ARD-Talk zur UkraineMalteser-Teamleiter schildert dramatische Lage: „Versorgung wird bald zu Ende sein“

Der Teamleiter der Malteser Hilfsorganisation in der Ukraine, Pavlo Titko, berichtete von der dramatischen Lage vor Ort.

Der Teamleiter der Malteser Hilfsorganisation in der Ukraine, Pavlo Titko, berichtete von der dramatischen Lage vor Ort.

Rund eine halbe Million Menschen befinden sich derzeit auf der Flucht aus der Ukraine. In der ARD-Talksendung „Hart aber fair“ berichtete der Teamleiter der Malteser Hilfsorganisation Pavlo Titko von den dramatischen Ereignissen, die er vor Ort erlebt.

Seit dem 24. Februar tobt der Krieg in der Ukraine. Unter der Leitung des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj kämpfen vor allem die Männer des Landes gegen die russischen Kräfte. Gleichzeitig begeben sich immer mehr Frauen und Kinder auf die Flucht. Eine halbe Million Menschen sollen Schätzungen zufolge bereits in Richtung der europäischen Nachbarländer aufgebrochen sein. Was das konkret für die Menschen bedeutet und mit welchen schrecklichen Szenarien noch zu rechnen sein wird, wurde im ARD-Talk „Hart aber fair“ auf eindringliche Weise deutlich.

Über den Krieg, seine Hintergründe und eben auch die Folgen für die Zivilbevölkerung wurde am Montagabend in Frank Plasbergs Sendung diskutiert. Zu Gast im Studio waren der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses Michael Roth (SPD), der Journalist und ehemalige Leiter des ARD-Studios in Moskau Udo Lielischkies, Osteuropa- und Russland-Expertin bei der Stiftung Wissenschaft und Politik Sabine Fischer, der ehemalige deutsche NATO-General Hans-Lothar Domröse sowie der Journalist und Publizist Gabor Steingart.

Ukraine-Krieg: An der Grenze bilden sich 40 Kilometer lange Schlangen

Außerdem zugeschaltet waren der ukrainische Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk, und der Teamleiter der Malteser Hilfsorganisation in der Ukraine, Pavlo Titko, der mit besonders deutlichen Worten schilderte, wie er die zum Teil schon dramatische Situation vor Ort wahrnimmt.

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Pavlo Titko berichtete aus der Stadt Lwiw, früher bekannt als Lemberg, im Westen der Ukraine. Der Ort liegt etwa eine Autostunde von der polnischen Grenze entfernt, erklärte Plasberg, wurde jedoch gleich von Titko korrigiert: „Das, was Sie die Stundenfahrt bis zur polnischen Grenze nennen, dauert inzwischen drei Tage und drei Nächte“, erklärte er. Es sind 20 Kilometer lange Autoschlangen - Stoßstange an Stoßstange, so Pavlo Titko. - „Und danach noch mal 20 Kilometer zu Fuß“ bei Schneefall und Temperaturen um minus fünf Grad Celsius.

Dramatische Lage in Ukraine: „Menschen sind psychologisch am Ende“

„Wer sitzt in den Autos? Wer ist da unterwegs?“, wollte Frank Plasberg von seinem live zugeschalteten Gast wissen. Titko zuckte mit den Schultern: „Unsere Menschen aus der Ukraine, aus dem Osten, aus der Zentralukraine, aus Kiew“. Meist seien es Frauen und Kinder, weil die Männer nicht ausreisen dürfen. Dennoch gebe es viele Männer, die ihr Glück versuchten und an den Grenzen von ihren Familien getrennt und zurückgewiesen würden. Die Diskussionen führten zu den Verzögerungen bei der Abfertigung der Menschen und natürlich auch zu vielen dramatischen Szenen.

„Welche Möglichkeiten haben Sie zu helfen, also Nahrung und heiße Getränke zu verteilen?“, fragte Plasberg. „Diese Möglichkeit haben wir - noch“, antwortete Titko: „Wir sind von Kiew abgeschnitten worden. Alle großen Lager sind rund um Kiew. Die Versorgung wird bald zu Ende sein.“

Doch auch die Kommunikation mit den Mitarbeitern in anderen Teilen des Landes werde laut Pavlo Titko zunehmend schwierig: „Wir haben heute zu den ersten zwei Mitarbeitern im Osten der Ukraine den Kontakt verloren“, erklärte er. Dies sei das erste Mal seit Gründung des Hilfsprojekts im Jahr 2014. Ein Ort im Osten der Ukraine sei von den russischen Truppen „plattgemacht“ worden, ganze Dörfer, in die die Malteser früher mit mobilen Teams kamen, gebe es nicht mehr.

Ukraine-Krieg: Malteser-Teamleiter schildert schreckliche Szenen

Titko selbst sei am Montag am Bahnhof gewesen: „Die Bilder sind schrecklich“, berichtete er. „Man sieht viele, viele Kinder.“ Viele Familien würden getrennt: Er habe gesehen, wie Eltern ihr Kind zu Fremden in den Zug gaben: In Polen, so sagten sie, würden sich Angehörige um es kümmern.

„Die Menschen sind psychologisch einfach am Ende“, schloss Titko. „Es ist ein Trauma. Es ist schwierig: Man denkt gleich an die Geschichte.“ Sein Vater habe ihm genau erzählt, wie die Ukrainer einst nach Sibirien abgeschoben wurden, daran müsse er nun denken, sagte Titko.

Der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk bedankte sich in einer weiteren Live-Schaltung für die Solidarität der Menschen, die deutschlandweit für Frieden demonstrierten. Eine Hoffnung auf ein baldiges Ende der Kämpfe hat er allerdings nicht: „Alles, was wir bis heute aus Moskau gehört haben, kein einziges Thema ist für uns verhandelbar.“ Die Ukraine und ihre Bevölkerung seien bereit, weiter für ihre Freiheiten und ihre Werte zu kämpfen. (tsch)