Rebecca Siemoneit-Barum hat mit EXPRESS.de über ihre Kultrolle in der „Lindenstraße“, die gerade im Streaming Revival feiert, und ihre Liebe zu Köln gesprochen.
„Lindenstraße“Schönes Bekenntnis von Iffi: „Deswegen werde ich meine Kölner Wohnung nie aufgeben“
Was für ein Fest für die „Lindenstraße“-Familie, die sich am 29. März 2020 zum letzten Mal vor den Fernsehgeräten fand! Die gesamte Serie – also alle 1758 Folgen – ist jetzt bei ARD plus als Stream verfügbar, von der ersten Folge an, die am 8. Dezember 1985 ausgestrahlt wurde.
Einer ihrer großen Stars war Rebecca Siemoneit-Barum (46), die 30 Jahre lang die eigenwillige Iphigenie „Iffi“ Zenker spielte. Für die Rolle kam sie als Zwölfjährige nach Köln, startete hier ein besonderes Leben. Die Serien-Wiederauferstehung ist ein Grund, mal nachzufragen: Wie war es damals, was macht sie heute? Bei EXPRESS.de gibt sie Auskunft.
Rebecca Siemoneit-Barum: 30 Jahre in der „Lindenstraße“
Jetzt können wir alle Folgen der „Lindenstraße“ sehen, von Anfang bis Ende, und damit auch 30 Jahre Ihres Lebens verfolgen. Wie finden Sie das?
Rebecca Siemoneit-Barum: Ja, das ist schon verrückt: Jetzt gibt es mich in jedem Stadium meines Lebens von 1989 bis 2019 – als Kind, als heranwachsende und dann als erwachsene Frau. Ich habe kein Problem damit. Ganz im Gegenteil. Ich freue mich und bin stolz drauf, dass ich eine Lindenstraße-Legende geworden bin.
Und wie fanden Sie das, als das alles entstand?
Rebecca Siemoneit-Barum: Es war lange Zeit wunderbar für mich, ich bin da ja reingewachsen. Zuerst war ja alles noch sehr harmlos. Der Umschwung kam erst, als die Sozialen Medien in unser Leben traten, damals, als ich Mitte 30 war. Heute weiß man, dass jeder mal seinen Shitstorm bekommt. Für uns war das Neuland, an Kommentare wie „Oh, was ist die fett geworden!“ oder so mussten wir uns erst gewöhnen.
Es gab insgesamt 1758 Folgen, ab Folge 220 waren Sie mit wenigen Unterbrechungen dabei. Wie viel davon haben Sie auf Video?
Rebecca Siemoneit-Barum: Meine Eltern haben zu Beginn jede Folge auf VHS aufgezeichnet, nachdem ich ein paar Jahre dabei war, haben sie damit aufgehört. Zwischenzeitlich gab es ja alle Folgen auf DVD und dann digital in der ARD Mediathek.
Wenn Sie davon nur eine einzige Story empfehlen könnten – welche wäre das – und vor allem warum?
Rebecca Siemoneit-Barum: Unbedingt die Affäre von Iffi mit Momos Vater Kurt, das war 1995/96. Ich finde, das sind die besten und spannendsten Folgen. Ganz nebenbei: Ich sah damals großartig aus. Und die ganze Geschichte war sehr, sehr sexy, wie das mit verbotener Liebe so ist.
Rebecca Siemoneit-Barum: Schäme mich für nichts
Gibt es Episoden, für die Sie sich heute schämen?
Rebecca Siemoneit-Barum: Nein, ich habe ja eine Rolle gespielt, immer das, was die Autorinnen und Autoren vorgegeben haben. Natürlich gab es Sachen, an die ich mich herantasten musste – z. B., als Iffi mit ihrem neuen Freund Roland nach rechts driftete oder Probleme mit der Shisha-Bar hatte. Aber ich hatte und habe für Iffi kein Schamgefühl und keine Schmerzgrenze. Ich habe als Schauspielerin kein Problem damit, mich vollends auszuleben und zu spielen, was zu spielen ist.
Wenn die Quoten gestimmt hätten, hätten Sie eines Tages als „Oma Iffi“ vor der Kamera gestanden. Hätten Sie das gern gemacht?
Rebecca Siemoneit-Barum: Zum Schluss war ich 30 Jahre dabei – und es hätte gern noch 30 Jahre weitergehen können. Allerdings fühlte ich mich Anfang der Zehner Jahre komplett ausgebrannt. Die „Lindenstraße“ machte mir keinen Spaß mehr, ich war antriebslos, brauchte eine Veränderung, ließ mich rausschreiben. Ich habe dann Theater gespielt, Musik gemacht. Finanziell war das eine Vollkatastrophe, aber es war unglaublich wertvoll für meine Entwicklung.
Sie sind im Herbst 2014 gebeten worden, wieder zurückzukommen …
Rebecca Siemoneit-Barum: … und ich war sofort bereit dazu. Das Zurückkommen war voller Liebe für die „Lindenstraße“. Damals habe ich mir geschworen: Egal, wie lange ich noch dabei sein werde, ich werde immer voller Lust und Begeisterung am Set sein.
In so langer Zeit wird man fast eine Familie. Haben Sie noch Kontakt zu Ihren damaligen Kollegen?
Rebecca Siemoneit-Barum: Ja, klar. Wir laufen uns immer wieder mal bei der Arbeit über den Weg und rufen uns zu besonderen Anlässen an. Ganz besonderen Kontakt habe ich zu meinem Lindenstraße-Kollegen Claus Vincon, der „Käthe“ gespielt hat …
… und da in Carsten Flöter, gespielt von Georg Uecker, die Liebe seines Lebens gefunden hatte. Die beiden sorgten 1990 für den ersten Kuss zwischen zwei Männern in einer deutschen Serie.
Rebecca Siemoneit-Barum: Und jetzt arbeiten wir an einem Bühnenstück, einem Mix aus Stand-up-Comedy und Geschichten-erzählen, in dem wir auch die „Lindenstraße“ aufleben lassen. Wir wollen damit auf Tournee gehen. Die Premiere ist für den Herbst geplant, und wir hoffen, dass wir damit eines Tages in Köln ein besonderes Heimspiel haben.
Stand die „Lindenstraße“ auch mal Ihrer Karriere im Weg?
Rebecca Siemoneit-Barum: Ja, das gab es. Wir wurden lange als Schauspielerinnen und Schauspieler zweiter Klasse behandelt. Als ich mit 20 eine Agentur für mich suchte, erhielt ich einmal den Rat, „Lindenstraße“ ein paar Jahre ruhen zu lassen, damit keiner mehr wüsste, woher ich komme. Das hat mich sehr schockiert. Ich fand das sehr deutsch, denn in anderen Ländern wurde es ausgenutzt, dass man ein so großes treues Publikum hatte.
Wie sind Sie eigentlich zu Ihrer Rolle gekommen?
Rebecca Siemoneit-Barum: Der Kölner Casting-Chef Horst D. Scheel suchte 1989 ein lustig aussehendes und etwas freches Mädchen, das Zirkus-Kunststücke beherrschte. Das konnte ich, ich war in unserem Zirkus als Schlangenmädchen und Reiterin aufgetreten. Ich wurde zu Probeaufnahmen nach Köln eingeladen, und schon am ersten Abend sagte Regisseur Hans W. Geissendörfer: „Du bist meine Iffi!“
Sie kamen mit zwölf nach Köln, Ihre Eltern zogen mit dem Zirkus weiter. Wie war die Umstellung?
Rebecca Siemoneit-Barum: Nicht so einfach, es war ein ganz anderes Leben. Ich lebte vorher im Wohnwagen, war jedes Jahr neun Monate auf Tournee, war Mitglied einer internationalen Gemeinschaft – das war eine großartige, besondere Kindheit. Hier musste ich in eine feste Wohnung und jeden Morgen bis zum Mittag in die Schule. Da ich nicht jeden Tag drehen durfte, hatte ich oft Langeweile. Zum Glück schickte mir mein Vater mein Pferd, das dann bei einem Reitverein in Widdersdorf stand.
Was machen Sie heute?
Rebecca Siemoneit-Barum: Ich stehe immer noch auf der Bühne, vor allem als Moderatorin und Sängern. Außerdem arbeite ich als Kulturmanagerin. Bis jetzt war ich verantwortlich für das Kulturprogramm der niedersächsischen Landesgartenschau in Gandersheim, parallel dazu hatte ich die Geschäftsleitung vom Stadtmarketing in Einbeck, bei der es vor allem um Stadtfeste und Events ging.
Warum gerade Einbeck?
Rebecca Siemoneit-Barum: Ich bin hier seit der Corona-Zeit. Hier lebte meine Familie, ich wollte mich um Mutter und Vater kümmern. Dieser Zyklus ist abgeschlossen, denn mein Vater ist im letzten Jahr mit 91 gestorben. Jetzt bin ich wieder freier. Im Oktober übernehme ich eine neue Gartenschau, diesmal in Neustadt an der Weinstraße. Und dann beginnt meine Tournee mit Claus Vincon.
Sie haben lange in Köln gelebt. Sind da noch Berührungen?
Ja klar. Ich habe zwar mit meiner Familie in Freiburg gelebt, aber der „Lindenstraße“ wegen ist Köln immer mein Zuhause gewesen. Ich habe hier 30 Jahre verbracht, davon 15 Jahre mit eigener Wohnung und lange Zeit im wunderbaren Savoy Hotel. Ich kenne die linke Rheinseite wie meine Westentasche. Ich habe hier immer noch viele Freunde. Ich wünsche mir, bald mal wieder in Köln arbeiten und leben zu können. Deswegen werde ich meine Kölner Wohnung nie aufgeben. Ansonsten muss ich in Bewegung bleiben. Ich bin auf Rädern geboren, das kriegt man nicht mehr raus aus mir. Das ist bei mir im Blut, ich muss immer weiterziehen.
Hier mehr lesen: Traurige Fans nehmen Abschied von Urgestein aus dem Kölner Zoo – „mit ihm aufgewachsen“
Rebecca Siemoneit-Barum (geboren am 20. Oktober 1977 in Ulm) ist die Tochter von „Circus Barum“-Direktor Gerd Siemoneit-Barum und der Schauspielerin und Tänzerin Rosalind. Sie kam mit zwölf Jahren nach Köln, besuchte hier das Ursulinengymnasium. Von 2001 bis zur Einstellung des Spielbetriebes im Oktober 2008 war sie künstlerische Leiterin des „Circus Barum“.
Von 1990 (Folge 220) bis 2020 (Folge 1758) spielte sie „Iffi“ Zenker in der „Lindenstraße“. 2021 gestaltete sie das Unterhaltungsprogramm der Landesgartenschau 2022 in Bad Gandersheim. Sie ist sowohl deutsche als auch britische Staatsbürgerin, ist mit Artist Pierre Bauer verheiratet. Das Paar hat zwei Kinder und ein Enkelkind. Rebecca arbeitet als Schauspielerin, Sängerin, Moderatorin und Veranstaltungsorganisatorin.