Siebenfacher MordversuchSollte SEK-Team sterben? Urteil gegen Kölner (57) gefallen

Der Beschuldigte steht zwischen zwei Stühlen, eine Krücke in der linken Hand. Hinter ihm ein Justizwachtmeister.

Zum Prozessauftakt am Donnerstag (11. Juli 2024) kam der Beschuldigte auf Krücken in den Gerichtssaal. Begleitet von einem Justizwachtmeister nahm er auf der Anklagebank Platz.

Nach einem dramatischen SEK-Einsatz in Köln-Ehrenfeld musste sich ein Mann (57) vor Gericht verantworten. Zuvor soll er seiner Lebensgefährtin gedroht haben.

von Iris Klingelhöfer  (iri)

Als sie aufwacht, hört sie ein Zischen. Dann der Horror: Ihr Lebensgefährte steht neben ihr, hat eine Gasflasche geöffnet und droht: „Ich nehm’ dich mit!“

So schilderte die Frau (54) Mitte Juli beim Prozessbeginn gegen ihren Partner (57) den verhängnisvollen Morgen des 22. November letzten Jahres. Die Kölner Staatsanwaltschaft ist überzeugt, dass er sie mit in den Tod nehmen wollte. Jetzt ist das Urteil gegen den 57-Jährigen gefallen.

Nach Gas-Attacke auf SEK-Kräfte: So lautet das Urteil gegen Kölner (57)

Wegen versuchten Mordes in sieben Fällen, besonders schwerer Brandstiftung und gefährlicher Körperverletzung muss der Angeklagte für neun Jahre ins Gefängnis. Entlarvend sei gewesen, dass er kurz zuvor angekündigt habe, in die Geschichte eingehen zu wollen – offenbar mit einem großen Knall, heißt es beim „Kölner Stadt-Anzeiger“.

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Der Einsatz hätte auch für sieben SEK-Kräfte schlimm enden können. Als sie damals die Wohnung des Paares im zweiten Stock eines 16-Parteien-Hauses in Ehrenfeld gewaltsam betraten, hatte der 57-Jährige laut Anklage während des Zugriffs die Gasflasche erneut geöffnet und diesmal das ausströmende Gas mit einem Feuerzeug entzündet.

Die Staatsanwaltschaft warf ihm daher vor, billigend in Kauf genommen zu haben, dass die Kräfte durch das Feuer getötet werden könnten und beschuldigt ihn des versuchten Mordes in sieben Fällen.

Die Taten, bei denen vermutlich auch Schmerzmittel und Alkohol eine Rolle spielten, soll der Mann im Zustand erheblich verminderter Schuldfähigkeit begangen haben. Nach seiner Festnahme kam er zunächst in die Psychiatrie. Er litt offenbar an einer Psychose, die zwar kurz vor dem Vorfall abgeklungen war, aber zu einem paranoiden Erleben geführt haben könnte.

Inferno in Kölner Wohnung: SEK-Beamter von Rauch eingeschlossen

Das brennende Gas hatte ein regelrechtes Inferno ausgelöst. Das große Ecksofa im Wohnzimmer fing sofort Feuer, die Flammen fraßen sich durch die Schaumstoffpolster, griffen auf Möbel und sogar die Fensterrahmen über. Rasend schnell breitete sich schwarzer Rauch aus.

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Fünf SEKler konnten sich ins Untergeschoss retten, für zwei blieb aber nur die Flucht nach oben, beide erlitten dabei Rauchgasvergiftungen. Denn das Treppenhaus war inzwischen auch vollkommen verqualmt, einer der Männer war vom Rauch eingeschlossen, rettete sich zu einem Fenster, riss es auf und konnte dann erst wieder atmen.

57-Jähriger sprang von Balkon seiner Kölner Wohnung im 2. Stock

Auf einem Drohnenvideo, das im Gerichtssaal gezeigt wurde, sah man, wie der Angeklagte vor dem Feuer auf den Balkon flüchtete. Durch die geborstenen Scheiben quoll ein Schwall dichter Rauch, zog über die Fassade nach oben, im Wohnzimmer loderten hohe Flammen. Der 57-Jährige stieg auf das Balkongeländer, guckte sich um, zögerte, knapp drei Minuten später sprang er in die Tiefe.

Zwei übereinanderliegende Balkone sind rußgeschwärzt.

Das Feuer in der Wohnung des Beschuldigte richtete auch an seinem Balkon, den darüberliegenden Balkonen sowie der Hausfassade große Schäden an.

Der Angeklagte zog sich dabei eine Fraktur des linken Unterschenkels zu, kam auf die Intensivstation der Kölner Uni-Klinik. Im Februar 2024 musste der Unterschenkel amputiert werden. In den Gerichtssaal humpelte der 57-Jährige auf Krücken rein. Er hat inzwischen eine Prothese, aber immer noch Schmerzen.

Amtsgericht, Landgericht ...

Diese Gerichte gibt es in Köln

Blick aus der Luft auf die Hochhäuser des Justizzentrums.

Das Kölner Amtsgericht befinden sich im Justizzentrum an der Luxemburger Straße in Köln-Sülz. Es ist nach dem in München das zweitgrößte in Deutschland, was daran liegt, dass in den größeren Städten Berlin und Hamburg die Zuständigkeit jeweils auf mehrere Gerichte verteilt ist. Weitere Teile des Kölner Amtsgerichts (unter anderem Nachlass- und Zwangsversteigerungsgericht) sind gemeinsam mit dem Oberlandesgericht am Reichenspergerplatz in Köln-Neustadt-Nord untergebracht. Das Symbolfoto stammt vom 25. August 2023.

An der Fassade des Justizzentrums befindet sich der Schriftzug Landgericht.

Das Landgericht befindet sich (wie das Amtsgericht) im 1981 eingeweihten Justizzentrum in Sülz. Es existiert seit 1820 und war bis 1981 schwerpunktmäßig im Gerichtsgebäude Appellhofplatz untergebracht, doch dort wurde es zu eng. Das Kölner Landgericht ist das größte der drei Landgerichte im Bezirk des Oberlandesgerichts Köln und eines der größten Deutschlands.

An der Fassade befindet sich der Schriftzug Arbeitsgericht.

Das Kölner Arbeitsgericht an der Blumenthalstraße 33 ist nicht nur das größte in NRW, sondern in ganz Deutschland. Außerdem das älteste. Bereits seit 1811 wird in Köln Arbeitsrecht gesprochen. Das Arbeitsgericht ist nicht nur zuständig für die kreisfreie Stadt Köln, sondern auch im Rhein-Erft-Kreis für Bedburg, Bergheim, Brühl, Elsdorf, Erftstadt, Frechen, Hürth, Kerpen, Pulheim und Wesseling, im Rheinisch-Bergischen-Kreis für Bergisch Gladbach, Kürten, Odenthal, Overath und Rösrath. An gleicher Adresse hat auch das Landesarbeitsgericht seinen Sitz. Das Symbolfoto wurde aufgenommen am 21. September 2011

Vor einem mehrstöckigen Gebäude steht eine Tafel mit den Worten „Landesarbeitsgericht Arbeitsgericht“.

Das Landesarbeitsgericht ist neben Hamm und Düsseldorf eines (und dabei das jüngste) von drei Landesarbeitsgerichten von NRW. Zum Kölner Landesarbeitsgerichtsbezirk gehören die vier Arbeitsgerichte Aachen, Bonn, Köln und Siegburg. Das Foto wurde am 14. Februar 2024 aufgenommen.

Der Eingangsbereich zum Verwaltungsgericht in Köln.

Das Verwaltungsgericht liegt am Appellhofplatz. Dort wurde am 6. November 1826 das erste Gerichtsgebäude seiner Bestimmung übergeben: Der Appellationsgerichtshof beherbergte mit Ausnahme der Friedensgerichte (aus denen gingen später die Amtsgerichte hervor) sämtliche Kölner Gerichte einschließlich der Generalstaatsanwaltschaft und Staatsanwaltschaft. 1879 wurde aus dem Appellationsgerichtshof das Oberlandesgericht und ein Neubau errichtet. Das Symbolfoto ist vom 2. September 2016.

Die Fassade des Oberlandesgerichts ist prächtig mit vielen Verzierungen.

Das Oberlandesgericht (OLG) am Reichenspergerplatz ist eines der drei Oberlandesgerichte des Landes Nordrhein-Westfalen. Das prächtige Gebäude wurde nach den Plänen des Geheimen Oberbaurats Paul Thoemer von 1907 bis 1911 errichtet und am 7. Oktober 1911 eingeweiht. Damals war es das größte Gerichtsgebäude Deutschlands. Beim Kölner OLG arbeiten etwa 120 Richter beziehungsweise Richterinnen. Das Symbolfoto ist aus April 2018.

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Zu den Vorwürfen konnte er sich beim Prozessauftakt am 11. Juli nicht äußern. Seine Pflichtverteidigerin Karin Bölter: „Er hat keinerlei Erinnerungen an den Tag.“ Kurz vor dem Urteilsspruch am Donnerstagnachmittag (22. August) entschuldigte er sich aber im letzten Wort für seine Tat.

Angeklagter Kölner (57) sprach von Wölfen, die ihn töten wollen

Dabei schien das Leben des 57-Jährigen lange Zeit relativ normal. Der seit mehreren Jahren Arbeitslose kümmerte sich um den Haushalt, kochte für sich und seine Lebensgefährtin, hatte sehr guten Kontakt zu seinen drei Geschwistern. Seine Lebensgefährtin, die bereits vor dem SEK-Einsatz aus der Wohnung fliehen konnte und inzwischen nichts mehr mit dem 57-Jährigen zu tun haben will, sagte im Prozess: „Er war immer freundlich, nett und hilfsbereit.“

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Allerdings sei er drei Tage vor der Tat stiller geworden. „Er hat auf der Couch gesessen und die Wand angestarrt, war teilnahmslos“, schilderte sie. Dann habe er plötzlich von Wölfen, den Zahlen 5 und 13 und von Toten gesprochen. Später wiederholte er immer wieder die Sätze „Es muss so sein“ und „Das ist aber so.“

Auch gegenüber dem psychiatrischen Sachverständigen, der ihn nach dem Vorfall mehrfach unter anderem in der LVR-Klinik Essen besuchte, erzählte der Beschuldigte von Wölfen, die hinter ihm her seien und ihn töten wollen.


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Telefonseelsorge: Unter 0800 – 111 0 111 oder 0800 – 111 0 222 erreichst du rund um die Uhr Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, mit denen du deine Sorgen und Ängste teilen kannst. Auch ein Gespräch via Chat ist möglich. telefonseelsorge.de

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Deutsche Gesellschaft für Suizidprävention: Eine Übersicht aller telefonischer, regionaler, Online- und Mail-Beratungsangebote in Deutschland gibt es unter suizidprophylaxe.de Suizidprävention ist möglich!