Paukenschlag bei FC-KonkurrentGericht setzt Geschäftsführer mit sofortiger Wirkung ab

Martin Kind bei einem Heimspiel von Hannover 96 in der Loge. Kin muss seinen Geschäftsführer-Posten nach einem Gerichts-Beschluss räumen.

Martin Kind (Mitte hinten), hier am 21. April 2024 bei einem Heimspiel von Hannover 96, muss seinen Geschäftsführer-Posten nach einem Gerichts-Beschluss räumen.

Zweimal konnte sich Martin Kind gegen seine Absetzung als Geschäftsführer von Hannover 96 wehren. Vor dem Bundesgerichtshof klappte das nicht mehr. Es ist eine Zäsur für den Verein.

Martin Kind ist nicht mehr Geschäftsführer des Fußball-Zweitligisten Hannover 96. Der Bundesgerichtshof (BGH) entschied in Karlsruhe, dass die Absetzung eines der streitbarsten Funktionäre des deutschen Profifußballs vor zwei Jahren rechtens war und nun wirksam ist.

Abgesetzt hatte den 80 Jahre alten Hörakustik-Unternehmer die Führung des eigenen Muttervereins Hannover 96 e.V. Die Vereinsseite und Kind an der Spitze des ausgegliederten Profifußball-Bereichs liefern sich seit Jahren eine heftige Auseinandersetzung.

Martin Kind wechselt bei Hannover 96 in den Aufsichtsrat

Vor dem Landgericht Hannover und dem Oberlandesgericht Celle hatte sich Kind noch erfolgreich gegen seine Abberufung gewehrt. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist dagegen nach Aussage eines BGH-Sprechers „nicht mehr mit Rechtsmitteln anfechtbar“.

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Kind selbst äußerte sich nicht persönlich zu dem Urteil. In einer Stellungnahme der Profifußball-Gesellschaft heißt es aber, dass er nun in deren Aufsichtsrat wechseln wird. Dort werde er mit dem neuen Geschäftsführer „konstruktiv für eine erfolgreiche Weiterentwicklung von Hannover 96 zusammenarbeiten“.

Für den langjährigen Bundesligisten steht die sechste Saison in Folge in der 2. Bundesliga an. Dabei gibt es mit dem 1. FC Köln, Schalke 04, Hertha BSC und dem Hamburger SV viele namhafte Konkurrenten im Kampf um die Spitzenplätze.

Der Streit zwischen der Vereins- und der Kapitalseite in Hannover hat mehrere Ebenen. Indirekt betrifft er auch die Deutsche Fußball Liga, auch wenn die 50+1-Regel in keinem der Gerichtsverfahren verhandelt oder bewertet wurde.

Die e.V.-Führung ist in Hannover aber immer mit dem Ziel angetreten, die 50+1-Regel vor Kind zu schützen. Und mit Kind selbst wurde nun ein langjähriger Klubboss abgesetzt, der immer als Gegner und Gefahr für diese Regel angesehen wurde, die nur im deutschen Profifußball den Einfluss von externen Geldgebern begrenzen soll.

Dass Kind bei dem gescheiterten Investoren-Einstieg der DFL mutmaßlich anders abgestimmt hat, als sein eigener Verein das vorgab, war einer der Auslöser für die massiven Fanproteste gegen diesen Deal.

Lobende Worte aus Hannover nach Absetzung von Martin Kind

Noch größer ist der Einschnitt aber für Hannover 96. Kind wurde im September 1997 zum Präsidenten des damaligen Drittligisten gewählt. Im Dezember 1999 gliederte er den Profifußballbereich aus.

Mit einer kurzen Unterbrechung von 2005 bis 2006 war Kind stets Geschäftsführer und Mehrheitsgesellschafter dieses Bereichs. Seinen mehr als 50-prozentigen Anteil an der Profifußball-Gesellschaft hatte er aber schon vor dem BGH-Verfahren an seinen Sohn Matthias übertragen.

Selbst Kinds größter Gegenspieler Ralf Nestler sagte als Aufsichtsratschef des Hannover 96 e.V. jetzt: „Herrn Kind gebührt Dank und Respekt für die viele Arbeit und die vielen, vielen Jahre, die er für Hannover 96 geleistet hat. Wir fühlen uns bestätigt. Wir wären aber gerne einen anderen Weg gegangen. Nicht über zwei Jahre. Und ohne Prozess wäre uns am liebsten gewesen.“

Kern des Konflikts ist der sogenannte Hannover-96-Vertrag, der die Zusammenarbeit zwischen Vereins- und Kapitalseite regeln soll. Die 50+1-Regel schreibt zwar vor, dass die Muttervereine im Fall einer Ausgliederung des Profibereichs die Stimmenmehrheit in der Kapitalgesellschaft behalten müssen und ein Weisungsrecht gegenüber deren Geschäftsführern besitzen. Im 96-Vertrag steht aber, dass diese Geschäftsführer nur dann ernannt oder abberufen werden können, wenn beide gleichstarken Lager im vierköpfigen Aufsichtsrat dem zustimmen.

Auf den ersten Blick ist die 50+1-Regel durch das BGH-Urteil in Hannover nun wieder gestärkt worden. Die Vereinsführung konnte sich von einem Kapitalgeber trennen, weil der ihre Weisungen nicht befolgt hat. Der Hannover-96-Vertrag bleibt aber bestehen. Und deshalb müssen zwei wichtige Fragen auch weiter geklärt werden:

Wie verhält sich die DFL in Zukunft zu den Strukturen bei Hannover 96, die im Kern weiter gegen den Geist von 50+1 verstoßen? Und wer wird dort Nachfolger von Kind als Geschäftsführer? Denn darauf haben sich Vereins- und Kapitalseite in den zwei Monaten zwischen BGH-Verhandlung und BGH-Urteil noch nicht einigen können. (dpa)