Schock-Vorfall in NRWAngehörige greifen Krankenhaus-Mitarbeitende an – 23-Jährige schwer verletzt

Eine Mitarbeiterin der Pflege läuft über einen Gang auf der Corona-Intensivstation des Universitätsklinikums Essen.

Angehörige eines Patienten haben in Essen (NRW) Mitarbeitende eines Krankenhauses angegriffen und verletzt. Das Foto zeigt die Corona-Intensivstation im Essener Universitätsklinikum.

Angehörige eines Patienten greifen in Essen die Mitarbeitenden eines Krankenhauses an. Eine 23-Jährige wird schwer verletzt. Jüngst gibt es eine Zunahme der Gewalt gegen Klinik-Beschäftigte.

Mindestens sechs Mitarbeitende eines Krankenhauses in Essen sind von Angehörigen eines Patienten angegriffen und verletzt worden, eine 23-Jährige schwer. Ein 41 Jahre alter Tatverdächtiger sei festgenommen worden, teilte eine Sprecherin der Polizei mit. Die 23-Jährige wird demnach noch im Krankenhaus behandelt, befindet sich jedoch nicht in Lebensgefahr.

Der Vorfall ereignete sich bereits am Freitag (20. September 2024) im Stadtteil Huttrop. Ein Team habe sich um die Versorgung des schwer kranken Patienten gekümmert und versucht, ihn zu reanimieren, teilte das Elisabeth-Krankenhaus mit. Trotz aller Bemühungen sei der Patient gestorben – nahezu gleichzeitig sei es zu dem Angriff der Angehörigen auf das Reanimationsteam und weitere Kollegen gekommen, hieß es weiter.

Verbindungen zu Clankriminalität werden geprüft

Der 41 Jahre alte Tatverdächtige wurde laut Polizei noch am Abend wieder freigelassen. Gegen ihn wurde Anzeige erstattet wegen des Verdachts der gefährlichen Körperverletzung und wegen der Beschädigung von Krankenhaus-Inventar. Geprüft werden den Angaben zufolge auch Verbindungen zur Clankriminalität. Die Polizei sucht nach einem weiteren Krankenhausbesucher, der an der Auseinandersetzung beteiligt war und flüchtig ist. Zeugen sind aufgerufen, sich zu melden.

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Die Bezeichnung Clankriminalität ist umstritten, weil er nach Ansicht von Kritikern Menschen mit Migrationshintergrund alleine aufgrund ihrer Familienzugehörigkeit und Herkunft stigmatisiert und diskriminiert.

Krankenhaus führt Sicherheitsmaßnahmen ein

Aufgrund des Angriffes führte das Krankenhaus noch am Freitag einen kontrollierten Einlass am Haupteingang und weitere Sicherheitsmaßnahmen ein. Der Tag sei eine Zäsur, „denn hier hat eine bisher noch nie dagewesene Aggressivität und Gewalt gegenüber Mitarbeitenden unseres Hauses stattgefunden“, sagte Geschäftsführer Peter Berlin.

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Auch der Essener Oberbürgermeister Thomas Kufen (CDU) äußerte sich am Wochenende zu den Ereignissen. „Auch der Verlust eines nahen Angehörigen entschuldigt oder rechtfertigt nicht ein solches Verhalten oder gar einen Angriff auf Krankenhauspersonal und ein Krankenhaus. Ich verurteile das aufs Schärfste und habe für ein solch asoziales Verhalten überhaupt kein Verständnis“, sagte er. Staatsanwaltschaft und Gerichte seien nun gefordert, darauf eine klare Antwort zu geben.

Umfrage: Zunahme der Gewalt bei 73 Prozent der Krankenhäuser

Beschäftigte von Krankenhäusern sind nach Angaben der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) immer häufiger von gewalttätigen Übergriffen betroffen. Laut einer im Auftrag des Interessenverbandes im April durchgeführten repräsentativen Umfrage des Deutschen Krankenhausinstituts gaben 73 Prozent der Krankenhäuser an, dass die Zahl der Übergriffe in den Häusern in den vergangenen fünf Jahren mäßig (53 Prozent) oder deutlich (20 Prozent) gestiegen ist. Nur vier Prozent verzeichneten weniger Gewalt.

Am stärksten betroffen ist demnach der Pflegedienst. Als eine der Hauptursachen für Gewalt nannten die Kliniken „einen allgemeinen Respektverlust“ gegenüber Krankenhauspersonal. Die Krankenhäuser versuchen der Umfrage zufolge den Übergriffen mit Deeskalationstrainings und baulichen Maßnahmen wie Zutrittsbeschränkungen und Videoüberwachung vorzubeugen. 28 Prozent der Kliniken setzen einen Sicherheitsdienst ein. Mehr als 90 Prozent der Krankenhäuser fordern angesichts der zunehmenden Gewalt eine Strafverschärfung.

„Die Gewalt gegen Helfer und damit auch in Krankenhäusern hat in den vergangenen Jahren immer mehr zugenommen. Sehr häufig ist der Grund, dass Patienten die Reihenfolge, wie Notfälle behandelt werden, nicht verstehen“, sagte DKG-Sprecher Joachim Odenbach.

In der persönlichen Notsituation werde zunehmend Gewalt angewendet, bei Gruppen sei dies besonders häufig der Fall. „Gewalt scheint immer mehr ein Mittel der Auseinandersetzung zu werden.“ Gesellschaftliche Schieflagen dürften aber nicht auf die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter abgewälzt werden.

Gewerkschaft der Polizei NRW: Ereignis passt in aktuelle Entwicklung

Der Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei in NRW, Michael Mertens, sagte: „Was in Essen geschehen ist, passt leider in die aktuelle Entwicklung. Es gibt eine Zunahme bei der Gewalt an Personen, die anderen Menschen helfen oder sie schützen. Dazu zählen Feuerwehrleute, Polizisten [Anm. d. Red.: und Polizistinnen] , Rettungsdienst und Krankenhausangestellte.“ Die Gewerkschaft fordert, die Sachverhalte in diesem Bereich schnell aufzuklären und hart zu bestrafen.

Eine Abfrage bei den Landeskriminalämtern zeigt: Die Zahl von Gewalttaten in deutschen Krankenhäusern steigt. Bundesweit ist die Zahl sogenannter Rohheitsdelikte in medizinischen Einrichtungen seit 2019 um etwa 18 Prozent auf mehr als 6.190 Taten im Jahr 2022 gestiegen. Unter Rohheitsdelikte fallen Straftaten wie Raub oder Körperverletzung und Straftaten gegen die persönliche Freiheit. Im Jahr 2019 waren es noch etwa 5.245 Delikte im Umfeld einer medizinischen Einrichtung.

Möglicherweise erhebliche Dunkelziffer

Die Zahlen gehen aus der Polizeilichen Kriminalstatistik der Landeskriminalämter hervor. Die Länder Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg sind bei den Daten nicht inbegriffen, da sie Tatorte erst seit 2020 gesondert in ihrer Statistik erfassen. Die Daten lassen allerdings nicht erkennen, von wem die Gewalt verübt wurde. So kann sowohl das Opfer als auch der Tatverdächtige aus dem Bereich des ärztlichen oder pflegerischen Personals stammen.

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft und das Deutsche Krankenhausinstitut gehen von einer erheblichen Dunkelziffer aus. Gerade kleinere Übergriffe würden vielfach nicht angezeigt, hieß es. (dpa)