Die EM-Generalprobe endete zwar mit einem Sieg. Euphorie löste das Spiel gegen Griechenland aber nicht aus. Julian Nagelsmann musste sich viele kritische Fragen gefallen lassen. Ein Kommentar zur Lage.
Kommentar vor EM-StartNagelsmanns Basta-Haltung kann noch zum Bumerang werden
Julian Nagelsmann ist ein äußerst kommunikativer Bundestrainer. Auf jede noch so merkwürdige Frage antwortet der 36-Jährige geduldig und meist ausführlich. Diese Offenheit führte in den vergangenen Wochen aber auch schon mehrmals dazu, dass er sich verbal in eine Sackgasse manövriert hat, indem er sich in vielen Fragen klar festgelegt hat.
Die Basta-Rhetorik kann für Nagelsmann auch noch zum Bumerang werden. Eine Woche vor EM-Start herrscht rund um die Nationalmannschaft die typische Aufgeregtheit. Deutschland ist wieder voller Bundestrainer, jeder weiß es besser und würde anders aufstellen.
Julian Nagelsmann: Torwart-Thema hat Pulverfass-Potential
Die Verantwortung trägt am Ende aber der Ex-Bayern-Coach. Und der muss aufpassen, dass er nicht unglaubwürdig wird, wenn er zu oft wortbrüchig wird.
Die Tatsache, dass er Stuttgarts Torwart Alexander Nübel (27) aus dem EM-Aufgebot gestrichen hat, mag für viele nur eine Randnotiz sein. Doch die Umstände sind unglücklich. Der Keeper wollte nach seiner tollen Saison mit dem VfB eigentlich eine Safari in Tansania genießen, sagte diese aber nach dem Anruf des Bundestrainers ab.
„Wir haben vier Torhüter nominiert und werden auch mit vier Torhütern in die EM gehen“, hatte der Coach unmissverständlich und ohne Hintertürchen geäußert. Die Wackelkandidaten im Kader seien im Vorfeld informiert worden, ergänzte er. Nübel gehörte nicht zu den Akteuren, die vor dem Start der Vorbereitung auf diesen Status hingewiesen worden sind.
Zwei weitere Akteure stehen für den Bundestrainer außerhalb jeglicher Diskussion, werden jedoch von Fans und Experten kritisch gesehen. Manuel Neuers erneuter Blackout gegen Griechenland gab den Unterstützern von Marc-André ter Stegen (32) Futter. Dass der Barcelona-Keeper schon seinen Unmut zur Reservistenrolle öffentlich gemacht hat, unterstreicht das Pulverfass-Potential.
Schließlich ist da noch die Kapitänsdebatte. Nagelsmann hält felsenfest zu Ilkay Gündogan (33), wollte auch neben Joshua Kimmich (29) und Thomas Müller (34) keinen weiteren Spielführer-Kandidaten nominieren. Gegen Griechenland stand ab der 68. Minute keiner der drei mehr auf dem Feld, Neuer übernahm die Binde. Angesichts der Fülle an guten Offensivakteuren im deutschen Kader ist Gündogan jedoch nicht unverzichtbar.
Bisher fiel der Barcelona-Profi zwischen den flinken Offensiv-Akteuren meist ab. Mit Leroy Sané (28) drängt ein weiterer Spieler mit der besonderen Note ins Team. Gündogan wäre der logische Kandidat für die Bank. Toni Kroos (34) steht hingegen außerhalb der Zweifel. Doch dem Champions-League-Sieger will der Bundestrainer nicht das Kapitänsamt übertragen.
Für EM-Euphorie besteht nach den beiden Testspielen im Vorfeld kein Grund. Die Begegnungen legten vielmehr erneut einige Probleme des Teams offen. Vielleicht kann der Zusammenhalt von Fans und Spielern die Mannschaft weit tragen. Vielleicht endet der Titeltraum aber auch erneut frühzeitig.