Kult-Lokale Teil 17Kölns „Schreckenskammer” – das älteste Brauhaus der Stadt!

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Eine historische Postkarte zeigt die alte Häuserzeile. Die Nähe zum Rhein war ein Vorteil für das Brauhaus: Wenn der Fluss im Winter gefror, holten sich die Brauer das naheliegende Eis, um das Kölsch zu kühlen.

von Ayhan Demirci  (ade)

Köln – Es ist eines der berühmtesten Lokale Kölns und stets stellt sich die Frage: Warum heißt es „Schreckenskammer“? Wahrscheinlichste Antwort: Früher befand sich vor dem ursprünglichen Brauhaus eine Eisenbahner-Lehranstalt.

Weil deren Räume zu eng waren, verlegte man die Prüfungen ins Brauhaus. Und da sollen die Prüflinge schon mal „schreckliche“ Stunden erlebt haben. Zum Lachen und zum Weinen. Die Geschichte der Kölner Schreckenskammer – was für ein Epos.

Schreckenskammer

Ursulagartenstraße 11

Gegründet: 1442

Betreiber: Hermann-Josef Wirtz

Publikum: Karneval, Kirche, Kölsch

Ursprung im Jahr 1442

Wir stellen uns vor das rote Kommerz-Hotel am Breslauer Platz und gehen in Gedanken auf Zeitreise. Genau dort befand sich sagenhafte 501 Jahre lang eine erste Adresse Kölner Gastlichkeit.

1442, da wurde der Gürzenich gerade erbaut, eröffnete hier ein Brauhaus, das als „Schreckenskammer“ berühmt werden sollte – für alle Zeiten: Ein Schüler namens Konrad Adenauer feierte im Lokal an der Johannisstraße 1894 sein Abitur.

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An der Stelle, wo das Brauhaus stand, befindet sich das Kommerz-Hotel.

Der heutige Wirt des Hauses, das im Krieg zerstört und an der Ursulagartenstraße wiedereröffnet wurde, bewahrt die Zeugnisse der „Schreckenskammer“-Geschichte in mehreren Ordnern auf. Die Bilder, die Hermann-Josef Wirtz (69) zeigt, gehen zu Herzen.

Brauhaus liegt 1943 in Schutt und Asche

So der Schnappschuss des fröhlichen Jungen, der am Brauhaus an einem Pferd steht. „Das war mein Bruder Albert“, sagt Wirtz. Nichts zeugt da vom Leid, das bevorsteht. In den Fliegerangriffen der Paulusnacht 1943 wird das Brauhaus in Schutt und Asche gelegt.

Wirtz´ Vater, Mutter und Geschwister sowie 17 Angestellte, darunter die Holländerin Anne Kalkmann, sind im Keller des Hauses verschüttet. Kalkmanns Ehemann, der in Köln Fotografie studiert, alarmiert die Behörden, dass in den Trümmern Überlebende sein könnten.

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Hier stand die „Schreckenskammer“: Die damals beidseitig bebaute Johannisstraße mit Blick auf die Bahnhofsunterführung um 1940...

Und tatsächlich: Zwei Tage später werden alle Eingeschlossenen lebend geborgen! Doch nichts wird mehr so sein, wie es war. Am 11. April 1945, der Krieg ist in Köln schon vorbei, stirbt der kleine Albert durch eine Gewehrkugel. Kinder hatten mit der herumliegenden Waffe gespielt. „Die Kugel traf ihn aus einem Kilometer Entfernung“, erzählt Wirtz.

Neuanfang in der Ursulastraße

Eigentlich gibt es sie gar nicht, die Zeit, die alle Wunden heilt. Das alte Köln ist für immer tot, das Leben aber muss weitergehen. Die Häuserzeile am Breslauer Platz, zu der neben der „Schreckenskammer“ das „Hotel Minerva“ gehörte, wird nicht wieder aufgebaut.

Die Minerva-Besitzer kriegen allerdings das Eckgrundstück, wo sie das Kommerz-Hotel errichten. Den Rest des Geländes beansprucht die Stadt für den neuen Busbahnhof. Der Wirt Cornelius Wirtz bekommt als Kompensation ein Grundstück nicht weit entfernt, an St. Ursula.

1960 eröffnet er hier die neue „Schreckenskammer“. Sohn Hermann-Josef packt seit 1965 im Brauhaus mit an.

Die „Granate aus der Bütt“ war Stammgast

Köbes-Legende Max Meyer, der sein erstes Geld noch vor dem Ersten Weltkrieg verdiente, war einer vom harten Kaliber: Nach bis zu 60 Kölsch im Dienst fuhr er stets mit dem Rad nach Hause.

Stammgäste zu der Zeit sind Originale wie Charly Niedick vom Eilemann-Trio und Horst Muys, die „Granate aus der Bütt“. Weil er über die Stränge schlägt, landet der Karnevalist hin und wieder im Klingelpütz.

Und macht sich auch dort Freunde. „Als er wieder raus war, hat der Horst einmal 50 Wachleute und Angestellte vom Knast in die Schreckenskammer zur Weihnachtsfeier geladen“, erzählt Wirtz.

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 Hermann Josef Wirtz inmitten seiner Gäste. Eine Besonderheit der „Schreckenskammer“ ist der Sand auf den Holzdielen: Er bewahrt den Boden vor Schmutz.

Lokal steht für kölsche Unvergänglichkeit

Aus Verbundenheit zum früh verstorbenen Muys übernahm der Wirt im Jahr 2000 die Pflege des Grabes auf Melaten. Für einen neuen Grabstein hat er gerade 5000 Euro unter Kölner Karnevalisten gesammelt. So steht sein Lokal auch für kölsche Unvergänglichkeit.

Das wichtigste Kneipen-Foto der letzten Jahre zeigt denn auch einen Geistlichen – und stammt vom EXPRESS. Als drei Redakteure sich am Abend des 19. September 2014 zum Kölsch trafen, war Kardinal Rainer Maria Woelki schon da und trank seelenruhig das Feierabendbierchen: Am nächsten Morgen wurde er als Erzbischof von Köln eingeführt.

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