Am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz befragte ARD-Talkerin Sandra Maischberger den ukrainischen Präsidenten zu den Perspektiven seines Landes. Der neuen US-Administration zeigte Wolodymyr Selenskyj Grenzen auf. Europa warnte er vor Putins möglichen Angriffsplänen.
Im Maischberger-InterviewSelenskyj warnt vor Putins Hunger: „Europa ist heute schwach“
Mit deutlichen Worten hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj kritisiert, seinem Land eine Beitrittsperspektive zur NATO zu verwehren. Im Gespräch mit ARD-Talkerin Sandra Maischberger am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz sagte Selenskyj: „Man kann das nicht einfach vom Tisch nehmen. So funktioniert das nicht. Ich glaube, dass niemand an einem Afghanistan 2.0 interessiert ist.“
Der Rückzug westlicher Truppen aus Afghanistan war 2021 chaotisch verlaufen und hatte eine umgehende Rückkehr der Taliban-Regierung ermöglicht. Damals habe „fehlender Respekt vor Menschenleben“ zu einer „Tragödie“ geführt, sagte Selenskyj. „Es gibt also Erfahrungen damit, was passiert, wenn jemand etwas undurchdacht beendet und sich sehr schnell zurückzieht.“
Selenskyj: „Der Krieg ist leider auf unserem Boden“
Genau das droht im von Russland angegriffenen Land zu passieren, seit der neue US-Präsident Donald Trump den Dialog mit Wladimir Putin sucht – bislang über die Köpfe der Ukraine sowie ganz Europas hinweg. Absprachen, die ohne die Ukraine getroffen würden, seien „zwecklos, weil der Krieg bei uns ist, leider auf unserem Boden“, wie Selenskyj bekräftigte.
„Alles, was Russland und die USA vereinbaren können, wenn sie überhaupt etwas vereinbaren wollen, betrifft ihre bilateralen Beziehungen. Sie können ganz sicher nicht über unsere Menschen und unsere Leben verhandeln. Über ein Ende des Krieges ohne uns. Wir sind ein eigenständiger Staat.“
Der ukrainische Präsident betonte zudem, dass er nicht bereit sei, dauerhaft auf Teile des Staatsgebiets zu verzichten: „Juristisch werden wir unsere Gebiete nicht aufgeben“, sagte Selenskyj. Er zeigte sich überzeugt: „Natürlich werden wir alles wieder zurückbringen. Die Achtung des internationalen Rechts wird zurückkehren. Wenn nicht heute, dann morgen.“
„Unsere Analyse zeigt, dass Russland darüber nachdenkt, NATO-Staaten anzugreifen“
Kurzfristig ist sich Selenskyj bewusst, dass es einen „Sieg der Ukraine (...) ohne Unterstützung der USA definitiv nicht geben“ werde. Auch weil die europäischen Verbündeten trotz aller Anstrengungen noch immer große militärische Defizite hätten. „Europa ist heute schwach“, konstatierte er in Bezug auf Truppenstärke, die Anzahl der Kampftruppen, Flotte, Luftwaffe und Drohnen.
In diesem Zusammenhang warnte Selenskyj vor einem möglichen Angriff durch russische Truppen über den verbündeten Nachbarstaat Belarus. Russland sei gerade dabei, 15 neue Divisionen aufzubauen. Im Sommer oder Herbst könnte das Land dann über 150.000 zusätzliche Soldaten verfügen.
Diese könnten dann versuchen, „den ersten NATO-Staat anzugreifen. Ein NATO-Land, das nicht so groß ist und über ein Truppenkontingent verfügt, das nicht ausreichend ist. Das könnte Litauen sein - oder Polen. Dieses Risiko besteht. Unsere Analyse zeigt, dass Russland darüber nachdenkt, NATO-Staaten anzugreifen.“
Das aufgezeichnete Gespräch mit Wolodymyr Selenskyj ist in der ARD-Mediathek zu sehen sowie in der aktuellen „Maischberger“-Ausgabe am Dienstag, 18. Februar, 23.05 Uhr. (tsch)