Claudia Pechstein legt im Zwist mit der ARD nach. Aus Ärger über die Reaktion auf ihren Interview-Boykott veröffentlichte die Eisschnellläuferin einen fünf Seiten langen öffentlichen Brief.
„Schlampig und tendenziös“Rekord-Olympionikin Pechstein teilt gegen ARD aus
Nächstes Kapitel im öffentlich ausgetragenen Endlos-Zoff zwischen Eisschnellläuferin Claudia Pechstein (50) und der ARD. Nachdem Deutschlands Rekord-Olympionikin (acht Teilnahmen) zuletzt erneut ein Interview verweigert hatte, reagierte sie nun mit einem bei Facebook veröffentlichten offenen Brief auf die anschließende Reaktion der TV-Anstalt.
„Frau Pechstein spricht seit Jahren nicht mit der ARD wegen Hajo Seppelts Berichterstattung in 2012. Wir akzeptieren dies“, sagte ARD-Sportkoordinator Axel Balkausky (59) mit Blick auf Pechsteins Weigerung. Die Athletin, die der Anti-Doping-Redaktion der ARD unter Leitung von Seppelt seit Jahren eine unfaire Behandlung vorwirft, reagierte darauf am Mittwoch (23. Februar 2022) in einem fünf Seiten langen Schreiben an die Öffentlichkeit.
Darin warf sie der Redaktion „schlampiges, fehlerhaftes, tendenziöses und ehrverletzendes Arbeiten“ bei den damaligen Berichten vor. Seit den Vorfällen vor inzwischen zehn Jahren ist das Tischtuch zwischen beiden Seiten komplett zerschnitten, Pechstein hatte bereits im Februar 2012 erklärt, der ARD erst wieder nach einer öffentlichen Entschuldigung als Gesprächspartnerin zur Verfügung zu stehen.
Claudia Pechstein kritisiert ARD in offenem Brief
In ihrem Brief veröffentlichte Pechstein ihre Chronologie der Ereignisse aus dem Jahr 2012 und warf Balkausky vor, die von ihr aufgeführte Faktenlage seit 2013 zu kennen, aber nicht an seine Mitarbeiter weitergegeben zu haben.
Den Anfang hatte alles am 29. Januar 2012 genommen, als die ARD in einem „Sportschau“-Bericht Doping-Anschuldigungen gegen die fünfmalige Olympiasiegerin erhob. Pechstein bemängelte nun rückblickend, dass sie erst am Vortag, einem Samstag, per Mail um eine kurzfristige Stellungnahme gebeten worden sei.
Sie schickte am Ausstrahlungstag zwar eine Antwort und betonte darin nach eigener Aussage „niemals zu unerlaubten Mitteln oder Methoden gegriffen zu haben“. Im ARD-Bericht wurde dann aber lediglich angeführt, dass sie in ihrer Antwort auf keine der gestellten Fragen konkret eingegangen sei.
Claudia Pechstein nach Doping-Sperre rehabilitiert
Konkret ging es um die Praxis der Abnahme, UV-Bestrahlung und Re-Injektion von Blut beim Erfurter Sportmediziner Andreas Franke. Die ARD bezichtigte Pechstein als eine der Patientinnen des Arztes des Dopings. Der Sportgerichtshof CAS stellte im Juli 2013 allerdings nachträglich fest, dass die Re-Injektion kleiner Mengen Blut von bis zu 50 Millilitern nicht als leistungssteigernd und damit nicht als Doping-Maßnahme gewertet werden könne.
Die Eisschnellläuferin war zuvor zwischen 2009 und 2011 wegen Dopings für zwei Jahre gesperrt worden, rehabilitierte sich später jedoch durch den Nachweis einer vererbten Blutanomalie. Alfons Hörmann (61), bis Ende vergangenen Jahres Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) entschuldigte sich 2015 bei Pechstein.
Vor dem CAS und dem Schweizer Bundesgericht waren Pechsteins Einsprüche gegen die Sperre während deren Laufzeit abgeschmettert worden, auch nachträgliche Klagen auf Schadenersatz blieben ohne Erfolg.
Claudia Pechstein kritisiert ARD-Berichterstattung
Seppelt hatte nach dem ersten ARD-Bericht bei weiteren Gelegenheiten im Fernsehen die Doping-Anschuldigungen gegen Pechstein wiederholt, die in Erfurt durchgeführte Praxis unter anderem mit dem Vorgehen im Doping-Skandal im österreichischen Skilanglauf-Team bei Olympia 2002 in Salt Lake City verglichen.
Pechstein versuchte in ihrem Brief mit einer tabellarischen Gegenüberstellung der Methoden zu verdeutlichen, dass die bedeutenden Unterschiede, etwa bei der Menge und der Lagerung des zunächst entnommenen Bluts der Sportler, eine Gleichsetzung praktisch ausschließen. Die bei ihr durchgeführte Behandlung trage letztlich nicht zu einem verbesserten Sauerstoffgehalt im Blut bei, sondern habe lediglich dem Infektionsschutz gedient.
Pechstein, bei der Eröffnungsfeier der Winterspiele 2022 in China Fahnenträgerin des deutschen Teams, nahm nach ihrer Doping-Sperre noch dreimal (2014, 2018, 2022) an Olympischen Spielen teil, eine Medaille holte sie bei den drei Anläufen nicht mehr. Dass sie keinen kompletten Medien-Boykott führe, betonte sie zum Abschluss ihres Briefs ausdrücklich. Bereits am Freitag (25. Februar, 22 Uhr) etwa wird sie in der MDR-Talkshow „Riverboat“ zu Gast sein. (bc)