Äußerungen von Hubert Aiwanger in Richtung Köln haben für Diskussionen gesorgt. Fünf Gründe, warum sein Vorschlag Quatsch ist.
Fünf Gründe dagegenBayern-Politiker Aiwanger mischt sich in Köln-Problem ein – und verbreitet Unsinn
Seit Jahren versucht Köln, den Problemen am Ebertplatz Herr zu werden – nun mischt sich Söder-Stellvertreter Hubert Aiwanger (Freie Wähler) mit einem krassen Vorstoß für die Straffälligen ein.
Der stellvertretende Ministerpräsident Bayerns teilte einen Bericht über eine Kölner Problemzone – und macht einen wilden Vorstoß zum Umgang mit Straftäterinnen und Straftätern.
Aus seiner Partei gibt es dafür Zuspruch – auch aus dem Rheinland. Aber was steckt eigentlich dahinter?
Am späten Sonntagabend (21. Juli 2024) nutzte Hubert Aiwanger (53), Stellvertreter des bayrischen Ministerpräsidenten Markus Söder (57), noch seine Reichweite auf Facebook, um einen WDR-Beitrag zur Situation am Kölner Ebertplatz zu teilen.
Probleme am Kölner Ebertplatz – Hubert Aiwanger mit krassem Vorstoß
Darin werden die zuletzt wiederkehrenden Straftaten thematisiert, bei denen besonders junge Menschen Anwohnerinnen und Anwohner auf offener Straße ausrauben. Aiwanger schreibt empört: „Neuer Trend von migrantischen Jugendbanden in Köln: ‚Goldkettenabreißen‘ bei Passanten. Gibt’s keinen sinnvollen Ferienjob für die Langfinger? Erntehelfer z.B., Strohballenstapeln?“
Rund 75.000 Menschen folgen Aiwanger auf Facebook – allerdings wird der Erntehelfer-Vorschlag längst nicht nur unter Fans des Politikers der „Freien Wähler“ zum Thema.
Schnell melden sich aber erste Stimmen, die sich entschieden gegen die Idee aussprechen. EXPRESS.de nennt fünf Gründe, wieso Aiwangers Blitz-Analyse zu einem Kölner Problem nicht zielführend ist.
1. Erntearbeit wird in Verruf gestellt
Wer Aiwangers politische Ansichten, sei es in Bayern oder überregional verfolgt, weiß: Dem 53-Jährige ist es wichtig, die Arbeit der Landwirtinnen und Landwirte hervorzuheben – und sich für die Bauern-Belange einzusetzen.
Landwirtschaftliche Betreibe, im Rheinland oder sonst wo, sind aber auf die gute und verlässliche Arbeit von Erntehelferinnen und Erntehelfern angewiesen. Sonst stehen nicht nur ihre Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, sondern auch die Wirtschaft und der Einzelhandel vor Problemen.
Darzustellen, dass Erntearbeit einer Strafe gleicht, ist da sicherlich kein Ansporn für diejenigen, die sich auf den Feldern der körperlich harten Arbeit hingeben. Dass es juristische Strafen geben muss, ist klar, aber diese auf eine Stufe mit Hilfe bei der Ernte zu stellen – sehr fragwürdig.
2. Strafarbeit ist ein veraltetes Konzept
Leidtragende des Aiwanger-Vorstoßes sind, wie beim ersten Punkt genannt, diejenigen, für die die Erntearbeit schlichtweg ihr Alltagsberuf ist. Allerdings geht schon darüber hinaus längst die Entwicklung in die Richtung, dass Strafarbeit nicht die Lösung ist.
Auch bei Sozialstunden geht es darum, die Straftäterinnen und Straftäter nicht zu etwas zu verdonnern, sondern sie in ein Umfeld zu bringen, in dem sie auf die richtige Bahn gebracht werden. „Leiden lassen, um wie durch ein Wunder einen besseren Menschen zu bekommen“ – das ist längst eine überholte Ansicht in Fachkreisen.
3. Wer soll durch den Vorschlag abgeschreckt werden?
Ein weiterer Aspekt: Was ist eigentlich die Intention der Aussage? Geht es in erster Linie nur darum, zu polarisieren – und den Anhängerinnen und Anhängern zu sagen, was sie hören wollen?
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Sicherlich lässt sich keiner der Straffälligen rund um den Ebertplatz von einem Facebook-Vorschlag von einem Politiker, von dem sie wohl noch nie gehört haben, abschrecken. Wenn es einen möglichen Effekt gibt, dann eher eine Anti-Haltung gegen die Politik.
4. Die Ebertplatz-Situation ist ohnehin eine komplexe
Die Probleme um den Ebertplatz sind der Lokalpolitik seit vielen Jahren bekannt – auch wenn sich die Gruppen und die Straftaten immer mal wieder verändern. Einige Veränderungen wurden bereits vorgenommen, um für eine Verbesserung zu sorgen. Allerdings zeigen die aktuellen Fälle: Ein Idealzustand liegt noch weit in der Ferne.
Für den Austausch über mögliche nächste Schritte ist ein neuer, sehr plakativer, Vorschlag aus der Ferne wie von Aiwanger nicht förderlich. Es ist davon auszugehen, dass er die Details zu dem Sachverhalt längst nicht so gut kennt wie Expertinnen und Experten aus Köln – sei es aus dem Bereich der Straftatprävention oder der Politik.
5. Nicht der erste Aiwanger-Vorstoß, der hinterfragt werden kann
Es ist auch nicht das erste Mal, dass ein solcher Aiwanger-Vorstoß aus dem Süden der Republik dafür sorgt, dass es in anderen Teilen Deutschlands eher verwunderte und irritierte Reaktionen gibt.
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Schon im vergangenen Jahr fand in der „Frankfurter Rundschau“ Biologe Manfred Niekisch deutliche Worte für einen Aiwanger-Gedanken – damals in Bezug auf Bären und Wölfe in Niedersachsen.
„Den Unsinn, den dieser auch für Tourismus zuständige Minister von sich gibt, lässt sich Zeile für Zeile und Wort für Wort entlarven“, schrieb Niekisch in einer Kolumne. „Es ist zudem von Übel, dass der Niederbayer sich nicht auf seinen geografischen Zuständigkeitsbereich beschränkt.“ Wiederholungstäter Aiwanger – diesmal geht es aber nicht um Tiere in Niedersachsen, sondern um Straftäterinnen und Straftäter in Köln. (dth)