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Interview

Im deutschen EM-Camp fließt KölschRettig lobt Nagelsmann-Truppe mit Daum-Zitat

Andreas Rettig jubelt im Stadion.

DFB-Geschäftsführer Andreas Rettig (hier am 19. Juni 2024) zieht ein erstes Zwischenfazit der Europameisterschaft.

Nach dem Abschluss der Vorrunde hat DFB-Geschäftsführer Andreas Rettig eine erste Zwischenbilanz gezogen. Der Kölner ist begeistert von der Atmosphäre im Land und in der deutschen Mannschaft.

von Marcel Schwamborn (msw)

Nach dem Abschluss der Vorrunde als Gruppenerster genießen die Nationalspieler am Dienstag (25. Juni 2024) einen freien Tag in ihrem EM-Quartier in Herzogenaurach. Die Laune ist nach den ersten anderthalb Turnierwochen natürlich blendend.

DFB-Geschäftsführer Andreas Rettig (61) lud am Montagabend zum Medienabend am Home Ground. Der frühere Bundesliga-Profi Jörg Bach (58, Wattenscheid, Hamburger SV, Fortuna Düsseldorf) war mit einer Ladung Kölsch nach Herzogenaurach gekommen. Der ehemalige Abwehrspieler arbeitet inzwischen für die Früh-Brauerei.

Andreas Rettig sorgte für Kölsch-Abend im EM-Camp in Franken

„Kölsch darf zwar aufgrund der Kölsch-Konvention von 1985 nur auf Kölner Boden gebraut werden, kann aber zum Glück überall getrunken werden“, sagte der frühere FC-Geschäftsführer lachend.

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So konnte mitten in Franken mit kühlem Kölsch auf den ungeschlagenen Achtelfinal-Einzug angestoßen werden. Mit EXPRESS.de sprach Rettig dann noch einmal ausführlich über den bisherigen Turnierverlauf.

Wie fällt Ihre bisherige Turnierbilanz aus?

Andreas Rettig: Ich habe zehn Spiele, 25 Tore und zwei Flitzer live gesehen. Die vollste Bahn, in der ich war, war die S3 von Berlin Hauptbahnhof zum Olympiastadion, mit beeindruckenden rivalisierenden Fangesängen der Polen und der Österreicher. In der längsten Bierschlange stand ich in Frankfurt. Die Wahrscheinlichkeit, dort zu dehydrieren, war am größten. Das schlechteste Wetter war sicherlich in Dortmund. Da war ich vor dem Spiel der Türkei gegen Georgien in der Kneipe von Kevin Großkreutz ein Schnitzel essen. Beim Weg zum Stadion bin ich pitschnass geworden, da stand das Wasser in den Schuhen. Der nachtragendste Fan hat mich in Stuttgart in einer Weinstube angesprochen, er kam aus Ungarn. Seine These war, dass sein Land 1954 keine Chance gegen unsere präparierten Stollen gehabt hätte.

Jörg Bach und Andreas Rettig mit Kölsch.

Ex-Profi Jörg Bach (l.) hatte am Montag (24. Juni 2024) Kölsch ins DFB-Camp gebracht. Andreas Rettig zog bei einem Medienabend eine Bilanz.

Die Schotten müssen Ihnen doch auch gefallen haben, oder?

Andreas Rettig: Natürlich. Ich bin am Tag des Eröffnungsspiels frühmorgens mit dem Zug von Köln nach München gefahren. Da habe ich sehr viel vom schottischen Liedgut mitbekommen, auch wenn einige morgens schon mit dem Kopf auf der Tischplatte lagen. Der Schaffner konnte jedenfalls nicht ohne gesundheitliches Risiko kontrollieren. Die Alkoholwolke in der Luft war beeindruckend.

Sie klingen wirklich begeistert.

Andreas Rettig: Es überwiegen eindeutig die positiven, friedlichen und freundlichen Momente. Bisher bin ich rundum zufrieden. Natürlich gibt es Dinge, die verbessert werden können. Es waren keine schönen Bilder in Gelsenkirchen, als die Fans lange auf Bahnen am Stadion warten mussten.

Die Bahn steht in der Tat in der Kritik. Sind Sie auch schon im ICE-Chaos steckengeblieben?

Andreas Rettig: Am Montag war ich auch deutlich zu spät, da habe ich es gerade noch rechtzeitig zum Medientreff nach Herzogenaurach geschafft. Ich habe mir aber auch angewöhnt, bei Reisen deutlich mehr Puffer einzuplanen. Trotz der Verspätungen bin ich weiterhin Fan von Bahn-Reisen. Teil meines Vertrags ist übrigens kein Dienstwagen, sondern eine BahnCard.

Welche Aufgaben erfüllen Sie während der EM?

Andreas Rettig: Es mag vielleicht klingen, als sei ich als EM-Tourist unterwegs. Aber ich nutze die Besuche auch zu Gesprächen mit den Verantwortlichen. Lewan Kobiaschwili, den Präsidenten des georgischen Fußballverbandes, kenne ich noch aus meiner Freiburger Zeit. Wir haben uns zum Beispiel über die Probleme in seinem Land unterhalten. Man kann sich mit vielen Entscheidungsträgern bei der EM über Themen wie Nachwuchsförderung, Schiedsrichterwesen oder Nachhaltigkeit austauschen.

Sie haben bei Vereinen wie dem 1. FC Köln oder St. Pauli gearbeitet, die sehr emotionalisieren. Ist das jetzt noch mal eine andere Hausnummer?

Andreas Rettig: In der Tat ist das noch mal eine andere Dimension. Rudi Völler hat mir immer gesagt: ,Warte mal ab, wenn der Adler ins Spiel kommt‘. Er hat recht. Es ist in jeglicher Hinsicht noch mal eine größere Emotionalität, die einen packt.

Deutschlands Torwart Manuel Neuer gibt während des öffentlichen Trainings im Adi-Dassler-Stadion Autogramme.

Die Nationalspieler, wie hier Manuel Neuer, werden von den Fans belagert. Die Mannschaft versucht sich nahbarer zu geben, wie hier am 10. Juni 2024 beim öffentlichen Training.

Wie gefällt Ihnen die Idee, dass im Home Ground 300 Fahnen von Vereinen hängen und dass auf den Aufwärmjacken der Spieler die Heimatorte abgebildet sind?

Andreas Rettig: Zu meiner Begrüßung im vergangenen September habe ich mich mit dem Spielerrat getroffen und habe auf einem Flipchart die Heimatvereine der sechs Spieler aufgeschrieben: VfB Bösingen, Sperber Neukölln und so weiter. Ich finde es großartig, dass dieser rote Faden, an die Herkunft zu erinnern, auch für das Trainerteam und die Mannschaft wichtig ist und von allen aufgegriffen und verinnerlicht wird. Dass Benjamin Henrichs in seiner Freizeit in Porz Autogramme gibt, ist großartig. Das sind solche Kleinigkeiten, die für die emotionale Verbindung sorgen, die wir wieder herstellen müssen.

Wie fällt Ihre sportliche Bilanz zur Nationalmannschaft aus?

Andreas Rettig: Ich sehe uns nicht ganz so gut, wie wir nach dem 5:1 gegen die Schotten gemacht wurden. Aber insgesamt können wir mit den gezeigten Leistungen zufrieden sein. Dass wir nach zwei Spielen schon im Achtelfinale waren, ist auch schon mal eine Aussage. Man hat aber gesehen im Spiel gegen die Schweiz, dass es nicht so einfach ist, gegen solche Mannschaften zu bestehen.

DFB-Sportdirektor Rudi Völler (l) und Andreas Rettig (r), Geschäftsführer Sport des DFB stehen vor dem Spiel auf der Tribüne.

Geschäftsführer Andreas Rettig (r.) beim EM-Eröffnungsspiel am 14. Juni 2024 neben Sportdirektor Rudi Völler auf der Tribüne.

Welchen Effekt kann der Last-Minute-Treffer haben?

Andreas Rettig: Christoph Daum hat mal gesagt, dass der Kopf das dritte Bein sei. Da hat er völlig recht. Die Psychologie spielt eine wichtige Rolle. Dass wir am Ende nicht als Verlierer, sondern als Gruppensieger vom Feld gegangen sind, das ist ein gutes Zeichen und hilft Julian Nagelsmann, den Glauben an die eigene Stärke im Team zu festigen.

Apropos Nagelsmann: Wie beurteilen Sie seine Arbeit?

Andreas Rettig: Er hat mutige, gute Entscheidungen getroffen und hat jedem seine Rolle zugewiesen, die er auszufüllen hat. Hier weiß jeder, was er zu tun hat – auf dem Platz und daneben. Das merkt eine Mannschaft. Sie hat eine Orientierung und das schweißt zusammen, weil keiner enttäuscht ist. Der größte Anteil am bisherigen Abschneiden gebührt dem Trainerteam.

Andreas Rettig: Größte Anteil am Abschneiden gebührt Trainerteam

Plötzlich wird der Nationalmannschaft wieder zugejubelt. Was sind die Gründe?

Andreas Rettig: Der klare Fokus auf den Sport hilft uns. In vier Wochen können wir nicht alle Probleme lösen. Das heißt nicht, dass wir keine Meinung haben, das haben der Trainer und Joshua Kimmich in Bezug auf die missglückte WDR-Umfrage bewiesen. Wir haben auch haltungsstarke Spieler, aber alles zu seiner Zeit. In diesen trüben Zeiten freut man sich über gute, positive Nachrichten. Durch das Turnier wird ein positiver Spirit transportiert. Wir haben die Mannschaft und die Typen dafür, das Land zu begeistern. Die Fans verzeihen auch einen Fehlpass mehr im Spiel, wenn sie das Gefühl haben, man kann sich mit der Truppe identifizieren und das sind anständige Kerle – und die haben wir auf dem Platz. Dieses zarte Pflänzchen des Optimismus sollten wir gut pflegen.

Haben Sie Sorgen vor dem Achtelfinale, weil mit Jonathan Tah und Antonio Rüdiger eventuell beide Innenverteidiger ausfallen könnten?

Andreas Rettig: So wie ich den Kader vor Augen habe, würden wir trotzdem mit elf spielen und zwei andere aufstellen. Ich denke, dass das Trainerteam die richtigen Entscheidungen treffen wird. Und dann hoffe ich, dass am Samstag noch nicht unser letztes Spiel ansteht.