Seit seinem Rückzug als Präsidentschaftskandidat hat sich der ehemalige US-Präsident Joe Biden (82) mit öffentlichen Statements zurückgehalten. Jetzt hat er sein Schweigen gebrochen und gegen Donald Trump ausgeteilt.
Ehemaliger US-PräsidentJoe Biden bricht sein Schweigen und rechnet mit Donald Trump ab: „So viel Zerstörung angerichtet“
Drei Monate nach dem Amtsantritt von Donald Trump hat der ehemalige US-Präsident Joe Biden seinen Nachfolger scharf angegriffen. In seiner Rede ging es vor allem um soziale Aspekte der US-Gesellschaft und eine Spaltung, die sich schmerzhaft bemerkbar mache.
Es seien „noch keine hundert Tage“ vergangen, und schon habe die neue US-Regierung „so viel Schaden und so viel Zerstörung angerichtet“, sagte Biden am Dienstag (15. April) in seiner mit Spannung erwarteten ersten öffentlichen Ansprache seit der Amtsübergabe an Trump Ende Januar.
Joe Biden prangert die massiven Kürzungen der Trump-Regierung an
Es sei nahezu „atemberaubend“, dass dies alles „so schnell geschieht“, fügte Biden in seiner fast halbstündigen Rede hinzu, die er bei einer Konferenz in Chicago zum Thema Renten und Sozialversicherung hielt. Der 82-jährige Demokrat prangerte insbesondere die massiven Kürzungen der Trump-Regierung bei der Rentenbehörde Social Security an, die unter anderem für die Verteilung staatlicher Renten an 68 Millionen Empfänger zuständig ist.
„Sie greifen die Sozialversicherung an und entlassen 7000 Beamte, darunter auch die erfahrensten“, kritisierte Biden. Dabei müsse die soziale Sicherheit „zum Wohle der gesamten Nation“ geschützt werden.
Es gehe dabei nicht nur um Altersrenten. „Es geht darum, ein grundlegendes Vertrauensverhältnis zwischen dem Staat und dem Volk zu würdigen“, sagte der Demokrat, der im vergangenen Jahr zunächst für seine Wiederwahl angetreten war, sich dann aber im Juli wegen seines fortgeschrittenen Alters aus dem Präsidentschaftsrennen zurückgezogen hatte.
Biden erwähnte Trump bei seiner Kritik nicht namentlich, warnte jedoch vor den laufenden Kürzungen und Änderungen bei der Social Security und warf der derzeitigen Regierung vor, das „Kriegsbeil“ ausgegraben zu haben.
Die US-Republikaner verfolgen bereits seit Jahren Pläne, die Social Security und andere staatliche Einrichtungen wie die Krankenversicherung Medicare zu privatisieren. Im Februar hatte die US-Regierung kommissarisch einen „Anti-Betrugs-Experten“ mit der Leitung der Social Security betraut.
Dem Tech-Milliardär Elon Musk zufolge, der von Trump federführend mit einem drastischen Personal- und Kostenabbau in den Bundesbehörden beauftragt worden war, ist die Behörde von zahlreichen Betrugsfällen betroffen. Nach Angaben von Regierungssprecherin Karoline Leavitt besteht der Verdacht, dass Rentenzahlungen an „dutzende Millionen verstorbener Menschen“ gingen.
Ohne Musk allerdings explizit zu erwähnen, kritisierte Biden nun eine Kultur in der neuen Regierung, die er mit der von „Tech-Startups“ verglich. Diese würden dem Motto folgen: „Schnell handeln, Dinge kaputt machen“. Das Ergebnis für viele Amerikaner seien „viele unnötige Schmerzen und schlaflose Nächte“, beklagte Biden.
Der 82-Jährige sagte, sein Land sei noch niemals so gespalten gewesen wie derzeit. „Dreißig Prozent“ des Landes hätten seiner Meinung nach „kein Herz“. So könne es nicht weitergehen. Jeder verdiene es, mit Würde behandelt zu werden. Unabhängig von der wirtschaftlichen Lage, unabhängig davon, wer er sei.
Am Schluss der Rede, die er mit leiser Stimme hielt, ging Biden mit langsamen Schritten vom Podium eine Treppe runter und sprach kurz mit Zuhörern in der ersten Reihe.
Viel Kritik an Joe Biden in den USA
Ob sich allerdings viele Amerikaner nach Biden zurücksehen, darf bezweifelt werden. Auch bei den Demokraten ist das Verhältnis zum Ex-Präsidenten angespannt. Der Sender CNN hatte berichtete, viele führende Parteimitglieder und sogar ehemalige enge Mitarbeiter Bidens hatten gehofft, dass dieser einfach still seine Rente genieße und sich nicht öffentlich äußere. Biden war im vergangenen Juli nach einem misslungenen Auftritt bei einem TV-Duell aus dem Rennen um eine zweite Amtszeit ausgestiegen.
Schon zuvor war der Demokrat wegen seines Alters und Zweifeln an seiner mentalen Fitness in der eigenen Partei massiv unter Druck geraten. Biden hatte jedoch an seiner Kandidatur festgehalten – zu lange, wie die einhellige Meinung nach der Wahlschlappe für Kamala Harris war. Es war einfach nicht genug Zeit geblieben, um eine Gegenkandidatin oder eine Gegenkandidatin für Trump systematisch aufzubauen.
In den vergangenen Wochen wurde durch mehrere Publikationen deutlich, wie schlecht es um den geistigen Zustand Bidens tatsächlich bestellt war. Das Beharren auf seiner Kandidatur wurde ihm verstärkt als Egoismus ausgelegt. Wie der „Spiegel“ berichtet, seien mehrere Bücher erschienen, die den mentalen Verfall Biden in „schillernden Farben“ schilderten.
So beschreibt der Journalist Chris Whipple die Vorbereitung Bidens auf das TV-Duell mit Trump am 27. Juni 2024, welches der Anfang vom Ende für Biden war. Der damalige Präsident habe im engsten Kreis seiner Mitarbeitenden, die ihn rhetorisch fit machen wollten, Termine versäumt, sei am Pool eingeschlafen und habe keine schlüssigen Argumente formulieren können.
Ehemalige Vertraute berichten zudem von bizarren Äußerungen Bidens, wie er Trump im TV-Duell schlagen wollte. Die Mitarbeitenden schirmten Biden generell ab und achteten darauf, dass seine „zunehmende Tatterigkeit“ nicht zu offensichtlich wurde. Diese hatte sich allerdings bereits vor dem Wahlkampf nicht mehr komplett verbergen lassen. Die Aussetzer des US-Präsidenten waren legendär. Bei Pressekonferenzen vertauschte er die Namen von Gesprächspartnern oder Ländernamen und verhedderte sich oft. So verwechselte er bereits im Juni 2023 die Ukraine mit dem Irak und behauptete, der russische Präsident Wladimir Putin würde den Krieg im Irak verlieren.
Laut CNN sagte ein langjähriger Unterstützer Bidens am Rande von dessen Rede am Dienstag in Chicago auf die Frage, ob er seit dem 20. Januar etwas vom ehemaligen Präsidenten gehört habe, nur: „Nein. Gott sei Dank.“ „Politico“ zitiert einen ehemaligen Mitarbeiter Bidens, der ebenfalls anonym bleiben möchte, mit den Worten: „Dem Land wäre besser gedient, wenn er in den Sonnenuntergang reiten würde.“ Dem Land sei nicht gedient, wenn der Ex-Präsident im Mittelpunkt einer öffentlichen Debatte stehe.
James Surowiecki, Wirtschaftsreporter und Mitarbeiter bei „The Atlantic“, schrieb vor Bidens Ansprache: „Es gibt niemanden, von dem das Land im Moment weniger hören muss als von Joe Biden.“
Der ehemalige Präsident lebt normalerweise zurückgezogen in seiner Heimat Delaware und konzentriert sich auf sein Familienleben. Medien berichten allerdings übereinstimmend, dass er an einem Buch arbeite. (afp, dpa, cme)