Opferschützerin aus NRWZahl macht traurig: Ein einziger Unfall – so viele Betroffene

Ein Kreuz zum Gedenken an ein Opfer eines Verkehrsunfalls steht am 13. April 2021 an einer Landstraße im Landkreis Hildesheim.

Bei jedem schweren Unfall (das Symbolfoto von April 2021 zeigt ein Gedenkkreuz für ein Unfallopfer in Algemissen) sind laut Opferschützerin Claudia Färber aus dem Rhein-Erft-Kreis durchschnittlich 113 Personen involviert.

Die Polizei jagt nicht „nur“ Täter oder wird präventiv, beispielsweise in Sachen Einbruchsschutz, tätig: Sie steht auch Unfallopfern zur Seite. Polizeihauptkommissarin Claudia Färber (51) aus dem Rhein-Erft-Kreis ist Opferschützerin und hat EXPRESS.de von ihrer Arbeit berichtet.

von Iris Klingelhöfer  (iri)

Erftstadt. Die 51-jährige Claudia Färber ist seit 1989 bei der Polizei und arbeitet inzwischen im Rhein-Erft-Kreis. Die Opferschützerin ist Mutter zweier erwachsener Töchter, und arbeitet gemeinsam mit ihrem Kollegen, Polizeihauptkommissar Uwe Raschke.

Außerdem ist Claudia Färber Verkehrssicherheitsberaterin für den Bereich Frechen. „Die präventive Arbeit mit Kindern und Jugendlichen an Schulen oder den Industriebetrieben, bereitet mir viel Freude. Dies gibt mir dann auch die Kraft für den Opferschutz“, sagt die Hauptkommissarin.

Claudia Färber, Polizeihauptkommissarin aus dem Rhein-Erft-Kreis, arbeitet als Opferschützerin

Polizeihauptkommissarin Claudia Färber arbeitet als Opferschützerin im Rhein-Erft-Kreis.

Wenn ein Unfall passiert, sind neben Rettungskräften auch Polizeibeamte vor Ort. Mit Rat und Tat, wie Claudia Färber erzählt: „Der polizeiliche Opferschutz fängt bereits an der Unfallstelle an. Jeder Polizeibeamte ist bemüht, Betroffenen schon vor Ort Hilfestellungen zu geben. Sie nehmen nicht nur den Verkehrsunfall auf, nein, sie kümmern sich um die Betroffenen, leisten Beistand und wenn es nötig ist, binden sie auch einen Notfallseelsorger mit ein.“

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Bei heftigen Unfällen im Rhein-Erft-Kreis kommen Claudia Färber und ihr Kollege ins Spiel: „Wir Opferschützer betreuen bei schweren und tödlichen Verkehrsunfällen alle Unfallbeteiligten, Zeugen, Ersthelfer und natürlich auch Angehörige. Wir schauen auf die Opfer – welches Fahrzeug an dem Unfall beteiligt ist, spielt dabei keine Rolle.“

NRW: Opferschützerin Claudia Färber über psychische Folgen von Unfällen

Wichtig ist Claudia Färber, dass „Opferschützer je nach Bedarf betreuen. Nämlich alle Personen, die im Zusammenhang mit einem Verkehrsunfall stehen. Verkehrsunfälle ereignen sich binnen weniger Sekunden und können das ganze Leben verändern.“

Denn nicht immer entsteht „nur“ ein Blechschaden. Claudia Färber: „Bei einem Verkehrsunfall erlittene Verletzungen können zu lebenslangen, körperlichen Einschränkungen oder auch zu posttraumatischen und psychischen Belastungsstörungen führen. Noch schrecklicher ist es, wenn ein Mensch durch einen Verkehrsunfall verstirbt.“

Opferschützerin aus NRW: Bei jedem schweren Unfall sind 113 Personen involviert

Und dann nennt die erfahrene Hauptkommissarin eine Zahl, die die meisten von uns stutzig machen dürfte: „Bei jedem schweren oder tödlichen Verkehrsunfall sind im Schnitt 113 Personen betroffen – in der Regel elf Familienangehörige, vier enge Freunde, 56 Freunde und Bekannte, 42 Einsatzkräfte.“

Viele Menschen könnten die Unfallbilder einfach nicht vergessen. „Sie leiden an Schlafstörungen, Ängsten. Sie sind lethargisch oder können sogar depressiv werden. Der Verkehrsunfall hat ihr Urvertrauen erschüttert. Die Unfallverursacher trifft es oft hart. Sie haben nicht damit gerechnet, dass durch ihr Verhalten ein anderer Mensch zu Schaden kommen könnte“, erklärt sie.

Wie aber geht man damit um, in seinem Beruf das Leid, die Verzweiflung und Hilflosigkeit von Menschen zu sehen, deren Leben gerade aus den Fugen gerät?

NRW-Opferschützerin Claudia Färber empfindet oft Demut

„Es gibt einige Fälle, die ich nicht vergessen werde. Jede Person und jeder Unfall, hat eine eigene Geschichte, die oft sehr schlimm ist. Angehörige, die einen geliebten Menschen verloren haben. Eltern, die ihre Kinder bei einem Unfall verlieren oder die hinterbliebenen Geschwister. Für sie alle ist diese Situation nur sehr schwer zu ertragen. Der Unfalltod ist nicht fassbar. Allen Beteiligten wird vor Augen geführt, wie schnell das Leben vorbei sein kann“, so Claudia Färber.

Weiter erklärt die engagierte Hauptkommissarin: „Es können aber auch die bei einem Verkehrsunfall erlittenen Verletzungen zu lebenslangen körperlichen Einschränkungen oder zu posttraumatischen und psychischen Belastungsstörungen führen. Ein Unfall ist ein plötzliches Ereignis und danach kann es sein, dass nichts mehr so ist wie es einmal war. Oft lerne ich aber auch Menschen kennen, die trotz dieser schweren Schicksalsschläge eine große Stärke entwickeln und anderen Menschen noch Halt geben. Mich macht das oft demütig.“

Färber: „Wir Opferschützer sind keine Psychologen oder Seelsorger“

Wer gerade unmittelbar einen Unfall erlebt hat, ist oft schockiert, steht sprichwörtlich „neben sich“, kann kaum einen klaren Gedanken fassen. Claudia Färber hat die Erfahrung gemacht, dass eine Sache entscheidend ist: „Das Wichtigste für die Opfer ist, dass ich ihnen richtig zuhöre, um dann einfühlsam und individuell auf sie einzugehen. Wir Opferschützer sind keine Psychologen oder Seelsorger, sondern Polizeibeamte, die entsprechend geschult wurden. Wie versuchen die Betroffenen zu stärken und bieten ihnen notwendige Unterstützung und Hilfe an. Oft verblassen die Symptome mit der Zeit und es bedarf keiner weiteren Aufarbeitung. Ist dies aber nicht der Fall, ist eine psychotherapeutische Betreuung notwendig.“

Sie fügt hinzu: „Der polizeiliche Opferschutz endet, wo fachkundige, medizinische, psychotherapeutische oder soziale Betreuungsmaßnahmen notwendig werden und einsetzen.“ Unter www.hilfefinder.de können sich Betroffene, die psychische Belastungssymptome haben, informieren, ob weiterführende Maßnahmen sinnvoll sein können. (iri, smo)