von Béla Csányi (bc)
Doku „Schwarze Adler“Baffoe konterte: „Kannst bei mir auf der Plantage arbeiten“
Berlin – Erwin Kostedde (74) wirbelte als Torjäger in den Siebzigern durch die Bundesliga, Anthony Baffoe (55) wurde weit über Köln hinaus zur Kultfigur und Gerald Asamoah (42) war Teil des „Sommermärchens“ 2006. Neben dem fußballerischen Talent eint das Trio aber auch die Erfahrung von Rassismus auf und abseits des Platzes. Der Dokumentarfilm „Schwarze Adler“ beschäftigt sich jetzt mit ihrer Geschichte.
- Dokumentarfilm „Schwarze Adler“ bei Amazon Prime Video zu sehen
- Gerald Asamoah, Anthony Baffoe und Co. berichten über Erfahrungen
- „Schwarze Adler“ feiert im Sommer TV-Premiere im ZDF
Seit Mitte April war der Film zunächst beim Amazon-Dienst „Prime Video“ zu sehen, am 18. Juni feierte „Schwarze Adler“ im ZDF seine TV-Premiere. EXPRESS blickte auf die Doku über insgesamt 14 Protagonisten, die von teils schmerzlichen, teils überwältigenden Erfahrungen berichten.
Chronologisch zeigt der Film, welche Schritte der Fußball seit Bundesliga-Gründung 1963 bis zur heutigen Zeit gemacht hat. Ein Weg mit langsamer Entwicklung und vielen bedeutenden Rückschlägen, wie etwa Ex-Nationalspieler Asamoah oder auch heutige Bundesliga-Stars wie Hertha-Verteidiger Jordan Torunarigha (23) erfahren mussten.
„Schwarze Adler“: Erwin Kostedde berichtet über Nationalmannschafts-Erlebnis
Noch einmal deutlich komplizierter wurde es für Spieler, die es ab den Siebzigern in die DFB-Auswahl schafften. Bei Erwin Kostedde schwang die Euphorie über das erste Länderspiel 1974 auf Malta nur wenige Tage später in Enttäuschung um, als deutsche Fans vor dem Gastspiel in Wembley sich gegen ihn in der Nationalmannschaft aussprachen.
„Ich war ein Anderer“, erinnert er sich. Er habe das gesamte Spiel über an die Kommentare denken müssen. Nichts gelang, die Freude über den erfüllten Kindheitstraum war verpufft. „Ich war nicht der Erwin Kostedde auf dem Platz der ich hätte sein können“, bedauert er beim Blick auf die damalige Zeit. Lediglich ein weiteres Länderspiel 1975 kam noch hinzu.
Die gleichen Gefühle hatte auch Jimmy Hartwig (66). „Was Erwin Kostedde passiert ist, ist mir auch passiert. Und damit ist alles gesagt“, erklärt er in „Schwarze Adler“. Für den früheren HSV-Star sollte es bei gerade einmal zwei Länderspielen bleiben.
Im „Sportstudio“ sprach er einst offen darüber, dass ihn Bundestrainer Jupp Derwall (†80) wegen seiner Hautfarbe nicht in Betracht gezogen habe. „Hätte ich mir die Haare färben sollen, Kontaktlinsen einsetzen sollen?“, fragte er sarkastisch.
Anthony Baffoe spricht in „Schwarze Adler“ über damalige DFB-Aussichten
Auch der in Bad Godesberg geborene Anthony Baffoe erlebte bis weit in die 80er-Jahre hinein, wie in TV-Sendungen wie „Sport im Westen“ im WDR bei Interviews über seine Hautfarbe gescherzt wurde. Der Sohn ghanaischer Eltern schaffte es beim 1. FC Köln 1983 in die Bundesliga, lief später für Fortuna Köln in der 2. Bundesliga und für Fortuna Düsseldorf im Oberhaus auf.
Den Traum vom DFB begrub er wegen der damaligen Umstände früh, wie er rückblickend berichtet: „Für mich war es ein bisschen utopisch, weil kaum Schwarze für die deutsche Nationalmannschaft gespielt haben“.
Mit Burkhard Ziese (†66) überredete ihn letztlich ausgerechnet ein deutscher Trainer, für die ghanaische Nationalmannschaft aufzulaufen.
„Schwarze Adler“: Anthony Baffoe als „Pionier“ im Kampf gegen Rassismus
Kult-Status erlangte Baffoes damaliger Auftritt im „Sportstudio“, als er auf Beleidigungen zu sprechen kam und berichtete, wie er als „Bimbo“ bezeichnet worden sei. Seine unbeeindruckte Antwort: „Du wirst nächstes Jahr arbeitslos, du kannst bei mir auf der Plantage arbeiten.“
„Er war ein Pionier beim Thema ‚ich lasse mir das nicht gefallen‘“, lobt Ex-Fußballerin Shary Reeves (51) in „Schwarze Adler“ den Umgang von Baffoe mit den fortwährenden Anfeindungen. Sie ist heute als TV-Moderatorin erfolgreich, im Fußball machte die frühere Junioren-Nationalspielerin ihre Anfänge als Kind in Köln bei Borussia Kalk.
Gemeinsam mit Frankfurt-Legende Anthony Yeboah (54) und Souleyman Sané (54) rief Baffoe 1990 per offenem Brief eine große Kampagne ins Leben. Unter dem Motto „wir schämen uns für alle, die gegen uns schreien“, kämpfte das Trio für mehr Akzeptanz und ein Ende des damals noch immer präsenten Rassismus‘ in vielen Fankurven.
Gerald Asamoah auch nach DFB-Erfolgen weiter rassistisch beleidigt
Auch dank ihres Einsatzes biss sich Gerald Asamoah bis nach ganz oben durch. Er debütierte 2001 als erster in Afrika geborener Spieler in der deutschen Nationalmannschaft und traf gleich beim Debüt gegen die Slowakei (2:0). Er habe diesem Land viel zu verdanken, betont Asamoah im Film: „Wenn ich das Trikot getragen habe, war es einfach, um etwas zurückzugeben.“
Jimmy Hartwig bewertet den ersten von insgesamt 43 DFB-Auftritten Asamoahs heute als „Quantensprung im Deutschen Fußballbund“. Auch beim „Sommermärchen“ 2006 stand der Stürmer im DFB-Kader.
Doch selbst nachdem Asamoah als Teil der Mannschaft von rund einer halben Million Fans am Brandenburger Tor gefeiert wurde, nahmen für ihn die vereinzelten bitteren Momente auf den Rängen kein Ende.
Nur zwei Monate später wurde er im Pokalspiel bei Hansa Rostock II über die gesamte Spielzeit mit Affenlauten bedacht. „Das war eine Riesenenttäuschung, weil du einfach dachtest wir wären weiter“, bedauert der Ex-Nationalspieler.
Jordan Torunarigha und Vater Ojokojo schildern Rassismus-Erfahrungen
„Ich wurde geliebt als Fußballer und abgelehnt als Mensch“, beschrieb Ojokojo Torunarigha (51) seine einstige Lage. Der Nigerianer spielte zu Beginn der 90er-Jahre für den Chemnitzer FC in der 2. Bundesliga.
Er erlebte immer wieder die Schattenseiten, inklusive körperlicher Angriffe. Inzwischen hat sich Sohn Jordan Torunarigha (23) bei Hertha BSC in der ersten Liga etabliert, er durchlief sämtliche U-Mannschaften des DFB.
Auch Jordan erlebte bereits rassistische Beleidigungen, im Pokalspiel auf Schalke im Februar 2020 brannten ihm die Sicherungen durch, er sah nach einer Frust-Aktion Gelb-Rot und ging mit Tränen in den Augen vom Platz.
Am folgenden Spieltag gab es im Berliner Olympiastadion gewaltige Solidaritätsbekundungen für den Abwehrspieler. Die Hertha-Fans positionierten sich im Kampf gegen Rassismus deutlich. Vater Ojokojo verfolgte die emotionalen Szenen im Stadion hautnah mit.
Am Beispiel zweier Generationen der Familie Torunarigha macht Regisseur Torsten Körner zum Ende des Films deutlich: Die schlimmsten Zeiten sind inzwischen überstanden, die Gegenbewegungen sind deutlich stärker und größer als der Rassismus. Am Ziel ist der Fußball allerdings auch im Jahr 2021 noch längst nicht angekommen.