Kult-Lokale Teil 22Brauhaus Päffgen: Wo Stammgast Lattek weinen durfte

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Emotionaler Moment: Interviews gab Udo Lattek immer nur im Päffgen. Als EXPRESS-Reporter Thomas Gassmann ihn 2011 traf, erzählte der Trainer von seinem Sohn und konnte die Tränen nicht zurückhalten.
Köln – Köln und seine Lokale, Treffpunkte der Gesellschaft: Schon 21 legendäre Adressen, Tavernen und Cafés, Salons und Restaurants, haben wir für die EXPRESS-Serie besucht und die Geschichten erkundet, die sich dort abspielten.
Heute geht es um das Päffgen – ein ganz großer Name im Reigen der Kölner Brauhäuser. Wenn am Wochenende das Kölner Nachtleben an der Friesenstraße pulsiert, das junge Volk an den vielen Partyläden vorbeiströmt, bleibt eines in der Hektik gleich: das berühmte Haus fast vis a vis des Klein Köln.
Für viele ist das Päffgen DAS beliebteste und bekannteste Brauhaus der Stadt. Ein Fixpunkt für die Ur-Kölschen – abseits der Altstadt mit ihren Touristen-Magneten.
Tradition lebt seit 1884
„Wir sind Tradition. Wir ändern nichts – das ist, woran wir glauben.“ Eva Schmeißer sitzt im „Beichtstuhl“, dem Übersichts-und Organisationspunkt des Hauses am Retro-Telefon mit Wählscheibe und bringt die (Erfolgs-) Geschichte von 1884 bis heute auf den Punkt.
Brauhaus Päffgen
Friesenstraße 64-66
Gegründet: 1884
Inhaber: Rudolf Päffgen, Eva Schmeißer
Publikum: Sehr breit gemischt, Menschen aus dem Veedel
Die Stieftochter von Hausherr Rudolf, der die Öffentlichkeit gern meidet, hat die operative Leitung übernommen und ist damit in die Fußstapfen einer besonderen Frau getreten. Denn wer weiß, ob es ohne Anna Päffgen heute das Schanklokal überhaupt geben würde?
Anna Päffgen baute das Brauhaus nach dem Krieg wieder auf
Der Zweite Weltkrieg hatte auch an der Friesenstraße nichts als Ruinen hinterlassen. Alles, was seit der Gründung durch Herman Päffgen 1884 im Lauf der Jahrzehnte aufgebaut worden war, schien für immer dahin. Die älteste Hausbrauerei der Stadt drohte Geschichte zu sein. Die Familie stand vor den Trümmern ihres Hauses. Doch: sie gab nicht auf, begann mit dem Wiederaufbau.
Die Entschuttung des Gebäudes dauerte zwei Jahre, Anna organisierte über komplizierte Wege das Baumaterial und packte mit den Köbessen gemeinsam an. Vier Jahre nach Kriegsende konnten die Erben Hermann und Anna Päffgen wieder eröffnen. Als er 1980 verstarb, führte sie das Haus zwölf Jahre lang weiter. Eine kölsche Powerfrau.
„Stresemann“: Köbes Willi Weil wurde zur Legende
Anpacken – das können die Mitarbeiter hier. Der legendäre Köbes Willi Weil, Spitzname Stresemann, rackerte fünfzig Jahre lang. Dafür grüßt er heute vom Öl-Gemälde die Gäste, auf dem er aus Respekt für seine Arbeit verewigt ist.

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Köbes Patrick (links) und JoJo vor dem Ölgemälde, das einen ihrer Vorgänger, den legendären Willi Weil, zeigt.
„Legende“, sagen seine Nachfolger im Job, Patrick und Jo-Jo und posieren gern mit einem Kranz. Sie gehören zu den 19 Köbessen, die aktuell im Päffgen arbeiten. Das Bild ist eines der wenigen Verzierungen im Traditionslokal, wo auch nur an den Karnevalstagen Musik läuft. Hier schwadt man Kölsch und lebt seine Emotionen. Auch Udo Lattek wusste das.
Der berühmte Coach war bis zu seinem Tod 2015 Stammgast im Päffgen und zischte sich hier gern das selbstgebraute Kölsch. „Freitags abends tagte an der Königssäule immer sein Stammtisch. Wenn er Interviews gab, dann nur bei uns, hat er gesagt. So auch das letzte wenige Monate vor seinem Tod“, erinnert sich Eva Schmeißer und zeigt uns den Wimpel des Stammtischs, der im Beichtstuhl in einer Vitrine aufbewahrt wird.

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Der FC-Stammtischwimpel an der Königssäule des historischen Brauhauses.
Legendäres Interview von Lattek
Auch 2011 suchte Lattek das Lokal bewusst aus, um dem EXPRESS ein legendäres Interview zu geben. Lattek sprach über den Tod seines früh verstorbenen Sohnes. Er trank sein Kölsch und vergoss dabei bittere Tränen, für die er sich in seinem „zweiten Wohnzimmer“ nicht schämte. „Der Tod“, sagte er, „ist mir scheißegal.“
Bis zuletzt gehörte der einstige Trainer der Bayern und des FC Barcelona gewissermaßen zum Inventar im Päffgen - wie der Lange Tünn, der hier nach eigener Aussage „Narrenfreiheit“ besitzt.
Der Stadtführer bringt seine Gruppen zum Abschluss seiner Wochenend-Touren immer zu seinem Kumpel Frank an den Tresen ins Päffgen. „Das ist für jeden Kölner Pflicht. Eine Stadtführung ohne Päffgen-Besuch geht nicht“, sagt das Miljö-Original. Er muss es wissen.
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