Schauspielerin ChrisTine Urspruch hat über ihre „Tatort“-Rolle, ihr Leben und darüber, was sie von ihrem Rollen-Spitznamen „Alberich“ eigentlich hält, gesprochen.
„Tatort“-Star ChrisTine UrspruchDarum war „Alberich“ noch nie bei einer Obduktion
Kleine Rolle, große Wirkung: Seit fast einem Vierteljahrhundert steht Christine Urspruch (54, sie selbst schreibt sich gern ChrisTine) als Rechtsmedizinerin Silke Haller im Münster-„Tatort“ vor der Kamera. Am 15. Dezember 2024 erleben wir die gebürtige Remscheiderin in ihrem neuesten Fall. Diesmal heißt es „Man stirbt nur zweimal“.
Und wieder sorgt sie dafür, dass der schnöselige Prof. Karl-Friedrich Boerne (gespielt von Jan Josef Liefers, 60) nicht vollkommen abhebt. Ihre Hinweise führen zum Ziel der kriminalistischen Arbeit.
ChrisTine Urspruch: „Meine ‚Tatort‘-Rolle spiele ich sehr, sehr gerne“
Das erste Viertel dieses Jahrhunderts haben wir geschafft. Eine gute Zeit für Sie?
ChrisTine Urspruch: Beruflich war es eine sehr gute Zeit. Gleich im Jahr Eins des Jahrhunderts habe ich „Das Sams“ gedreht, meinen ersten großen Kinofilm, und in dem Zusammenhang bekam ich das „Tatort“-Angebot. Denn für die Rolle der Silke Haller hatte mich Ulrich Noethen, der im „Sams“ den Herrn Taschenbier spielte, der „Tatort“-Produktion empfohlen.
Ungewöhnlich, eine Rolle 25 Jahre zu spielen. Ist das befriedigend für eine Schauspielerin, oder kommt zu viel Routine ins Spiel?
ChrisTine Urspruch: Es ist eine ganz beglückende Sache. Ich spiele die Silke Haller, Alberich genannt, sehr, sehr gerne. Das hat eine Kontinuität und bringt eine besondere Qualität mit, weil ich mich immer weiter entwickeln kann.
Sie haben gerade den Namen Alberich genannt – das ist der Name des Zwergenkönigs in der germanischen Mythologie und der Spitzname, mit dem Prof. Boerne Sie belegt. Das hat schon zu großen Diskussionen im Netz geführt, weil damit kleinwüchsige Menschen diskriminiert würden. Ist der Name schlimm für Sie?
ChrisTine Urspruch: Ich finde ihn im „Tatort“ in Ordnung. So spricht mich nur Prof. Boerne an, für alle anderen bin ich Silke Haller. Und bei Boerne wirkt es, als wolle er in Wirklichkeit „Schatz“ oder „Liebling“ sagen. Es gibt natürlich auch bei der Produktion immer mal Diskussionen, weil man mit der Zeit gehen möchte.
Wie ist es eigentlich montags nach einem „Tatort“ – werden Sie am Tag danach immer noch besonders angesprochen?
ChrisTine Urspruch: Das ist immer noch so. Natürlich sehen uns inzwischen viele Menschen schon vorher in der Mediathek zu, aber noch mehr sind immer noch sonntags dabei, und das merke ich dann am Montag, wenn ich rausgehe. Damit kann ich gut leben. Es ist schön zu sehen, dass unser Tatort immer noch so wertgeschätzt wird. Klar kommen auch kritische Anmerkungen, aber es ist auch gut, dass nicht alles nur in den Himmel gelobt wird – obwohl es beim Münster-„Tatort“ allermeistens so ist.
Werden Sie auf der Straße als Alberich oder Frau Haller gegrüßt?
ChrisTine Urspruch: Alberich liegt immer noch vorn. Da stört mich auch nicht. Ich finde so etwas nur despektierlich, wenn mir das lauthals jemand entgegen- oder hinterherbrüllt „Hallo, Alberich!“. In solchen Fällen schalte ich dann auf Durchzug. Man ist als Schauspielerin ja oft „Everybody's Darling“ – aber das hat auch seine Grenzen.
Wie würden Sie Ihre Rolle – die der Silke Haller – beschreiben?
ChrisTine Urspruch: Ich glaube, ich bin die gute Seele des „Tatorts“. Ich hole alle auf den Boden zurück – vor allem Professor Boerne. Dazu hat sie sich in den letzten Jahren so entwickelt, dass sie oft die entscheidenden Hinweise gibt, wir auch im aktuellen Fall. Finde ich sehr schön, dass Alberich auch ihrem Spürsinn nachgehen kann und in den einzelnen Fällen zur Detektivin wird. Ich habe manchmal das Gefühl, ich entwickle mich zu einer Miss Marple.
Sie üben im „Tatort“ einen Beruf aus, der nicht überall beliebt ist – sehr viel Blut, sehr viele schreckliche Sachen. Haben Sie mal an einer echten Obduktion teilgenommen?
ChrisTine Urspruch: Nein, obwohl es da viele Einladungen gab. Aber ich habe mir mal in einer echten Pathologie menschliche Teile erklären lassen. Das kostete mich ein bisschen Überwindung – aber es war auch sehr interessant.
Verblüffend, dass die Stadt Münster gleich zwei große Krimis hat. Der „Wilsberg“, der in Münster spielt, ist ja fürs ZDF fast genauso wichtig wie Ihr „Tatort“ für die ARD ...
ChrisTine Urspruch: Und da „Wilsberg“ zum großen Teil auch in Köln gedreht wird, treffe ich Leonard Lansing, den „Wilsberg“, oft im Kölner Savoy Hotel, und wir tauschen uns über Münster aus.
Wie wär's, wenn „Wilsberg“ und „Tatort“ mal zusammen gedreht würden?
ChrisTine Urspruch: Fände ich wirklich schön, kann ich mir sehr gut vorstellen. Das würde sicherlich eine gelungene Folge – und beide hätten was davon.
Sie sind im Rheinischen groß geworden, leben aber im Allgäu. Wenn Sie zum Dreh nach Köln kommen – ist das ein Weg zur Arbeit oder in die Heimat?
ChrisTine Urspruch: Das ist wie Nachhausekommen. Es ist mir alles sehr vertraut – von der Sprache bis zur Landschaft. Die Mentalität der Menschen, das offene, sehr Direkte. Und meine Familie lebt hier – meine Mutter in Remscheid, meine Schwester in Wuppertal. Da gibt es immer ein schönes Wiedersehen.
Kein Heimweh?
ChrisTine Urspruch: Ich lebe mittlerweile seit 16 Jahren in Wangen im Allgäu, das ist eine wunderschöne Stadt und eine wunderschöne Gegend. Aber ich bin durch meine Dreharbeiten viel unterwegs. Zum Beispiel habe ich gerade in Leipzig drei neue Folgen meiner Anwältinnen-Reihe „Einspruch, Schatz“ abgedreht, die dann im nächsten Jahr gezeigt werden.
Sie sind sehr erfolgreich in Ihrem Beruf. Stimmt es, dass Sie in Wirklichkeit zuerst gar nicht Schauspielerin werden wollten?
ChrisTine Urspruch: Stimmt nicht. Ich wollte immer Schauspielerin werden, habe mir das nur nicht zugetraut, als ich jung war. Ich hatte damals gedacht, dass ich dann zeit meines Lebens auf Zwerge oder Märchenfiguren festgelegt bin, und das wollte ich nicht. Deswegen habe ich erst ein Lehramtsstudium begonnen, ohne wirklich Lehrerin werden zu wollen.
Wann war Ihnen klar, dass Schauspielerin besser für Sie ist?
ChrisTine Urspruch: Mitte der 90er, als ich in Bonn, wo ich fast zehn Jahre regelmäßig als Gast engagiert war, im Hamlet die Ophelia spielen durfte. Dass ich mit der Rolle beauftragt wurde, war für mich ein besonderer Ritterschlag. Das war der Durchbruch.
ChrisTine Urspruch: „Ich bin eine Deko-Maus“
Bald ist Weihnachten. Haben Sie sich auf den Weihnachtsmärkten mit Glühwein & Co. aufs Fest eingestimmt?
ChrisTine Urspruch: Glühwein ist nicht meins, Weihnachtsmärkte dagegen mag ich sehr, ich genieße sie. Und da ich eine Deko-Maus bin, sieht es zu Hause schon seit einiger Zeit wie Weihnachten aus – so früh wie in diesem Jahre habe ich noch nie damit angefangen.
Wie feiern Sie Heiligabend?
ChrisTine Urspruch: Ganz traditionell, so wie es schön ist. In der Wohnung werden zur Bescherung die Kerzen am Baum leuchten, ich werde mit meiner Tochter und einigen Freunden zusammensitzen und feiern. Am 1. Weihnachtstag fahre ich dann zu meiner Mutter ins Bergische Land. Da gibt es dann wieder ganz klassisch den traditionellen Weihnachtskuchen und abends Würstchen mit Kartoffelsalat. Alle Jahre wieder – und alle Jahre wieder ist das sehr schön.
Was ist Ihr großes Ziel für 2025?
ChrisTine Urspruch: Beruflich habe ich viel zu tun – und privat erfülle ich mir einen langgehegten Traum. Ich habe in Wangen einen wunderschönen Raum angemietet, den ich für kulturelle Zwecke nutzen möchte. Ich habe da tolle Ideen – schon deswegen freue ich mich aufs neue Jahr.
ChrisTine Urspruch: In Lennep ging sie aufs Gymnasium
ChrisTine Urspruch (geboren am 16. September 1970 in Remscheid) besuchte das Röntgen-Gymnasium in Lennep. Später Deutsch- und Englischstudium auf Lehramt. Sie war Mitglied der Theatergruppe „Brot und Spiele“, erste Engagements am Theater Bonn. 1998 spielte sie im Kurzfilm „Independent“ mit. Ab 2000 dann die Rolle des „Sams“ in „Das Sams“ (2001 im Kino), „Sams in Gefahr“ (2003) „Sams im Glück“ (2012).
Seit 2002 ist sie Rechtsmedizinerin Silke Haller, genannt „Alberich“, im Münster-„Tatort“. Von 2014 bis 2019 spielte sie Kinderärztin Dr. Klein in der gleichnamigen ZDF-Reihe. Seit 2023 ist sie in der ZDF-Reihe „Einspruch, Schatz!“ dabei. ChrisTine Urspruch lebt in Wangen im Allgäu. Sie war von 2000 bis 2004 mit Schauspieler und Autor Frank Dukowski (57) verheiratet. 2007 heiratete sie Theaterregisseur Tobias Materna (53). Die beiden sind seit 2014 getrennt. Sie haben die gemeinsame Tochter Lilo (20).