„Maischberger“Lindner bestreitet seine Schuld am Ampel-Aus – nun will er Steuergeschenke für die Reichsten?

Wer schuld ist am Ampel-Aus, will Sandra Maischberger (links) wissen. Christian Lindner und Saskia Esken sind sich nicht einig. (Bild: WDR/Thomas Kierok)

Wer schuld ist am Ampel-Aus, will Sandra Maischberger (links) wissen. Christian Lindner und Saskia Esken sind sich nicht einig. (Bild: WDR/Thomas Kierok)

Nur noch wenige Tage bis zur Wahl. Am Dienstagabend hat Sandra Maischberger zwei ehemalige Ampelpolitiker eingeladen: Die SPD-Co-Chefin Saskia Esken und FDP-Chef Christian Lindner. Und schon beginnen sie wieder zu streiten.

Vor gut einem Vierteljahr ging die Ampelkoalition in die Brüche. Am Dienstagabend treffen sich zum ersten Mal seit dem Ampel-Aus die SPD-Vorsitzende Saskia Esken und FDP-Chef Christian Lindner bei Sandra Maischberger im Ersten.

Nein, sie haben seit dem Ampel-Ende nicht mehr miteinander geredet, sagen beide unisono. Nanu, denkt der Beobachter. So viel Einigkeit? Doch der Traum zerbricht nach zwanzig Sekunden. Dann sind sie wieder da, die Meinungsverschiedenheiten.

Wer denn Schuld sei am Ampel-Ende, fragt Maischberger. Die SPD nicht, sagt Esken. Die FDP nicht, sagt Lindner, Jawohl, sagt Esken. Nein, die Grünen, sagt Lindner. Da widerspricht Esken dann jedenfalls nicht.

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Und wieso man jemanden wählen sollte, der mitverantwortlich für das Ende einer Koalition ist, fragt Maischberger. Esken antwortet zwar, aber nicht auf die Frage. Den Namen ihres Kanzlerkandidaten nennt sie nicht einmal. Hat sie ihn vielleicht schon vergessen?

Saskia Esken stellt klar, „dass es zumindest mit mir als SPD-Parteivorsitzende ganz bestimmt keine Politik gibt, die in diesem Land den Sozialstaat rasiert“.  (Bild: WDR/Thomas Kierok)

Saskia Esken stellt klar, „dass es zumindest mit mir als SPD-Parteivorsitzende ganz bestimmt keine Politik gibt, die in diesem Land den Sozialstaat rasiert“. (Bild: WDR/Thomas Kierok)

Lindner wird konkreter: „Wer ein höchstes Staatsamt aufgibt oder bereit ist, sich entlassen zu lassen wegen der eigenen politischen Überzeugungen, ich glaube, der hat bewiesen, dass es ihm ernst ist mit seinen Überzeugungen. Ich könnte jetzt noch Finanzminister sein, mit all dem, was damit verbunden ist. Ich hätte aber meine Selbstachtung verloren und ich hätte dem Land geschadet, weil in der Wirtschaftskrise die alte Regierung Scholz nicht in der Lage war, angemessen zu handeln.“ Dass es allerdings schon lange vor dem Ampel-Ende ein FDP-Papier gab, das ein Szenario für ein Ampel-Aus beschreibt, erwähnt Lindner nicht.

Und wer möglicherweise mit wem koalieren könnte, nach der Wahl? Das werde nach der Wahl entschieden, so Esken. Am liebsten mit keinen linken Parteien, sagt Lindner. Und mit der AfD auch nicht. Aber hier und da vielleicht ein kleines Gesetz oder so, da mag sich Lindner nicht festlegen.

Die Sache mit dem Geld: USA kein verlässlicher Bündnispartner

Dabei stehen Deutschland und Europa vor schweren Herausforderungen. Spätestens seit dem vergangenen Wochenende ist klar: Die USA sind nicht mehr der verlässliche Bündnispartner von einst. Geld muss her: für die Verteidigung Deutschlands, Europas, vielleicht sogar der Ukraine.

Nur: Woher soll's kommen? Esken ist sich darüber klar: „Das ist eine sehr große und bedeutende Frage, die aller-allerspätestens 2028 beantwortet werden muss.“ Dann laufe das Sondervermögen für die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands aus. Wirkliche Antworten hat Esken jedoch nicht. Die Renten will sie jedenfalls nicht kürzen. Sondern: „Für diese Aufgabe, die Verteidigungsfähigkeit hochzufahren, müssen wir die Schuldenbremse reformieren.“

„Der Staatsapparat ist nahezu unkontrolliert gewachsen“, findet Christian Lindner. (Bild: WDR/Thomas Kierok)

„Der Staatsapparat ist nahezu unkontrolliert gewachsen“, findet Christian Lindner. (Bild: WDR/Thomas Kierok)

Lindner hat konkrete Vorschläge: Früher, sagt er, habe der Staat seine Verteidigungskosten auch getragen. „Aber ohne Schuldenbremse“, wirft Esken ein. Lindner erklärt, warum das seiner Ansicht nach so war: „Wir haben damals einen Staat gehabt, der sich sehr auf seine Kernaufgaben konzentriert hat. Heute verzettelt unser Staat sich. Er bürokratisiert das Leben. Das kostet viel Geld. Der Staatsapparat ist nahezu unkontrolliert gewachsen.“

Lindner fordert: „Staatsapparat verschlanken, den Sozialstaat treffsicherer machen, sodass man Antriebslosigkeit etwa beim Bürgergeld nicht toleriert, die Folgen der irregulären Migration und die Kosten im Sozialstaat begrenzen, und da sich jetzt geopolitisch alles ändert, müssen wir auch getroffene Grundentscheidungen verändern.“

Einigkeit bei „Maischberger“: Fehlanzeige

Würde Deutschland erst 2050 wie alle anderen EU-Staaten klimaneutral werden statt wie geplant fünf Jahre früher, könnte man damit 750 Milliarden Euro sparen, sagt Lindner - und beruft sich dabei auf Gutachten. „Durch eine andere Form der Ausgaben haben wir die Mittel, nicht nur die Sicherheit zu stärken, sondern auch Bildung und Infrastruktur zu modernisieren.“

Esken: „Ich will ganz klar sagen, dass es zumindest mit mir als SPD-Parteivorsitzende ganz bestimmt keine Politik gibt, die in diesem Land den Sozialstaat rasiert, die wieder auf Menschen herabblickt, die mit geringen Einkommen jeden Tag ihr Leben zu stemmen versuchen, und ganz bestimmt auch keine Politik, die nach den Steuerkonzepten von CDU, FDP und auch der AfD den Reichsten in diesem Lande zugutekommt und bei den Armen spart. Das machen wir nicht mit. Das ist vollkommen klar.“

Die Bundesrepublik müsse wieder wettbewerbsfähig werden, sagt Lindner. Darum wolle die FDP den Mittelstand entlasten. Esken ist da ganz anderer Meinung: Die FDP wolle die reichsten Menschen mit Steuergeschenken entlasten.

Einigkeit: Fehlanzeige. Doch da gab es mal vor über fünfzig Jahren einen Schlager: „Du, sag einfach du.“ Dann klappt's auch mit dem Rest. Und die beiden Politiker sagen „Du“. Und nennen sich beim Vornamen. Vielleicht ist da doch schon eine ganz kleine Annäherung in Sicht. (tsch)