Der Deutsche Fußball-Bund wählt in Bonn seinen neuen Präsidenten. Bernd Neuendorf tritt gegen Peter Peters an. Andreas Rettig bewertet beide Kandidaten und die Lage beim Fußball-Verband.
Freitag wird DFB-Präsident gewähltFür Andreas Rettig gibt es nur einen sinnvollen Kandidaten
Wird dieser 11. März 2022 irgendwann einmal als Wendepunkt für den deutschen Fußball stehen? An jenem Freitag findet im World Conference Center in Bonn der 98. Bundestag des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) statt. Dort wird innerhalb von nur zehn Jahren bereits der fünfte Präsident gesucht.
„Ab dem 11. März beginnt eine neue Zeitrechnung, da gehen die Uhren anders. Da bin ich sicher“, sagt Andreas Rettig (58). Der Vorsitzende der Geschäftsführung von Viktoria Köln betrachtet die Vorgänge im Profi-Fußball schon seit Jahren kritisch und mit Sorge. Der DFB, der größte Sport-Fachverband der Welt, taumelte in der Vergangenheit von einem Skandal zum nächsten.
Bernd Neuendorf (60), der Kandidat des einflussreichen Amateurlagers, gilt beim Kampf um den Schleudersitz des DFB-Präsidenten als klarer Favorit. „Ich kenne und schätze ihn. Er ist ein unbelasteter, integrer und verlässlicher Partner. Das hat er als Präsident meines Heimatverbandes Mittelrhein unter Beweis gestellt“, sagt Rettig.
Seinem Gegenpart, dem früheren Vorstand des FC Schalke 04, Peter Peters (59), wird selbst von Profi-Vereinen wie dem 1. FC Köln die Stimme verwehrt.
Für Rettig wenig verwunderlich: „Er hat einen der Top-Traditionsvereine in seiner fast 20-jährigen Verantwortung als Finanzchef nahezu in den wirtschaftlichen Ruin geführt. Auch als Aufsichtsrat der DFL ist er nicht durch kluge Entscheidungen aufgefallen. Zudem konnten wir in den vergangenen Tagen bei seinen öffentlichen Auftritten erkennen, dass er keinen moralischen, sportpolitischen Kompass besitzt und ihm die Fähigkeit der Selbstreflexion fremd ist. Dass jemand, der seit 2007 mehr oder weniger in alle DFB-Entscheidungen involviert war, nun so tut, als hätte er damit nichts zu tun und jetzt als Präsidentschaftskandidat für einen Neuanfang stehen will – mit Verlaub: Da kann ich nur den Kopf schütteln.“
Andreas Rettig: „Peters hat keinen moralischen, sportpolitischen Kompass“
Dass ein Neuanfang beim DFB dringend nötig ist, verdeutlicht nicht nur die Tatsache, dass in der Vorwoche bereits die dritte Razzia in eineinhalb Jahren beim Verband stattfand. In einer breit angelegten Umfrage der Hochschule Ansbach und der Julius-Maximilians-Universität Würzburg gaben zudem 11.725 Befragte ihre Meinung ab. 90,9 Prozent davon beurteilen das Image des DFB als schlecht oder sehr schlecht.
Statt sich mit den Untersuchungen zu beschäftigen und Lehren daraus zu ziehen, wertete der DFB die Umfrage noch vor Veröffentlichung der Ergebnisse und ohne Einblicke in die Forschungskonzeption und Datenauswertung als „tendenziös“. Sie sei „mit seriösen wissenschaftlichen Methoden nicht in Einklang zu bringen“.
Ex-Präsident Keller: „Mit Koch keine Änderung im gesamten Filz“
Beim Thema Neuanfang steht auch die Personalie Rainer Koch (63) im Weg. Der Interims-Präsident ist laut Ex-Präsident Fritz Keller (64) der „Strippenzieher, ein Spaltpilz“. Daher müsse dieser unbedingt seine Posten verlieren. „Er lebt von der Intrige. Sein System ist das des Beschwörens von falschen Feindbildern, des Druckausübens. Wenn er wieder ins Präsidium gewählt wird und man sich nicht von ihm distanziert, wird es keine Offenheit, keine Transparenz und keine Änderung in diesem gesamten Filz geben“, sagte er.
Dazu passt, dass die drei früheren DFB-Präsidenten Keller, Reinhard Grindel (60) und Theo Zwanziger (76) in einer Erklärung an die Delegierten des DFB-Bundestags einen „echten Neuanfang“ fordern. „Beenden Sie das System Koch“, schreibt das Trio. „Machtspiele, Intrigen und Indiskretionen müssen der Vergangenheit angehören.“
Rettig hat keine Zweifel, dass dies so kommen werde. „Meines Wissens hat Koch seinen Rücktritt als erster Vize-Präsident und damit aus dem engsten Entscheidungszirkel bereits erklärt. Wer Bernd Neuendorf kennt, weiß, dass er sich nicht fremdbestimmen lässt.“
Bleibt noch das Problem, dass Koch Mitglied des UEFA-Exekutivkomitees ist, Peters Mitglied des FIFA-Rats. Der frühere Schalker hat als oberstes Ziel seiner Kandidatur, Kochs Zeit im DFB-Vorstand zu beenden. „Verwundert haben mich da aber Peters‘ Aussagen, dass er sich auf nationaler Ebene von Koch distanziert, sich international aber sehr wohl eine Zusammenarbeit vorstellen kann“, sagt Rettig. Klar ist, nach der Neuwahl des Präsidenten muss auch bei den Vertretern in den internationalen Gremien ein Neuanfang her.