ARD-„Wahlarena“Als Olaf Scholz über Rente spricht, korrigiert ihn ein Zuschauer – „das ist nicht passiert“

Pflege, Bildung, Rente, Mieten, Wirtschaft, die Klimakrise und Migration: In der ARD-„Wahlarena“ hatten 150 ausgewählte Bürgerinnen und Bürger am Montagabend (17. Februar 2025) die Gelegenheit, den Spitzenkandidaten von Union, SPD, AfD und Grüne live „alle wichtigsten Fragen“ zu stellen.

An einem Tisch - so sah man Bundeskanzler Olaf Scholz und Union-Kanzlerkandidaten Friedrich Merz in der ARD-„Wahlarena“ am Montagabend. Allerdings nur kurz, denn von einem Miteinander wollten beide nichts wissen. „Das ist eine kühne These, die Sie hier verkünden“, reagierte Merz irritiert, als Moderator Louis Klamroth Umfragen zitierte, dass die CDU/CSU mit der SPD und einer dritten Partei die Regierung bilden könnte.

„Jetzt wählen wir erst mal am Sonntag“, ruderte Merz zurück. „Kann ja durchaus sein, dass Sie beide in einer Regierung landen“, sagte Klamroth mit Blick auf Olaf Scholz. Merz: „Das halten wir beide für relativ unwahrscheinlich.“ - „Wo er recht hat, hat er recht“, stimmte ihm Scholz lachend zu, „ich will Kanzler bleiben, er will es werden. Und die Bürgerinnen und Bürger entscheiden.“

Friedrich Merz (CDU): Müssen die „Ärmel aufkrempeln“

Wie – darüber ist ein Drittel sechs Tage vor der Wahl unschlüssig. Um eine Entscheidungshilfe zu geben, stellten sich neben Merz und Scholz auch Alice Weidel (AfD) und Robert Habeck (Grüne) den Fragen von 150 Menschen live im Studio.

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„Auf los geht es los“, leitete Moderatorin Jessy Wellmer die erste Runde mit Merz ein: Welche Belastung auf Deutschland zukäme, wollte ein Unternehmensberater wissen.

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„Zumutung kriegen Sie von uns“, hielt der CDU-Politiker ein Plädoyer dafür, die „Ärmel aufzukrempeln“ und gemeinsam eine größere Wirtschaftsleistung zu erarbeiten. Konkret wollte er Totalverweigerern das Bürgergeld entziehen.

„Da sind wir uns nicht einig“: Beim Thema Migration war Friedrich Merz (CDU) anderer Meinung als eine Fragestellerin aus dem Publikum.

„Da sind wir uns nicht einig“: Beim Thema Migration war Friedrich Merz (CDU) anderer Meinung als eine Fragestellerin aus dem Publikum.

Doch es ging nicht nur um Wirtschaftsthemen: „Schade, dass ich das Thema wieder aufbringe“, wies eine Frau darauf hin, dass beim Attentat in Aschaffenburg psychische Erkrankungen im Spiel waren.

„Wieso erwarten Sie sich, dass Ihre strenge Einreisepolitik das Problem lösen soll, dass psychische Krankheiten von Menschen mit Migrationshintergrund nicht ausreichend behandelt werden?“, ging sie auf Konfrontation und erntete Applaus. „Werden Sie sich darum kümmern, dass die Menschen, die hier sind, adäquate psychologische Hilfe erhalten?“

„Die Partei kennt mich gut, ich kenne die Partei“, sagte Alice Weidel (AfD), als sie auf ihre eigene Beziehung angesprochen wurde.

„Die Partei kennt mich gut, ich kenne die Partei“, sagte Alice Weidel (AfD), als sie auf ihre eigene Beziehung angesprochen wurde.

Eine klare Antwort blieb Merz ihr schuldig: „Ich werde dafür sorgen, dass Menschen, die keine Aufenthaltsberechtigung haben, das Land verlassen“, betonte er stattdessen. „Das ist nicht der Grund für Attentate“, beharrte die Frau. „Da sind wir uns nicht einig“, zeigte sich der Kanzlerkandidaten ebenso stur.

Olaf Scholz (SPD): „Das hat die Rente stabil gemacht“

„Seit 30 Jahren bin ich in der Pflege tätig und konnte nach 45 Jahren in die Rente gehen. Es reicht nicht, also gehe ich weiterarbeiten (...). Ist das gerecht?“, ging es emotional weiter, nachdem Merz nach 30 Minuten die Bühne für Amtsinhaber Scholz geräumt hatte.

„Toll, dass Sie so lange gearbeitet haben“, klang die Antwort des Kanzlers etwas hohl. Erst recht, als er sich rühmte, durch den Pflegemindestlohn eine „Trendwende“ erreicht zu haben.

„So viel wie heute ist noch niemals in Deutschland gearbeitet worden, das hat die Rente stabil gemacht“, könne man sich bei ihm in diesem Bereich auf drei Dinge verlassen: keine Anhebung des gesetzlichen Rentenalters, Garantie des Rentenniveaus, und dass man „etwas früher in Rente geht ohne Abschläge, ist weiterhin gerecht“.

Es sei wichtig, dass die Leute mit der Rente zurechtkämen. Dass ihm die Dame ins Wort fiel („Das kann ich nicht“), überhörte der SPD-Politiker. Experten sprächen dagegen, aber „80 Prozent der Bürger sehen es wie Sie“, präsentierte er sich als Volkskanzler. „Ich bin Ihrer Meinung. Wir können uns das Rentenniveau leisten.“

Robert Habeck (Grüne) sprach über das Klima: „Meine Wahlempfehlung kennen Sie ja.“

Robert Habeck (Grüne) sprach über das Klima: „Meine Wahlempfehlung kennen Sie ja.“

Bis 2030 – danach drohe die Pleite, korrigierte ihn ein Mann später und wollte sich nicht mit den „politischen Floskeln“ abfinden: „Sie waren in der Regierung und hätten die Möglichkeit gehabt, den Leuten eine sichere Rente zu geben. Das ist nicht passiert.“

Den Vorwurf musste sich Scholz öfter anhören: „Was machen Sie konkret, dass die Mieten nicht ins Unendliche steigen?“, fragte ein Zuschauer. Scholz sprach von starkem Mietrecht, Mietspiegel, Mietpreisneubegrenzung und dem Bau bezahlbarer neuer Wohnungen. Dass schon die Ampelregierung Letzteres angekündigt und nicht mal die Hälfte gemeistert hätte, läge daran, dass Rahmenbedingungen zu schaffen waren. „Ich übersetze“, unterbrach ihn Klamroth, „wir brauchen noch einmal vier Jahre, dann kommen die ganzen Sozialwohnungen“.

Alice Weidel (AfD): „Die Partei kennt mich gut, ich kenne die Partei“

So sehr sich Klamroth auf den Kanzler eingefahren hatte, versuchte Wellmer die Spitzenkandidatin der AfD im Griff zu behalten: Als Alice Weidel sich dafür aussprach, „zwischen Asyl und Zuwanderung zu unterscheiden“ und die Trennung gesetzlich vorzunehmen, wollte es die Journalistin genau wissen. Was passiert mit jemandem, der im Duldungsstatus als Pflegeazubi in Ausbildung steckt: „Muss der gehen?“

„Der Staat sollte sich an die eigenen Gesetze halten, das tut er seit zehn Jahren nicht“, wich die Politikerin aus, doch Wellmer blieb beharrlich. „Diese Leute müssen konsequenterweise das Land verlassen“, bekam sie schließlich eine Antwort. „Aber ein Pflegeazubi kann qualifiziert zuwandern.“

Zufrieden stellte Wellmer diese Aussage nicht - und sie war damit nicht alleine: „Auf der einen Seite sagen Sie, die, die die Duldung nicht haben, sollen gehen. Aber wenn sie eine Qualifizierung haben, können sie wiederkommen, was ist das denn?“, empörte sich eine Dame im Publikum. „Jeder, der qualifiziert ist, ist herzlich willkommen“, fühlte sich Weidel sichtlich missverstanden.

„Hart aber fair“-Moderator Louis Klamroth und „Tagesthemen“-Sprecherin Jessy Wellmer präsentierten die ARD-„Wahlarena“.

„Hart aber fair“-Moderator Louis Klamroth und „Tagesthemen“-Sprecherin Jessy Wellmer präsentierten die ARD-„Wahlarena“.

Die „Frage aller Fragen“ kam zum Schluss: „Wie passt Ihr Lebensentwurf zum Programm der AfD, in dem ausdrücklich die Ehe zwischen Mann und Frau und vielen Kindern propagiert wird?“, wollte eine Zuschauerin wissen. „Ich bin froh, dass ich das aufklären kann“, erklärte Weidel, dass das Leitbild - Familie als Keimzelle der Gesellschaft – für sie genauso gelte. „Sie glauben, dass Herr Hoecke das auch so sieht?“, erntete ein Kommentar Applaus und Lacher aus dem Publikum.

„Die Partei kennt mich gut, ich kenne die Partei“, antwortete Weidel. Sie gehe davon aus, dass die gleichgeschlechtliche eingetragene Lebenspartnerschaft mit dem Rechtsstatus der Ehe gleichgesetzt wäre. Klamroth wies auf einen Kommentar aus dem Publikum hin: „Dann erzählen Sie das Ihrer Partei!“

Robert Habeck (Grüne): „Hinter dem Wort technologieoffen verbirgt sich der Angriff auf die Klimaziele“

Auch Grünen-Kandidat Robert Habeck wurde auf die Herausforderungen im Wohnbau angesprochen: „Zum Teil haben wir Gesetze in die Wege geleitet“, meinte er, gab aber zu: „Wir hätten – und das ist ein großer Fehler – zu Beginn der Legislatur ein großes Konjunkturpaket packen sollen und Bauen durch Zuschüsse unterstützen sollen, damit der Baumarkt nicht in die Knie geht. Das haben wir nicht getan.“

Um die Baubranche mitanzukurbeln, würde er zudem auf Investitionsprämien setzen, „das würde die Investitionszurückhaltung lösen, entbindet aber nicht von struktureller Arbeit“, erklärte er.

Bei der Frage, welches Thema im Wahlkampf zu wenig angesprochen worden sei, hatte er sofort eine Antwort parat: Klimaschutz - interessanterweise das Thema, bei dem sowohl Merz als auch Scholz ebenfalls bedauert hatten, dass es unterginge. Gerade am Klimakonzept der Union, das laut Merz „nicht mit mehr Regulierung, sondern mit Technologie- und Innovationsoffenheit“ überzeugen wolle, hatte Habeck einiges zu kritisieren: „Hinter dem Wort technologieoffen verbirgt sich der Angriff auf die Klimaziele“, regte er sich auf.

„Wenn die USA ausfällt, ist das schlimm, aber auszuhalten. Aber wenn sich Deutschland verabschiedet, dann ist Europa nicht mehr zu halten - deshalb ist diese Wahl immer eine Klimawahl. Und meine Wahlempfehlung kennen Sie ja.“ (tsch)