Schock vor Prozess-AuftaktMord an Kurt Braun (†47): Täter (60) spricht von Notwehr

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Kurt Braun wurde Mitte Dezember getötet.

Köln – Kurt Braun (47) hatte keine Ahnung, dass hinter der Tür eine tödliche Gefahr lauerte, als der Mitarbeiter der städtischen Kämmerei im Dezember 2019 bei Clemens K. (60) in Dünnwald klingelte. Braun wollte eine offene Forderung der Stadt eintreiben und wurde unvermittelt erstochen (hier lesen Sie mehr). Zum Prozessauftakt am Freitag im Kölner Landgericht schockt der Täter mit der Aussage, er habe in Notwehr gehandelt.

Köln: Täter fühlte sich bedroht und spricht von Notwehr

„Mein Mandant fühlte sich bedroht“, sagt Verteidigerin Harriet Krüger dem EXPRESS. Clemens K. habe die Tür geöffnet, wonach diese vom Stadtmitarbeiter zurückgedrückt worden sei. Auch habe K. den Eindruck gehabt, Kurt Braun schlage mit den Fäusten nach ihm. Der Täter hatte danach zu einem Küchenmesser mit einer Klingenlänge von zwölf Zentimetern gegriffen und zugestochen.

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Anwältin Harriet Krüger, hier bei einem anderen Fall im Jahr 2019, vertritt den Angeklagten vor Gericht.

Dass Clemens K. den Mord als gerechtfertigt ansieht, er einen Freispruch erreichen will, dürfte mit seiner Krankheitsgeschichte zusammenhängen. Laut Antragsschrift der Kölner Staatsanwaltschaft soll der Mann im Zustand einer dauerhaften paranoiden Schizophrenie gehandelt haben. K. sitzt derzeit in der geschlossenen Psychiatrie, so wie bereits mehrfach zuvor in seinem Leben.

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Kölner griff Stadtmitarbeiterin mit Schraubendreher an

Clemens K. soll im Zuge seiner Krankheit bereits mehrfach Personen angegriffen haben. Die Stadt dokumentierte einen Vorfall im März 2019, bei dem der Täter mit einem Schraubendreher auf eine städtische Bedienstete und einen Amtsarzt losgegangen sein soll. Die Mitarbeiterin habe reflexartig eine Aktenmappe hochgehalten und entging so schweren Verletzungen.

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Der Notarzt versuchte den Stadt-Mitarbeiter zu reanimieren. Der Mann starb jedoch.

Die Staatsanwaltschaft hatte bereits diesen Angriff als versuchten Mord gewertet. Ein Gutachten sollte danach die Gefährlichkeit von Clemens K. klären und ob eine dauerhafte Einweisung geboten wäre, um die Allgemeinheit zu schützen. Der Fall versandete jedoch bei den Behörden. Bei einem Klinikaufenthalt soll K. auch Pfleger mit einem Frühstücksmesser angegriffen haben.

Kölner Mordopfer wusste nichts von der Gefährlichkeit

Kurt Braun wusste von diesen Vorgängen nichts, auch nicht davon, dass es schon häufig Auseinandersetzungen mit wechselnden gesetzlichen Betreuern gab. Er suchte Clemens K. ohne Schutzkleidung auf, um eine offene Rechnung von 387,50 Euro für einen Krankentransport an Aschermittwoch 2019 in eine LVR-Klinik einzutreiben. Braun verblutete nach dem Angriff am Tatort.

Der Mordprozess vor der 4. Großen Strafkammer, der bisher auf zehn Prozesstage angelegt ist, dürfte das erhebliche Versagen verschiedener Behörden offenbaren.

Täter droht die dauerhafte Unterbringung in der Psychiatrie

Die erfahrene Vorsitzende Richterin Ulrike Grave-Herkenrath entscheidet im Landgericht nicht über eine Gefängnisstrafe – Clemens K. droht stattdessen die dauerhafte Unterbringung in der geschlossenen forensischen Psychiatrie.

Grundsätzlich könnte aufgrund der Erkrankung von Clemens K. auch die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden, einen entsprechenden Antrag will Verteidigerin Harriet Krüger aber nicht stellen. „Er möchte sich öffentlich äußern und seine Unschuld bekunden“, sagt die Anwältin. Angehörige, darunter Brauns Lebensgefährte, wollen den Prozess verfolgen – es wird für sie eine schwere Prüfung.

Stadt führt nach dem Mord neues Melderegister ein

Die Stadt Köln hat nach dem Mord an Kurt Braun reagiert und das „Zentrale Melde- und Auskunftssystem bei Gefährdungen von Mitarbeitern“, kurz „Zemag“, eingeführt. Ziel des Systems ist es laut Stadt, Leib und Leben der städtischen Mitarbeiter effektiver zu schützen.

Zemag ist eine Datenbank, die Personen, von denen eine Gefahr aufgrund von Übergriffen ausgeht, zu erfassen. Diese Informationen können von berechtigten Mitarbeitern in Aufgabengebieten mit bestimmter Gefährdungsbeurteilung vor einem Einsatz abgerufen werden.

Kölner Oberbürgermeisterin Reker: Keine Toleranz für Übergriffe

Zu den erfassbaren Übergriffen zählen Bedrohung, Nötigung, Sachbeschädigung, körperliche Gewalt, Einsatz von Waffen, Werkzeugen, Bombendrohung, Amoklauf, Geiselnahme und Überfall. Erfassen kann jeder Mitarbeiter der Stadt Köln, somit sind laut Stadt alle Dienststellen involviert.

„Für Übergriffe auf die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kann es keine Toleranz geben“, hatte Oberbürgermeisterin Henriette Reker im April bei der Vorstellung des Systems geäußert. Derzeit sind laut „Kölnischer Rundschau” neun Personen in Köln als gefährlich eingestuft.