Kirchenkritik und Trump-HämeAlarm-Signal vor Kölner Zoch: „Zukunft nicht langfristig gesichert“

Zugleiter Marc Michelske präsentiert bei einer Pressekonferenz des Festkomitees Kölner Karneval eine Skizze.

Der neue Zugleiter Marc Michelske präsentierte am Freitag (14. Februar 2025) die ersten Skizzen der Persiflagewagen. Sein favorisierter Wagen prangert im Rosenmontagszug den Missbrauch in der Kirche an.

Der Kölner Rosenmontagszug greift in diesem Jahr wieder zahlreiche politische und gesellschaftliche Themen auf. Aufgrund der ungesicherten finanziellen Zukunft des Zochs gibt es Unterstützer-Spangen.

Ein Rosenmontagszug unmittelbar nach der Bundestagswahl und bei immer knapper werdenden Kassen. Die Verantwortlichen im Festkomitee Kölner Karneval sahen sich bei der Vorbereitung gleich mehreren Herausforderungen gegenüber.

Zwei der 19 Persiflagewagen blieben bei der Präsentation am Freitag (14. Februar 2025) noch geheim. Mit einem Wagen soll unmittelbar auf den Ausgang der Wahl in der Woche zuvor reagiert werden. Die übrigen Motive sparten die Kanzlerkandidaten deshalb aus.

Kölner Rosenmontagszug: 19 Persiflagewagen, zwei noch geheim

Der neue Zugleiter Marc Michelske hat von seinem Vorgänger Holger Kirsch bereits die Idee geerbt, dass sich das Thema Liebe als roter Faden durch den Zug ziehen soll. Er hat die Wagen in drei Teile geteilt: regional, national und international.

Alles zum Thema Rosenmontag

„Wenn Krisen zum Dauerzustand werden, werden sie zur Normalität. Wir wollen aus dem Alltag ausbrechen, um dieser Realität wieder mit Kraft begegnen zu können“, sagt der neue Verantwortliche vor dem Hintergrund weltweiter Krisen und Konflikte.

„Liebe deine Stadt“ ist der Oberbegriff für die lokalen Themen. „Bye-Bye my Love“ lautet der Slogan beim Wagen anlässlich des Abschieds von Oberbürgermeisterin Henriette Reker. Auf ihrem Mantel stehen die Hinterlassenschaften, die sie in ihrer Amtszeit nicht hinbekommen hat. Das Bildungslotto prangert die Willkür an, mit der Kita- oder Schulplätze vergeben werden.

Beim Thema Kölner Verkehrswende habe das Kreativteam lange überlegt, verriet Michelske. „Irgendwann sagte jemand: ‚Das ist doch alles für’n Arsch‘. So war der Wagen geboren. Denn in Köln steckt kein Konzept dahinter. Jeder Bezirk plant für sich, das Verkehrschaos ist beeindruckend.“ Auch das Thema Müll in der Stadt wird durch einen Wagen mit der Aussage „Willkommen in der schönsten Stadt Deutschlands“ aufgegriffen.

Pressekonferenz zum Kölner Rosenmontagszug. Hier werden erstmals Skizzen der geplanten Motivwagen gezeigt.

Auf dem Weg in den Ruhestand sind die Baby-Boomer selbstzufrieden der festen Überzeugung, der Generation-Z mehr Eigentum und Vermögen denn je in diesem Land zu hinterlassen. Dumm nur, dass die jungen Erben viel weniger aufs Materielle als vielmehr und mit zunehmendem Entsetzen auf Klima- und Umweltschäden, eine altersschwache Infrastruktur, Schulden und eine unsichere Zukunft mit fraglicher Altersversorgung blicken.

Natürlich fehlt auch das Desaster um die Sanierung der Oper nicht. Alles wird auf den Schultern der Kölnerinnen und Kölner ausgetragen. „Man muss uns von den Baustellen befreien“, fordert der neue Zugleiter. Das Ehrenamt wird auch gewürdigt, denn ohne würde vieles in der Stadt nicht mehr stattfinden.

Rund um das Thema Bundestagswahl wird der ungewöhnliche Termin thematisiert. „Wir gehen wählen – egal in welchem Zustand“, verdeutlicht der Wagen. „Liebesgrüße aus Moskau“ zeigt AfD-Kanzlerkandidatin Alice Weidel und die BSW-Vorsitzende Sahra Wagenknecht, die in einem von Putin befüllten Geldkoffer sitzen. „Sie machen die Drecksarbeit für Russland, indem sie die Demokratie destabilisieren“, erläutert Michelske.

Pressekonferenz zum Kölner Rosenmontagszug. Hier werden erstmals Skizzen der geplanten Motivwagen gezeigt.

Für Menschen auf der Flucht vor Armut, Elend, Gewalt und Verfolgung brütet Europa immer wieder neue Ideen aus. Die Kölner Jecken schlagen die Errichtung einer Einreisebehörde auf EU Love Island vor. Dort gibt es Einreisedokumente für alle.

Gesundheitsminister Karl Lauterbach wird die Krankenhausreform vorgehalten. „Die Liebe geht, das Erbe bleibt“ zeigt den Generationenkonflikt zwischen Generation-Z und den Boomern. Der desolate Zustand der Deutschen Bahn ist Thema beim Wagen „Liebes Ent-Zug“. Bei der „Sandkasten-Liebe“ sitzt Elon Musk mit Alice Weidel auf einer Schaukel, die einen Hitlergruß darstellt. „Er gibt einer Landpomeranze, die in den USA niemand kennt, ein Interview. Das ist ein Zustand, den wir nicht haben wollen“, sagt der Zugleiter.

Um das Thema Integrationspolitik dreht sich „EU Love Island“, weil viele das Thema nach Meinung der Jecken am liebsten auf eine einsame Insel verbannen würden, um sich nicht mehr kümmern zu müssen. Der Nahost-Konflikt wird als Pendel der Gewalt dargestellt, was nie endet, wenn niemand den ersten Schritt macht. Donald Trump balanciert die Erdkugel bei seiner Freak-Show auf seinem ausgestreckten Mittelfinger, zudem gibt es eine Persiflage, die Wladimir Putin in den Boden gestampft zeigt.

Pressekonferenz zum Kölner Rosenmontagszug. Hier werden erstmals Skizzen der geplanten Motivwagen gezeigt.

Oper und Schauspiel, MiQua, Römisch Germanisches Museum, Stadtmuseum – alles dauert länger und länger und länger. Alles kostet immer mehr. Die Kölner Kulturbauten sollten Orte der Freude sein, stattdessen sind sie für die Kölner Stadtgesellschaft ein ewiges Bau- und Sanierungsdrama mit horrenden Belastungen.

Michelskes Lieblingswagen trägt den Titel „Jesus liebt dich“ und zielt auf den sexuellen Missbrauch und Vergewaltigungen in der Kirche ab. Der Wagen zeigt einen jungen Messdiener, der vor einem Beichtstuhl steht. Aus diesem reckt sich ein Arm, der ihn mit einem lockenden Finger hineinbittet. „Wir Menschen brauchen etwas, was uns Halt gibt. Doch davon findet sich nichts. Die Geschehnisse und die fehlende Aufarbeitung schaden den Menschen, die sich in Gemeinden engagieren“, sagt er. Die Gesellschaft auf dem Wagen wird Regenbogen-Kostüme tragen.

Neben den bunten Bildern der Wagen stand bei der Vorstellung auch die angespannte Finanzlage im Mittelpunkt. Die Kosten des Zuges, die sich auf über 3,5 Millionen Euro belaufen, seien kaum noch zu stemmen. Schon jetzt wird querfinanziert und an verschiedenen Stellen gespart. „Die Langfristigkeit des Zugs ist nicht gesichert“, schlug Michelske Alarm.

Die neuen Rosenmontagszug-Spangen.

Erstmals kann in diesem Jahr diese Spange erworben werden, um mit einem kleinen Beitrag die Finanzierung des Rosenmontagszuges zu unterstützen.

Bei der sich wild drehenden Kostenspirale im Sicherheits- und Servicebereich sind wir am Ende die, die am langen Arm verhungern werden. Die Beträge, die wir von der Stadt Köln erhalten, werden uns nicht langfristig retten.“ Trotzdem soll der Zug weitestgehend werbefrei bleiben. „Das wäre sonst für mich das Ende des Brauchtums.“

Festkomitee-Vorstandsmitglied Michael Kramp machte auch noch einmal eins ganz deutlich: „Wir werden niemals Eintritt für den Zug verlangen, das ist gar keine Idee. Aber ein freiwilliger Obolus der Jecken würde uns bei der Organisation helfen.“

Deshalb kann jeder in diesem Jahr erstmals die Rosenmontagszug-Spange erwerben. Die drei verschiedenen Anstecker in Bronze, Silber und Gold kosten zehn, 25 beziehungsweise 50 Euro und werden von Teams auf der Strecke verkauft. „So kann jeder Kölsche die Verbundenheit mit seinem Rosenmontagszug zeigen“, so Michelske.

Initiative „Arsch huh“ rollt mit viel Prominenz mit im Zug

Erstmals wird in diesem Jahr auch ein Wagen der Initiative „Arsch huh, Zäng ussenander“ mitrollen. Carolin Kebekus, Charly Klauser, Teile der Höhner und von Brings, Miljö und Jürgen Becker werden dort zu sehen sein. „Arsch huh für Demokratie“ lautet das Motto des Wagens, der mit Botschaften wie „Kölsche Mädcher, kölsche Junge, sin divers och jot jelunge“ versehen wird.

„Es ist wichtig, dieses Thema in den Karneval zu tragen“, sagt Stephan Brings. „Da findet sich die ganze Gesellschaft und es erreicht auch die, die denken, es sei richtig, ihr Kreuz mal an anderer Stelle zu machen, um es den etablierten Parteien zu zeigen.“