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Hitzige Debatte um WeinwocheDas steckt hinter der Klage des Anwohners – „Fass läuft schon lange über“

Außengastro am Heumarkt.

Der Heumarkt (hier am 3. März 2024) ist auch durch die Außengastronomie ein beliebter Treffpunkt in der Kölner Altstadt.

Die Debatte um die abgesagte Weinwoche auf dem Heumarkt wird zunehmend hitziger. Die Bürgergemeinschaft Altstadt bemüht sich jedoch um Kompromisse und weist auf die Hintergründe der Klage hin.

von Marcel Schwamborn  (msw)

Die Absage der eigentlich für Mitte Mai auf dem Heumarkt geplanten Kölner Weinwoche sorgt weiterhin für hitzige Diskussionen. Da die Stadt Köln die von ihr sehr kurzfristig angeordnete Verlegung der Veranstaltung nicht genauer erläutern will, ist vor allem über die sozialen Medien ein scharfer Ton entstanden.

Die öffentliche Petition für die Beibehaltung von Festlichkeiten auf öffentlichen Plätzen hat inzwischen über 6000 Unterschriften gesammelt. Auch die sehr deutlichen Worte der IG Gastro und ihres Mitglieds Daniel Rabe werden intensiv diskutiert.

Bürgergemeinschaft: „Weinwoche ist nicht das grundsätzliche Problem“

Joachim Groth, Vorsitzender der Bürgergemeinschaft Altstadt, hatte sich gegenüber EXPRESS.de über die Hintergründe der Auseinandersetzung geäußert und wurde daraufhin von einigen fälschlicherweise als der Kläger in diesem Fall betrachtet.

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„Der Kläger, der uns natürlich bekannt ist, sieht die Weinwoche nicht als grundsätzliches Problem an. Er hat die Überlast an Gesamtveranstaltungen moniert, die allein beim Public Viewing während der EM an 30 Tagen Belastungen vergleichbar mit dem 11.11. auslösen wird“, konkretisierte Groth.

Dr. Joachim A. Groth.

Dr. Joachim A. Groth (hier am 24. April 2023) ist Vorsitzender der Bürgergemeinschaft Altstadt.

„Wir sind seit Monaten im Dialog mit der Stadt und der Klägerseite, um für einen Kompromiss zu werben“, sagt der Jurist, der seit 1992 in der Kölner Altstadt wohnt. „Wenn jedoch die Kompromissbereitschaft von Anwohnerinnen und Anwohnern wie dem Kläger, die über Jahre die Missstände ertragen mussten, stets unbeachtet bleibt, sehen sie sich irgendwann gezwungen, zum Mittel der Klage zu greifen“. Daher stimme auch die Behauptung der Stadt, es sei keine Klage anhängig, nicht wirklich.

„Der Heumarkt-Anwohner hat bereits im Dezember 2023 im Wege einer Klage auf die Gesamtbelastungen des Platzes hingewiesen. Er will die Lärmgrenzwerte sicherstellen und pocht auf den verfassungsrechtlichen Schutz der Gesundheit. Dies untermauert er mit neun gerichtsverwertbaren Lärmschutzgutachten. Dass der Kläger nun als Einzelgänger und Querulant diskreditiert wird, verschärft eher die Angelegenheit, als dass dadurch konstruktive Lösungen erreicht werden“.

Dass die Stadt aus Angst vor einer einstweiligen Anordnung relativ kurzfristig den Veranstaltern der Weinwoche die Erlaubnis für ihr Fest auf dem Heumarkt entzogen und damit für große Probleme gesorgt hat, kann auch die Bürgergemeinschaft nicht verstehen. Ihr Vorsitzender will deshalb auch mit dem Organisator Johannes Ohlig sprechen. Gleichwohl verweist Groth auch darauf, dass die Weinwoche bis mindestens 2007 noch auf dem Neumarkt stattfand und damals nur ungern in die Altstadt umgezogen ist.

Unterstützung erfahren die Altstadt-Anwohnenden von Bezirksbürgermeister Andreas Hupke (74, Grüne). „Die Kausalität, dass der Weinmarkt nicht mehr auf dem Heumarkt stattfinden kann, liegt nicht in der Klage des Bürgers begründet, sondern in der Arroganz derjenigen, die so etwas – mehr und immer mehr – genehmigen, ohne auf die Menschen zu hören. Das Fass an Veranstaltungen läuft schon lange über“, sagte er zu EXPRESS.de.

Bezirksbürgermeister Andreas Hupke.

Bezirksbürgermeister Andreas Hupke (hier am 20. Februar 2024) unterstützt die Anliegen der Bürgergemeinschaft Altstadt.

Dass nun der Kläger in den sozialen Netzwerken heftig attackiert wird, kann der Politiker nicht verstehen. „Wenn ein Mensch klagt, dann macht er das nicht allein für sich, sondern auch für viele andere Menschen, die ebenfalls in der Stadt unter solchen Bedingungen zu leiden haben. Wenn die Klage erfolgreich ist – siehe Belgisches Viertel oder das ‚Bosmann-Urteil‘ – dann profitieren ganz viele Menschen davon.“

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Torsten Ilg, Kreisvorsitzender Freie Wähler Köln, sieht das etwas anders. „Wir haben natürlich auch Verständnis für das Recht auf Nachtruhe der Bewohnerinnen und Bewohner der Altstadt. Aber in diesem Fall trifft es zu 100 Prozent die Falschen. Das Weinfest hat nichts mit dem ‚Ballermann-Tourismus‘ zu tun, der bisweilen viele Menschen aus dem Umland motiviert, nach Köln zu fahren. Bitte lasst die Kirche im Dorf. Der Heumarkt ist weder ein Freilichtmuseum noch ein Friedhof, oder wird gar durch dieses gepflegte Event zweckentfremdet“.

Das sieht auch Groth so: „Die Weinwoche bereitet die geringsten Probleme. Aber die zahlreichen Großveranstaltungen stellen eine hochgradige Belastung für eine Sozialstruktur und die Gesundheit der Anwohnerinnen und Anwohner dar. Mit dem Verbot wurde nun ausgerechnet bei diesem Fest die erste Grenze gezogen“.