Das Jahr des 1. FC Köln begann in höchster Abstiegsnot und endete auf Platz acht der Bundesliga. Der EXPRESS.de-Rückblick auf 2021.
Tops und Flops des FC-JahresKölsche Coups, Trennungen und Emotionen – der XXL-Rückblick
Der 1. FC Köln hat in seiner bewegten Historie schon viel erlebt – aber 2021 war selbst für Geißbock-Verhältnisse ein verrücktes Jahr. Abstiegsangst pur, neue Euphorie, drei Trainer, Corona-Sorgen, dazu die vielen Personal-Entscheidungen in der Chefetage. EXPRESS.de nimmt sie noch einmal mit auf eine emotionale Achterbahnfahrt, blickt zurück auf die wichtigsten Momente des FC-Jahres.
1. FC Köln: Jahresrückblick 2021
Die Kaugummi-Entlassung: In der Saison 2019/20 führte Markus Gisdol (52) den FC mit einem Mega-Zwischenspurt zum Klassenerhalt. Doch anschließend ging kaum noch was unter seiner Trainer-Regie. 2021 begann mit einer 0:1-Niederlage gegen Augsburg am 2. Januar, eine Woche später folgte die 0:5-Blamage in Freiburg. Gisdols Entlassung zog sich dennoch wie ein Kaugummi. Erst nach dem 2:3 gegen Mainz am 11. April (und dem Sturz auf Platz 17 nach nur zwei Punkten aus acht Spielen) zog Sportboss Heldt die längst überfällige Reißleine, setzte seinen Nachbarn vor die Tür. Heldts Erklärung: „Wir müssen Ergebnisse erzielen. In dieser Hinsicht haben wir in den letzten Wochen stagniert. Mit einem Trainerwechsel wollen wir der Mannschaft einen neuen Impuls geben.“ Gisdol ging mit einem Schnitt von 1,07 Punkten in seinen 54 FC-Partien weit unten in Kölns Trainer-Historie ein.
Das große Missverständnis: Am 25. Januar verkündete der FC die Verpflichtung von Emmanuel Dennis (24). Der Leih-Stürmer aus Brügge sollte die kölsche Tor-Krise beheben und den Klub zum Klassenerhalt ballern – entpuppte sich aber als riesiges Missverständnis! Null Liga-Tore, am Ende stand er nicht mal mehr im Kader. Dennis später: „Ich fühle mich schuldig, weil ich dem Verein nicht helfen konnte.“ Was der Nigerianer wirklich kann, zeigt er nun in der Premier League beim FC Watford (8 Tore, 5 Vorlagen in der Hinrunde). Bitter: Auch Heldts zweiter Winter-Transfer Max Meyer (26) floppte.
Der meisterhafte Aufstieg: Gerade mal elf Spieltage dauerte die Mission Wiederaufstieg für die Frauen des 1. FC Köln, dann durfte gefeiert werden. Nach einem 1:0-Sieg gegen Hoffenheim II am 2. Mai war die direkte Rückkehr ins Oberhaus perfekt, wenig später auch die Meisterschaft in der 2. Bundesliga Süd. Nun hat das Team von Trainer Sascha Glass (49) den ersten Klassenerhalt der Historie fest im Visier, ist mit satten 13 Punkten Vorsprung auf die Abstiegsplätze blendend unterwegs. Sportchefin Nicole Bender (39) sagt: „Wir sind mit der Hinrunde sehr zufrieden, aber wir wollen und müssen im neuen Jahr weiter auf Punktejagd gehen. Wenn wir am Ende der Saison immer noch auf Platz sieben stehen, dann wäre dies eine erfolgreiche Saison für uns.“
Das wichtigste Tor: Ohne dieses Tor müsste sich der FC jetzt mit dem HSV, St. Pauli & Co. um den Aufstieg streiten. Sebastiaan Bornauw (22) köpfte Köln am 22. Mai, in der 86. Minute des letzten Spieltags gegen Schalke, mit seinem 1:0 doch noch in die Relegation, verhinderte den sicheren Abstieg. Auch wenn es schönere Treffer gegeben hat – für das FC-Tor des Jahres kann es nur diese eine Wahl geben! Bornauw, nach Saisonende zum VfL Wolfsburg gewechselt, damals: „Das war das wichtigste Tor bisher in meiner Karriere.“
Die kuriosesten Interviews: Nicht nur auf dem Platz, auch vor den Kameras blieben einige FC-Auftritte im Gedächtnis. Besonders zwei Interviews. Zunächst Jonas Hectors (31) Frust-Auftritt nach der 0:1-Hinspiel-Niederlage in der Relegation gegen Holstein Kiel am 26. Mai. Auf die Frage von DAZN-Mann Sebastian Benesch (33), wie leer er sich fühle, antwortete der Kapitän: „Immer diese scheiß Fragen. Das ist ja ihr Job, dumme Fragen zu stellen, das machen sie gut.“
Tony Modeste stand nach seinem 2:2-Doppelpack gegen Leverkusen am 24. Oktober bei einem internationalen Reporter am Mikro, der auf Englisch loslegte. Modestes Antwort: „Kannst du nicht Deutsch reden?“ Nachdem sich die beiden auf Englisch geeinigt hatten, die nächste Frage: „How does it feel?“ Tony grinsend: „Gut“. Dann mussten beide lachen! Das Video wurde zum Hit in den sozialen Netzwerken.
Der Retter: Eigentlich wollte er nicht mehr arbeiten. Doch die Corona-Pandemie machte seinen Reiseplänen einen Strich durch die Rechnung und so unterbrach Friedhelm Funkel (68) für seine alte Liebe, den 1. FC Köln, seine Trainer-Rente. Ein Glücksfall für die Geißböcke! Zehn Funkel-Punkte in sechs Liga-Spielen reichten nach dem Gisdol-Aus noch für Rang 16. In der Relegation feierte Köln durch einen 5:1-Rückspiel-Triumph in Kiel am 29. Mai trotz Hinspiel-Pleite den Klassenerhalt, Sorgen-Stürmer Sebastian Andersson (30) traf doppelt. Und Funkel verabschiedete sich wieder in den Ruhestand: „Ich bin vollkommen platt, aber glücklich. Glücklich, dass diese Mission erfolgreich abgeschlossen wurde. Das freut mich für den Verein, die Fans, die Leute in der Stadt Köln, es ist einfach toll.“
Der Blitz-Rauswurf: Einen Tag nach dem Relegationssieg, am 30. Mai, wartete auf Horst Heldt (52) ein Termin mit dem Vorstand – an dessen Ende er nicht mehr Geschäftsführer des 1. FC Köln war. Heldt ging von einer Saisonanalyse aus, stand lange Rede und Antwort, und erfuhr schließlich von seiner Entlassung. Präsident Wolf erklärte: „Wir wissen, wie sehr er unseren Verein im Herzen trägt – entsprechend ist uns der Schritt nicht leichtgefallen. Aber wir können mit der Zusammenstellung des Kaders und der sportlichen Entwicklung in der abgelaufenen Saison nicht zufrieden sein.“ Zu viele Flops, zu langes Festhalten an Gisdol! Das Heldt-Aus kam nicht überraschend, die Art und Weise schon. Jörg Jakobs (51) übernahm als Interims-Sportboss gemeinsam mit den Lizenzspieler-Leitern Thomas Kessler (35) und Lukas Berg (28).
Der Trainer-Coup: Der Funkel-Nachfolger kam vom SC Paderborn, Neu-Coach Steffen Baumgart (49) legte zum 1. Juli am Geißbockheim los. Mit einer Vollgas-Ansage: „Wir reden immer über den Klassenerhalt. Aber wer mich kennt, der weiß, dass ich mehr möchte.“ Klappt! Unter Baumgart werden Totgesagte zu Leistungsträgern, statt Angsthasen-Fußball gibt es Offensiv-Spektakel zu bestaunen. Den Trainer-Coup hatte der FC noch vor dem Klassenerhalt klargemacht, trotz ungewisser Zukunft mehrere Konkurrenten ausgestochen. Damit legte der Klub den Grundstein für sein bärenstarkes zweites Halbjahr mit einer 25-Punkte-Hinrunde und Platz acht. Baumgart: „Wir sind auf einem sehr guten Weg.“
Die ersehnte Rückkehr: Das komplette erste Halbjahr musste der FC auf seine Fans verzichten, Müngersdorf wurde zum Kein-Energie-Stadion. Die Erlösung zum Start der neuen Saison: Gegen Hertha BSC waren am 15. August 16.500 Anhänger dabei, hörten sich beim 3:1-Auftaktsieg schon fast wie 50.000 an! Doppelpacker Florian Kainz (29): „Es hat richtig Spaß gemacht mit den ganzen Fans im Rücken.“ Darauf hatte der FC 533 Tage warten müssen. Köln durfte die Zuschauerzahlen anschließend kontinuierlich nach oben schrauben, bis im Dezember neue Beschränkungen kamen. Nach zuletzt 15.000 Fans gegen Augsburg und Stuttgart drohen im neuen Jahr wieder die ungeliebten Geisterkulissen.
Die Corona-Vorreiter: Als erster Bundesligist setzte der FC auf 2G im Stadion, ließ ab dem 3. Spieltag gegen Bochum am 28. August nur noch Geimpfte und Genesene ins Stadion – ein Vorbild für viele Klubs. Baumgart: „Der Verein, und darüber bin ich sehr froh, hat sich ganz klar für 2G ausgesprochen. Jetzt laufen alle in die gleiche Richtung.“ Vorbildlich auch das soziale Engagement der Geißböcke in der Pandemie, ob bei den Kölner Tafeln oder mit zahlreichen Impfaktionen. Und: Im Profi-Team sind mittlerweile alle Spieler geimpft.
Der FC in Europa: Es waren die beiden größten Jugend-Spiele der Vereins-Historie. Kölns U19 hatte sich bereits im Vorjahr für die Youth League, die Nachwuchs-Champions-League, qualifiziert. Am 29. September war es mit dem Erstrunden-Hinspiel gegen den KRC Genk endlich so weit. Die Jungs von Trainer Stefan Ruthenbeck (49) boten eine mehr als achtbare Leistung, mussten sich aber 2:4 geschlagen geben. Der Coach: „Wir haben alles rausgehauen.“ Die 1:3-Rückspiel-Pleite besiegelte das Euro-Aus – überschattet von einigen unverbesserlichen FC-Chaoten, die für Krawalle sorgten und dem Verein per Platzsturm eine Geldstrafe in Höhe von 10.000 Euro einbrachten.
Die Dauer-Enttäuschung: Der stockende Geißbockheim-Ausbau ist und bleibt das Ärger-Thema für die FC-Bosse. Eigentlich hatte der Stadtrat den Plänen schon im Juni 2020 zugestimmt. Problem: Die Kölner Politik hält sich nicht an Versprechen, blockiert den Ausbau weiter (kein Pachtvertrag für die Gleueler Wiese) und schlug zuletzt Marsdorf als Alternativ-Standort vor. Kommt für die Klub-Verantwortlichen nicht infrage, der Geduldsfaden von Präsident Werner Wolf (65) riss bei der Mitgliederversammlung am 6. November endgültig. Seine Ansage: „Wir werden uns nicht aus unserer Heimatstadt vertreiben lassen!“
Der Kölner Keller: Der Vorstand um Vize Eckhard Sauren (50) und Interims-Sportboss Jakobs nahmen sich viel Zeit für die Suche nach einem neuen Sport-Geschäftsführer und bekamen schließlich ihren Wunschkandidaten Christian Keller (43). Der bisherige Regensburg-Manager stand schon lange auf der Wunschliste der Köln-Bosse, eigentlich bereits bei der Heldt-Verpflichtung 2019. Damals war Keller noch gebunden, nun passte alles. Am 23. November verkündete der FC die Verpflichtung, nachdem EXPRESS.de exklusiv berichtet hatte. Sauren happy: „Ich bin fest davon überzeugt, dass wir mit ihm einen ausgezeichneten Fußballmanager gefunden haben.“ Am 15. Dezember legte das Präsidium nach, präsentierte mit Philipp Türoff (45, zuletzt Birkenstock) auch einen neuen kaufmännischen Geschäftsführer.
Die schönsten Siege: Zwei Spiele gegen den Erzrivalen, zwei Siege! Was die Duelle mit Borussia Mönchengladbach angeht, hätte 2021 für den FC nicht besser laufen können. Der 4:1-Derby-Triumph am 27. November war DAS Highlight der Hammer-Hinrunde. Salih Özcan (23): „Wir haben einfach geliefert und die Fans stolz gemacht.“ Bereits Anfang Februar hatte Köln dank des Doppelpacks von Elvis Rexhbecaj (24) einen überraschenden 2:1-Erfolg im Borussia-Park gefeiert – der letzte Gisdol-Sieg.
Das Märchen-Comeback: Bis zum Sommer sah es aus, als würde Anthony Modestes (33) Rückkehr als teures Missverständnis in die FC-Historie eingehen. Doch in der neuen Saison zeigt der Franzose, dass er noch immer zu den besten Stürmern der Bundesliga gehört, startet als Vierter der Torjägerliste in die Rückrunde. Elf Liga-Tore, darunter drei Doppelpacks – der letzte am 14. Dezember in Wolfsburg, inklusive Gruß an Ex-Boss Jörg Schmadtke (57): „Man sieht sich immer zweimal im Leben.“ 2022 soll das Modeste-Märchen weitergeschrieben werden. Tony: „Ich habe sehr, sehr viel investiert, das bekomme ich jetzt alles zurück.“
Der emotionale Abschied: Die letzte große Nachricht des FC-Jahres am 22. Dezember hatte sich angedeutet, war aber dennoch ein Hammer. Geschäftsführer Alexander Wehrle (46) verlässt die Geißböcke im Frühjahr 2022 nach neun Jahren, kehrt als Vorstandsvorsitzender zum VfB Stuttgart zurück. Wehrle hatte lange mit sich gerungen, erklärte nun emotional: „Köln und der FC sind zu meinem Zuhause geworden. Europa League, Abstieg, direkter Wiederaufstieg, das herausfordernde Management während der Corona-Krise – ich bin unheimlich dankbar für jeden einzelnen Tag am Geißbockheim.“
Das neue Fußballjahr beginnt für den FC am Sonntagnachmittag (2. Januar 2021), wenn die Mannschaft von Steffen Baumgart wieder ins Training einsteigt. Zum Rückrunden-Auftakt geht es am 9. Januar zu Hertha BSC.