Szenerie.
Löws Ex-Kapitäne Lahm und Schweinsteiger waren nicht vor Ort
Viele fragten sich zudem, wo denn die langjährigen Kapitäne Philipp Lahm (feierte an dem Tag seinen 38. Geburtstag) oder Bastian Schweinsteiger (37, Kinder kurzfristig krank) waren. Jerome Boateng (33) kam etwas verspätet in Wolfsburg an und verpasste die Ehrung. Mario Götze (29) sagte aus familiären Gründen ab. So waren nur acht Rio-Helden bei diesem spartanischen Abschied.
Dass Löw schließlich auf der Tribüne neben dem aus seinem Amt getriebenen Ex-Präsidenten Wolfgang Niersbach das Spiel verfolgte, passte ins Bild des völlig aus den Fugen geratenen und irrlichternden Verbandes. Neben aktuell Verantwortliche wollte sich Löw sicherlich nicht setzen. Der DFB schafft es Monat für Monat auf jedes Armutszeugnis noch eins draufzusetzen.