Am Tag nach der Proklamation stand für das Kölner Dreigestirn der Auftritt bei der Volkssitzung auf dem Neumarkt an. Die Eindrücke vom Abend im Gürzenich hallen bei allen aber immer noch nach.
Nach kurzer NachtKölns bunte Botschafter lassen sich auf Neumarkt feiern – Nikuta-Familie sehr gerührt
Als die Proklamation des Kölner Dreigestirns nach Mitternacht beendet war, legte sich beim neuen Trifolium erstmals die Aufregung. Bis 5.30 Uhr feierten Prinz René I., Bauer Michael und Jungfrau Marlis ausgelassen diesen emotionalen Abend.
Kurz bevor der neue Prinz am Samstagmorgen (11. Januar 2025) ins Bett in der Hofburg ging, versuchte er gegenüber EXPRESS.de noch einmal seine Gefühle in Worte zu fassen.
Prinz René I: „Ich war so optimistisch, aber das hat alles übertroffen“
„Wir haben ein Jahr darauf hingearbeitet und waren bestens vorbereitet. Ich war so etwas von optimistisch, aber das hat alles übertroffen“, sagte er. Fast eine Dreiviertelstunde hatte es gedauert, ehe das Dreigestirn die Gürzenich-Bühne erreicht hatte (hier den Live-Ticker des Abends noch einmal nachlesen).
Immer wieder ließen sie sich feiern, verteilten Blumen und Küsschen. Kevin, der Ehemann von Prinz René, jubelte ebenso wie Frank, der Mann von Jungfrau Marlis. „Dieser Einmarsch hatte Rekordniveau“, erkannte auch Moderator und Festkomitee-Präsident Christoph Kuckelkorn.
Bauer Michael war nach dem Triumphzug durch den Saal überwältigt. „Ich habe immer noch weiche Knie. Wir sind seit über zehn Jahren in der StattGarde und haben über 1000 Aufzüge in dieser Zeit mitgemacht, einige davon auch in den Gürzenich. Aber das, was ihr uns geboten habt, ist fantastisch“, rief er den Jecken zu.
Die neuen Tollitäten wurden im wahrsten Sinne des Wortes von der Masse getragen. Erst begleitete sie ohrenbetäubender Jubel zur Bühne, dann drehte die StattGarde Colonia Ahoj richtig auf. Als die Bordkapelle spielte, schnappte sich der Bauer zwei Becken und machte ausgelassen mit.
Das Tanzkorps, „die schärfsten Schenkel Kölns“, hob die Jungfrau in die Höhe. „Das war ein emotionales Inferno, es waren unfassbare Gefühle. So sehr hat der Gürzenich noch nie vibriert“. Auch wenn Hendrik dabei auf seinem Ornat stand und Angst hatte, dass etwas reißt, ging alles gut.
Das erste schwule Dreigestirn Kölns lebe mit der StattGarde seinen Traum, erklärte der Prinz. „Was für eine Farbenvielfalt. Die Proklamation im Zeichen des Regenbogens, den so manche Gesellschaftsschicht als eine Bedrohung sieht. Aber er steht für den Frieden, für das Glück und die Hoffnung“, sagte René I. Diese drei sind Kölns bunte Botschafter.
Marlis, alias Hendrik Ermen, war es vorbehalten, im Namen des Dreigestirns eine bewegende und bejubelte Rede zu halten. Hier die Rede von Jungfrau Marlis im Wortlaut lesen:
- Manchmal frage ich mich, ob das Festkomitee uns drei wegen des Mottos ausgewählt hat, denn es passt so gut zu uns. Ein Motto, das an die Flower-Power-Zeit erinnert, an Love, Peace und Happiness und genau so soll doch unser Fastelovend sein. Es soll eine Zeit der Unbeschwertheit, der puren Lebensfreude sein, eine Zeit des friedlichen Miteinanders und irgendwie auch eine Zeit der Liebe unterm Regenbogen. Gerade, weil es aktuell in der Welt vielleicht nicht so besonders rund läuft, kann der Karneval die dringend benötigte Auszeit darstellen, um den Seelenakku wieder aufzuladen.
- Im Karneval sind wir jeck, verkleidet, können mal in eine andere Rolle schlüpfen. Wir singen und schunkeln zusammen, wir lachen, haben Spaß und vielleicht bekommt der eine oder die andere auch mal ein Bützchen. Und all das gibt uns doch die Kraft, den Alltag auch weiterhin zu meistern. Und ist es dabei nicht schön, dass wir alle irgendwie verschieden sind? So wie Tünnes und Schäl. Der eine groß, der andere klein. Der eine listig, der andere weniger listig. Der eine gekleidet im feinen Frack, der andere in einem einfachen Kittel. All diese Unterschiede machen doch das Leben erst spannend. Wie langweilig wäre es, wären wir alle gleich.
- Was ich damit sagen möchte: Wir müssen uns nicht alle lieben. Wir müssen uns aber mit Wertschätzung, Respekt und Toleranz gegenüber begegnen. Und dafür steht doch unser Fastelovend. Für diese Werte stehen wir drei, zusammen mit der ganzen StattGarde, für ein buntes Köln mit unumstößlichen Werten. Bunt zu sein, ist nicht immer einfach. Bunt ist eine Herausforderung. Besonders in Zeiten wie diesen, wo sich vielfach wieder braunes Gestrüpp breitzumachen versucht, ist es wichtiger denn je, zu zeigen, dass bunt viel schöner ist als braun.
- Lasst uns Fastelovend fiere und lasst uns träumen von einer friedlichen fünften Jahreszeit. Lasst uns träumen von einem Fasteleer, der sich nicht darum schert, wo du herkommst oder wo du wohnst, Hauptsache dein Herz schlägt jeck kölsch. Lasst uns träumen von einer Zeit, in der es egal ist, wen du liebst – Hauptsache du liebst. Lasst uns noch viel wildere Dinge träumen: Dass die KVB in Kölle pünktlich ist, dass alle Brücken bis nach Aschermittwoch halten und dass der FC ins Pokal-Halbfinale kommt. Wir drei haben einen Traum, nein, wir drei leben einen Traum. Und wenn ihr diesen Traum zusammen mit uns träumt, werden wir eine fantastische Session haben. Ich habe euch lieb.
Danach präsentierte das Dreigestirn das diesjährige Sessionsmedley, das ausschließlich aus Liedern von Marie-Luise Nikuta (†2020) besteht. Mit „Einmol em Johr“, „Straßenbahnsong“, „E paar Grosche för Ies“ und „Fastelovend em Bloot“ wird die Grande Dame des kölschen Fastelovends gewürdigt. Nikuta ist nicht nur Namenspatronin der Jungfrau Marlis.
„Die Mottoqueen, die das kölsche Liedgut und den Fasteleer geprägt hat, war noch viel mehr“, sagte Prinz René I. „Sie stand für gelebte Offenheit und gelebte Toleranz gegenüber allen Menschen jeder möglichen Couleur. Ohne sie würden wir hier nicht stehen. Von Anfang an hat sie die StattGarde mitgeprägt, war Erste-Klasse-Passagier, hat als Ehrenmitglied unser Vereinslied geschrieben und hat uns die Türen ins Festkomitee geöffnet.“
Tochter Andrea Nikuta-Meerloo erlebte die emotionale Würdigung im Gürzenich und war begeistert. „Das war sehr ergreifend, ich hatte Tränen in den Augen“, sagte sie EXPRESS.de. „Natürlich sind wir als Familie stolz und fühlen uns geehrt. Das hat Mama auch verdient, denn sie hat genau die Werte verkörpert, die auch das Dreigestirn auszeichnet“. Gleich am Morgen gratulierte sie Jungfrau Marlis zu der gelungenen Performance.
Dreigestirn sammelt für Nikuta-Freundeskreis „Levve un levve losse“
Andrea Nikuta-Meerloo war es übrigens im Juni 2024 vorbehalten, die frohe Botschaft des Festkomitees an die Tollitäten zu übermitteln, dass sie sich beim Bewerbungsprozess durchgesetzt haben. „Seitdem stehen wir im engen Kontakt“, sagt sie glücklich.
Das Dreigestirn sammelt in dieser Session seine Spenden sowohl für das Projekt „KarneWALD“ von der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald Köln als auch für den Nikuta-Freundeskreis „Levve un levve losse“.
Ex-Präsident André Schulze Isfort hat dazu sogar einen Unterstützer-Pin entwickelt, der gegen eine Spende zu bekommen ist. Die ersten drei Pins der auf 222 Stück limitierten Auflage hat er dem Dreigestirn überreicht.
Nach extrem kurzer Nacht ging es für das Dreigestirn am Samstag dann direkt richtig ins jecke Getümmel. Im großen Zelt auf dem Neumarkt stand beispielsweise vor 2000 Gästen die sogenannte Volksproklamation bei der KG Alt-Köllen an. Und auch die wurde fulminant. Köln hat ein echtes Dreigestirn us em Levve.