Schauspielerin Jutta Speidel hat mit uns über ihre Karriere, das sprichwörtliche Klettern auf Bäume, Scheidung sowie über ihre neuesten Projekte gesprochen.
TV-Star Jutta Speidel„Wenn ich kürzer trete, sollte man sich Sorgen machen!“
Letzte Rettung: Oma! In diesem Fall ist es Jutta Speidel (70), die in „Die schönste Bescherung“ (Freitag, 13. Dezember, 20.15 Uhr, ARD) als Großmutter plötzlich und überraschend bei ihrer Tochter vor der Tür steht.
Gerade ist Speidel außerdem mit ihrem Roman „Amaryllis“ in den Weihnachtsbestseller-Listen gelandet, außerdem kämpft sie – wie seit Jahrzehnten – mit ihrem Verein „Horizont“ weiter für obdachlose Kinder und Frauen.
Jutta Speidel über Familie und zerbrechliche Kinderseelen
In Ihrem Film „Die schönste Bescherung“ geht es um eine auseinanderbrechende junge Familie. Sie spielen die Großmutter, die sich einmischt. Können Sie sich das vorstellen – Sie stehen zu Weihnachten ohne Anmeldung bei Ihrer Familie vor der Tür?
Jutta Speidel: Meine Kinder wären stinksauer, wenn ich sie so überraschen würde. Aber im Film steckt ja eine ganz besondere Geschichte. Der Enkel ist traurig, weil alles so gekommen ist. Seine Schwester redet kaum noch mit ihm, seine Mutter ist so oft wie möglich mit ihrem Freund zusammen, und der Vater will ausziehen, damit dieser Freund bei ihr einziehen kann. Das alles versteht der Enkel natürlich nicht. Er sucht Hilfe bei der Großmutter, denn auf sie ist Verlass.
Wie würden Sie reagieren, wenn Sie einen Anruf Ihrer Enkelin erhielten: „Komm doch bitte, mache unsere Welt wieder heil!“?
Dann würde ich in einen Konflikt geraten und nicht wissen, was ich machen soll. Denn Kinder sind bei der Trennung der Eltern sehr oft die wirklichen Leidtragenden. Wir wissen kaum noch, wie feinfühlig die Kinderseele ist.
Sie selbst haben sich in jungen Jahren auch vom Ehemann getrennt, obwohl Sie noch junge Eltern waren. Wenn Sie heute darüber nachdenken – haben Sie es gut gemacht?
Jutta Speidel: Wir haben es, glaube ich, relativ gut gemacht. Unsere Kinder waren noch klein, sie haben das die ersten zwei Jahre gar nicht so mitbekommen. Wir führten eine Wochenend-Ehe, weil mein Mann fernab von München seinen Betrieb leitete. Nichtsdestotrotz bekommt man das sogar heute noch immer mal wieder aufs Tablett.
Ganz wichtig ist Ihnen in diesen Wochen auch Ihr erster eigener Roman „Amaryllis“, mit dem Sie gerade auch auf Lesereise sind und der zum echten Weihnachtsbestseller geworden ist. Worum geht es in dem Buch?
Jutta Speidel: Ich beschreibe das Leben einer Frau namens Valerie – von ihrer Geburt bis zu ihrem 70. Geburtstag. Valerie träumt davon, Clownin zu werden, geht zur berühmten Zirkusschule Dimitri und lernt dort Lorenzo, ihre spätere große Liebe, kennen. Doch während er den Sprung nach oben schafft, bleibt sie in seinem Schatten – bis es bei ihr zu einer Metamorphose kommt, und sie ihre große Chance erhält.
Wie sind Sie auf das Thema gekommen?
Jutta Speidel: Ich hatte schon als kleines Mädchen eine große Liebe zum Zirkus, und irgendwann fiel mir auf, dass es fast nur männliche Clowns gibt. Frauen können noch so gut sein – so wie meine Valerie – aber sie haben in der Clowns-Männerwelt keine Chance. Und als dann in der Corona-Zeit immer weniger gedreht wurde, begann ich zu schreiben.
Warum heißt das Buch „Amaryllis“?
Jutta Speidel: Die Amaryllis ist meine Lieblingsblume, meine Geburtsblume. Als ich zur Welt kam, stand eine in voller Blüte auf dem Nachttisch meiner Mutter. Eine Amaryllis ist aber auch das schönste Beispiel für eine wunderbare Metamorphose: Aus einer unansehnlichen Knolle, die irgendwo im Keller liegt, wird eines Tages eine Blume mit wunderschönen Blüten. Das Leben von Valerie hat sehr viel Ähnlichkeit mit der Entwicklung dieser Blume.
Ein weiterer zentraler Punkt Ihres Lebens ist die Arbeit für Ihre Hilfsorganisation „Horizont“, die obdachlosen Kindern und ihren Müttern hilft. Sie haben „Horizont“ vor fast 30 Jahren gegründet – haben Sie den Eindruck, dass seitdem mehr für Obdachlose getan wird?
Jutta Speidel: Mir ging es damals besonders um die betroffenen Kinder, über die zu der Zeit keiner geredet hat. Jetzt guckt man da genauer hin, und ich glaube, das passiert auch aufgrund meiner Arbeit. Aber das ist noch viel zu wenig. Es ist schlimm, dass wir das nicht in den Griff bekommen. Auf meinen Lesereisen durch Deutschland sehe ich wahnsinnig viel Landschaft, aber keine Infrastruktur. Da ist überall das Nichts, da gibt es keine Arbeit. Doch wer keine Arbeit hat, verdient kein Geld.
Jutta Speidel: „Mir ist schnell langweilig“
Ganz persönlich: Sie sind in diesem Jahr 70 geworden. Hat sich durch den Start ins neue Lebensjahrzehnt was für Sie geändert?
Jutta Speidel: Null. Ich war fleißig, habe noch mehr gearbeitet als vorher. Ich hatte aber sowieso nie den Wunsch, kürzer zu treten. Das war bei mir immer so. Mir war und ist schnell langweilig. Ich bin sehr neugierig, mich interessiert alles, ob es der Mensch ist, ein Tier, die Natur an sich, ein Stoff, ein Film. Wenn ich mich damit beschäftige, bereichert das mein Leben.
Mit 70 kann man aber schon mal eine kleine Pause einlegen…
Jutta Speidel: Wenn ich anfange, meine Füße auf die Couch zu legen und Kreuzworträtsel zu lösen, sollte man sich Sorgen um mich machen. Ich muss nicht mehr auf Bäume klettern und einen Salto rückwärts runter machen. Jetzt klettere ich zwar auch noch gern auf Bäume, lasse den Salto allerdings weg.
Sie sind immer wieder Gast in TV-Talkshows, und gern zeigt man da die Rückblicke auf Ihr Leben und Ihre Filme. Wie ist das für Sie?
Dann denke ich, dass es schon irre ist, was für einen Brocken ich geboren habe. Und ich freue mich, wenn ich Sachen wiedersehe, die ich schon vergessen hatte.
Was war der entscheidende Film für Ihr Leben?
Jutta Speidel: Das kann ich nicht sagen. Ich habe viele Dauererfolge gehabt – allein die Serien wie „Alle meine Töchter“, „Rivalen der Rennbahn“ oder „Drei sind einer zu viel“, die immer noch auf DVD gekauft werden. Gerade bin ich wieder auf „Drei sind einer zu viel“ angesprochen worden: „Ich war so verliebt in das Karlchen. Und jetzt lerne ich sie endlich kennen!“ Das muss man sich mal vorstellen – das ist 50 Jahre her!
Auf welchen Film sind Sie besonders stolz?
Jutta Speidel: Einer davon war gerade wieder im TV zu sehen: Wir sind doch Schwestern nach dem Roman von Anne Gesthuysen, in dem ich eine 89-Jährige gespielt habe. Schade nur, dass er nicht so für Furore gesorgt hat, wie wir alle am Anfang gedacht haben.
Wenn Sie auf das zurückblicken, was Sie in den 70 Jahren alles erlebt und gesehen haben: Haben Sie Angst vor der Zukunft für unsere Erde?
Jutta Speidel: Ich lebe im Hier und Heute und versuche immer, das Beste draus zu machen. Ich habe keine Glaskugel, die ich befragen kann, was in Zukunft sein wird. Ich hoffe aber so sehr, dass wir uns keinem neuen Weltkrieg nähern. Wenn es mich von heute auf morgen umhaut – dann ist es halt so. Dann kann ich auf ein tolles Leben zurückblicken. Aber meine dreijährige Enkelin kann das noch nicht. Die soll ihr Leben noch haben!
Jutta Speidel: Trägerin des Bundesverdienstkreuzes
Jutta Speidel (geboren am 26. März 1954 in München) war 1969 in der dritten Folge „Die Lümmel von der ersten Bank“ zu sehen (zuerst als Komparsin, dann in der Stammbesetzung). 1974: Durchbruch mit „Die letzten Ferien“. 1979: Internationaler Erfolg mit „Fleisch“. 1977 dann die TV-Serie „Drei sind einer zuviel“. 1989: „Rivalen der Rennbahn“. 1989 bis 1995: TV-Serie „Forsthaus Falkenau“. 1994 bis 1999: „Alle meine Töchter“, 2002 bis 2006 „Um Himmels Willen“.
Von 1977 bis 1982 führte sie eine Beziehung mit Schauspieler Herbert Herrmann (83). Von 1984 bis 1991 war sie mit Holzkaufmann Stefan Feuerstein verheiratet, aus der Ehe stammt ihre jüngere Tochter Antonia (38, Schauspielerin und Opernsängerin). Den Namen des Vaters der älteren Tochter Franziska hat sie nie genannt. Von 2003 bis 2013 hatte sie eine Liaison mit dem italienischen Schauspieler Bruno Maccallini (64, gemeinsame Bücher und Filme). 1997 gründete sie ihren Verein „Horizont“. Sie ist u. a. mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet worden und Ehrenbürgerin von München.