Hype um „True Crime“Kölner Patrick und die „größten Abgründe der Menschheit“

YouTuber Patrick Temp steht lächelnd vor einer Wand.

Patrick Temp wohnt in Köln und verdient mit YouTube und einem Podcast sein Geld. Dabei beleuchtet er die grausamsten Verbrechen der Menschheitsgeschichte.

Die Auseinandersetzung mit schlimmen Verbrechen gehört für viele Menschen mittlerweile zum Alltag – durch „True Crime“. Der Kölner Patrick Temp ist eines der bekanntesten Gesichter des Genres.

von Niklas Brühl  (nb)

Der Kölner Patrick Temp (30) beschäftigt sich beruflich mit den grausamsten Verbrechen der Menschheitsgeschichte – deutsche wie internationale Fälle.

Patrick ist YouTuber – sein Kanal heißt auf der Plattform „Insolito“. Er betreibt darüber hinaus noch einen Podcast namens „Dunkelkammer“, den er zusammen mit Maximilian Wurm, ebenfalls YouTuber, produziert.

Kölner YouTuber Patrick: „True Crime ist die moderne Schatzsuche“

Seine Arbeit ist voll und ganz dem Genre „True Crime“ gewidmet. Das Genre beschäftigt sich mit der Aufarbeitung und Präsentation wahrer, schwerer Verbrechen. „True Crime“ hat vor allem in den vergangenen zwei Jahren einen wahren Hype entfacht. Unzählige Podcasts sprießen aus dem Boden. Beispielsweise werden Dokumentation auf Streaming-Plattformen wie Netflix am laufenden Band produziert.

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EXPRESS.de hat sich mit Patrick zum Interview getroffen und über seinen speziellen Job, die Schwierigkeiten dabei und seine besondere Verbindung zur Stadt Köln gesprochen.

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Der 30-Jährige hat vor seiner Internet-Karriere Germanistik und Politikwissenschaften studiert. Er sei jedoch schon immer ein Freigeist gewesen, sodass ein alltäglicher Bürojob für ihn eher nicht infrage kam. Er wollte sein eigener Chef sein und daran arbeiten, was ihn beschäftigt. Die Recherche schwerer Verbrechen wirkt dabei erst einmal befremdlich.

Kölner „True Crime“-Podcast: „Höchsten Maße an Respekt“

„Diese Faszination der Leute für ‚True Crime‘ gab es schon längst vor den Podcasts und vor YouTube. Ich denke da an die Sendungen ‚Medical Detectives‘ oder ‚Aktenzeichen XY‘. Es geht immer darum, wie man mit diesen schweren Schicksalsschlägen umgeht.“

Es kann ein zweischneidiges Schwert sein: Bei YouTube geht es zum einen um Klicks und Reichweite, hinter den Verbrechen und den Opfern stecken aber zum anderen wahre Menschen und Geschichten.

Patrick ist sich dessen bewusst: „Ich versuche meine Videos und meine Podcastaufnahmen immer mit dem höchsten Maße an Respekt anzugehen. Und irgendwo habe ich auch diesen naiven Gedanken, mit meinem Content vielleicht irgendwann mal zu einer Aufklärung in einem ungelösten Fall beizutragen. Ich möchte damit einen Mehrwert bieten. ‚True Crime‘ ist für mich so etwas wie die moderne Schatzsuche.“

Wie meint er das? „Klingt erstmal skurril, aber so erkläre ich mir auch den großen momentanen Erfolg des Genres. Früher waren beispielsweise Piraten auf der Suche nach Goldschätzen für die Menschen faszinierend. Heute schauen die Leute die Dokus oder hören Podcasts ein Stück weit immer mit der Hoffnung, ein Detail zu erkennen, das andere bislang noch nicht gesehen haben. Und sie versuchen, diesen häufig unerklärlichen und unmenschlichen Verbrechen dadurch einen Sinn zu geben.“

„True Crime“-Star aus Köln: Diese Fälle haben ihn besonders beschäftigt

Seinen 279.000 Abonnentinnen und Abonnenten liefert Patrick im Monat mindestens vier Dokumentationen auf seinem YouTube-Kanal. Laut eigenen Angaben belaufen sich seine verfassten Skripte dabei auf ungefähr zwei Bachelorarbeiten pro Monat. Dazu kommt der Podcast und weitere, kürzere Videos auf seinem Zweitkanal.

Er habe eine lange Zeit 14 bis 16 Stunden pro Tag gearbeitet – und sich dabei immer den größten Abgründen der Menschheit beschäftigt. Wie schafft man es dann, irgendwann mal abzuschalten?

„Mir ist es eigentlich immer gut gelungen, meine Arbeit von meinem Privatleben zu trennen. Ich habe zum Glück auch noch nie von einem Fall geträumt oder so etwas. Aber natürlich prägen einen diese Geschichten und Erlebnisse, die man dort stundenlang aufarbeitet.“

Besonders bewegt haben ihn die Fälle, in denen er zu Recherchezwecken mit Familienmitgliedern von Opfern in Kontakt stand – wie beispielsweise mit der Familie vom 2014 in Bulgarien verschwundenen Lars Mittank oder den Angehörigen der 2006 ermordeten Frauke Liebs. „Nach diesem Treffen mit der Mutter von Frauke war ich auf der Rückfahrt wirklich sehr aufgewühlt“, sagt Patrick gegenüber EXPRESS.de.

Youtube-Star Patrick: Darum lebt er gerne in Köln

In Zukunft wolle er jedoch häufiger selbst in Kontakt mit den Beteiligten seiner aufgearbeiteten Fälle treten – bislang habe er zu einem großen Teil ausschließlich Sekundärliteratur, also Bücher oder Zeitungsartikel, zur Recherche verwendet.

„Das verschafft mir selbst, aber auch den Zuschauerinnen und Zuschauern, natürlich nochmal einen ganz anderen, emotionalen Einblick in die Fälle. Aber auch dabei muss dieser Balanceakt zwischen Unterhaltung und Respekt natürlich immer gehalten werden“, sagt der 30-Jährige.

Auch in Köln, seiner neuen Heimat, will er zukünftig vermehrt Fälle bearbeiten. „Ich habe schon eine Liste“, sagt er. Im Mai 2022 ist Patrick aus Düsseldorf nach Köln gezogen. Die richtige Entscheidung, sagt er mittlerweile mit einem Lachen im Gesicht.

„Ich bin eigentlich ein kleiner Heimscheißer und hab mich in Düsseldorf wohlgefühlt. Köln war für mich in meiner Vorstellung immer zu groß.“ Dies habe sich aber nicht bestätigt – getreu dem Motto: „Köln ist ein Dorf“.

Patrick sagt: „Und das stimmt wirklich. Dieser eigene, interessante Mikrokosmos in den einzelnen Veedeln ist schon besonders. Und auch in der Stadt selbst kann man mit dem Fahrrad ganz leicht beispielsweise von der Südstadt aus nach Ehrenfeld fahren.“

Und noch ein kölsches Klischee habe sich für den Internet-Star bestätigt: „Man sagt den Menschen in Köln ja nach, überaus liebenswert und sympathisch zu sein – das hat sich komplett bestätigt. Meine Theorie dazu ist: Alle hören von diesem Klischee, kommen in die Stadt und transportieren diese Stimmung direkt mit.“

Was er als Neu-Kölner allerdings noch nicht gegeben hat: sein Karnevals-Debüt. Patrick lacht und fügt an: „Aber ich trinke auch keinen Alkohol und der Karneval ist ja auch damit ein Stück weit verknüpft. Aber aufgeschoben ist ja nicht aufgehoben.“

Kölner YouTuber als Nachfolger für Rudi Cerne? Das sagt Patrick

Mit seiner sachlichen, aber trotz dessen spannenden Aufarbeitung der Verbrechen erreicht Patrick auf allen Plattformen zusammen monatlich vier Millionen Menschen. Wie soll es für ihn beruflich weitergehen? Als Nachfolger von Rudi Cerne bei „Aktenzeichen XY“ vielleicht?

„Das wäre natürlich schon cool“, sagt er schmunzelnd. „Aber es soll alles einfach noch größer werden. Ich habe mittlerweile beispielsweise zwei Angestellte, die mir bei der Recherche und den Skripten unter die Arme greifen. Ich habe ein Spiel entwickelt, welche Mitte des Jahres erscheinen soll und habe auch vor, ein Buch zu schreiben – alles im True-Crime-Kosmos.“

Irgendwann wolle er aber aus diesem Kosmos ausbrechen, wie er sagt. „Momentan stehe ich als eigene Person bei meinen Inhalten im Hintergrund – und das ist auch völlig richtig so. Es geht um die Opfer und die schlimmen Schicksalsschläge. Aber, und das hat jetzt vielleicht einen arroganten Beigeschmack, den soll es aber gar nicht haben: Ich glaube, dass ich auch selbst, als Person mit einer bewegten Vergangenheit, einiges zu erzählen habe. Das ist das große Ziel für die Zukunft.“