Seit über zehn Jahren berichtet EXPRESS.de-Reporter Bastian Ebel (38) vom Kölner Karneval. Hier zieht er sein ganz persönliches Fazit aus dem viel diskutierten Karnevalsauftakt am 11.11. in Köln.
Gedanken zum 11.11. in KölnEXPRESS-Reporter ganz persönlich: „Nennt DAS bitte nicht Kölner Karneval“
Köln. Ich stehe am Kölner Heumarkt. Es ist 11.11 Uhr an einem 11.11. – eigentlich gelebte Routine seit über zehn Jahren. Aber plötzlich schießen mir Gedanken in den Kopf: Wie berichtest du für die Leute? Ist es in Ordnung, wenn Menschen inmitten der Pandemie feiern? Denn: Ich bin auch Mensch.
Vor einem Jahr hätte man mich darauf wahrscheinlich nicht ansprechen dürfen: „Klares Nein“, wäre meine persönliche Antwort gewesen. Auch ich war am 11.11. 2020 am Heumarkt. Es hat mir weh getan, diesen verwaisten Platz zu sehen. Aber es war richtig, nichts stattfinden zu lassen, denn das Mittel der Impfung hatten wir damals noch nicht.
Aber an diesem ersten Karnevalswochenende 2021 ist alles anders: Auch wenn ich im Job neutral bleiben muss, ergreifen mich persönlich die Szenen von bunt kostümierten Jecken. Ich schaue in die Runde, sehe lachende Menschen. Menschen, denen gerade eine Träne herunterkullert. Zu viel ist geschehen in den letzten zwei Jahren – die Emotionen müssen heraus.
Aber jetzt schüttel‘ dich mal, Ebel: Der Kölner Karneval ist nicht der Nabel der Welt, soviel steht fest. „In München“, sagen sie, „haben sie das Oktoberfest auch ausfallen lassen. Warum nicht auch den Karneval in Köln?“ Na, eben weil die Regierung den 11.11. unter diesen Auflagen erlaubt hat.
Ich spreche mit den Menschen. Versuche, mir ein Bild davon zu machen, was sie bewegt. Gehe durch die Altstadt, frage, rede, höre zu. Der Eindruck verfestigt sich – durch die Kontrollen haben die Jecke ein sicheres Gefühl. Zumindest hier an diesem Tag in der Kölner Altstadt.
Wenig später zücke ich mein Handy: Die Zülpicher Straße ist voll, so voll, als habe es Corona nie gegeben. Unfassbar. Die glückliche Welt rund um den Heumarkt – sie bricht genau jetzt ein Stück weit zusammen. Denn insgesamt hofft man immer, dass Köln keine schlechten Schlagzeilen macht. Doch es ist passiert.
Gedanklich kommt mir in diesen Sekunden schon der Ablauf der kommenden Tage in den Kopf: Nicht der organisierte Karneval, nicht das Ehrenamt, das sich bemüht hat – nein: Unvernünftige werden in den überregionalen Medien wieder die Bilder des Tages bestimmen, versehen mit der Headline „Kölner Karneval“.
Jan Böhmermann twittert, Ingo Zamperoni ruft in den Tagesthemen „den Kölner Karneval“ als Anlass einer Staatskrise aus. Man muss sie auch verstehen, für sie ist das eben alles „Kölner Karneval“.
Köln: Zülpicher Straße ist nicht der Kölner Karneval
Mich ärgern sie trotzdem - die überregionalen Schlagzeilen zum 11.11., denn die Zülpicher Straße ist kein Kölner Karneval. Gleichzeitig habe ich so viel Verständnis für die jungen Leute, die nach zwei Jahren einfach wieder das tun wollen, was sie immer gemacht haben. Aber bitte: Nennt es nicht Kölner Karneval.
Fastelovend – auch mit all seinen negativen Facetten - ist die Oma, die das Mettbrötchen für die Pfarrsitzung schmiert. Fastelovend ist der eitle Präsident, der trotz Schulden noch einen Kranz Kölsch für den Machterhalt ausgibt. Fastelovend sind die Pänz, die wochenlang für ihren Auftritt üben. Und es sind in diesem Moment auch die Jecke, die an allen organisierten Stellen in der Stadt friedlich ihre fünfte Jahreszeit begrüßen wollen.
Schmerzlich ist, dass ausgerechnet die Stadt Köln mit ihrem Konzept an der Zülpicher Straße falsch gelegen hat, wohingegen Vereine und Kneipen alles für einen sicheren Ablauf getan haben. Eine Ohrfeige für den organisierten Karneval! Gleiches Bild auch am Samstagabend: Ob Lanxess-Arena oder die kleine Sessionseröffnung der Vereine in der Kneipe und im Saal: Penibel wird auf Einhaltung der Auflagen geachtet.
Leider bleibt von den ersten vier Tagen im Karneval 2021 eines im Vordergrund stehen: die Debatte um die Zülpicher Straße. Das wird diesem ersten Karnevalswochenende nicht gerecht. Erst recht nicht „dem“ Kölner Karneval. Na klar: Der Missstand an der „Zülpi“ gehört aufgearbeitet, soviel steht fest.
Aber wenn wir von „Spaltung“ reden, dann mit Sicherheit auch, weil viele Menschen – eben Kölner Karnevalistinnen und Karnevalisten in den zahllosen Vereinen, die vielen Ehrenamtlichen – sich allein gelassen fühlen: Sie haben alles dafür getan, dass es sicher und friedlich ist. Ihnen gehören in diesen Tagen aber nur die Nebensätze. Dabei hätten gerade sie es verdient, gelobt zu werden. Denn sie sind „Kölner Karneval“.