Jürgen Hoppe, Chef der Kölner Plattenfirma „SpektaColonia", spricht im Interview über die Sorgen der Künstler, die Auflagen des Staates für die Session und wie man Kölner Bands unterstützen kann.
Kölner MusikPlatten-Boss: Karneval hängt am seidenen Faden – wegen einer Regel
Köln. Er hat sich getraut: Vor drei Jahren gründete Jürgen Hoppe mit „SpektaColonia“ ein neues kölsches Platten-Label und hat seitdem mit drei Samplern „Kölsch un Jot – Top Jeck“ für Furore auf dem Kölner Musikmarkt gesorgt. Aufgeben trotz Pandemie? Das kommt für den Kölner Platten-Boss nicht in Frage. Dennoch erklärt er im EXPRESS-Gespräch, worunter die Künstler leiden.
Herr Hoppe, ist ihr Sampler schon fertig?Nahezu. Leider stehen wir ja eigentlich vor den gleichen Bedingungen wie im letzten Jahr. Da ist es für die Künstler alles andere als einfach, zu produzieren. Denn man hat ja definitiv auch andere Sorgen.
Gilt das für große und kleine Bands?Ich finde die Begriffe groß und klein schwierig, ehrlich gesagt. Alle Musiker haben eine Profession, ob im Haupt- oder im Nebenberuf. Klar ist, dass vermeintlich kleinere Bands es schwieriger haben und teilweise in ihre alten Berufe gegangen sind. Sie sind froh, dass sie einen Job haben – und der hat nichts mit Musik zu tun.
Wollten manche Künstler das Handtuch werfen?Nicht direkt, aber sie mussten sich einschränken. Da wurden Bandbusse abgemeldet und Proberäume gekündigt. Klar leidet darunter auch die Kreativität. Corona hat uns alle auch psychisch beschäftigt, da geht es den Künstlern nicht anders.
Bedeutet, wir bekommen einen Sampler mit vielen Balladen zu hören?Nein. Aber die Texte sind spürbar nachdenklicher geworden. Jemand hat einmal den Satz geprägt: „Aus einem traurigen Arsch kommt kein fröhlicher Furz“. Da ist schon was dran. Aber gleichzeitig kann man auch auf eine Polka einen nachdenklichen Text machen und es tut der Stimmung keinen Abbruch. Zugleich gibt es auch viele Songs, die sich mit dem Thema Aufbruch beschäftigen. Auch das stelle ich vielfach fest.
Apropos Aufbruch: So richtig planbar ist derzeit ja nichts. Keine Veranstaltung bedeutet ja auch keine Musik. Warum tun sie sich ein mögliches Minusgeschäft eines Samplers überhaupt erneut an?Weil ich daran glaube. Und weil ich glaube, dass die Menschen im Rheinland das möchten. Schauen sie mal auf die Flutkatastrophe: Da stehen die armen Menschen in der Eifel im Dreck und singen trotzdem einen Fööss-Song. Einen größeren Beweis für die Vielfalt und Emotionalität der kölschen Musik kann es doch gar nicht geben.
Was benötigen ihre Künstler denn jetzt dringend?Ganz klar: Planbarkeit und die Abkehr des Schachbrett-Musters in den Sälen. Diese Verordnung wurde unter anderen Gesichtspunkten eingeführt und gehört abgeschafft.
Meiner Meinung nach müsste sich der Staat da jetzt auch rausziehen und ich verstehe das eher als eine Privatveranstaltung des Veranstalters. Wenn dort gilt, dass Personen ohne Impfung keinen Zutritt haben, dann ist das eben so. Dann kann jeder für sich entscheiden, ob er teilnimmt.
Das Schachbrettmuster ist es aber doch nicht alleine?Nein, es kommt auf die positiven Signale an. Wie die Willi-Ostermann Gesellschaft zum Beispiel. Die sagen, sie haben eine Idee und dass sie den 11.11. durchziehen möchten. Das brauchen die Künstler, denn genau diese Aufbruchsstimmung ist jetzt wichtig.
Das sagen sie jetzt, weil sie CDs verkaufen möchten?Das sage ich aus Überzeugung, weil mir die ganze Sache am Herzen liegt. Klar bin ich Geschäftsmann. Aber um die Künstler zu unterstützen, habe ich vier Alben mitten im Lockdown veröffentlicht. Betriebswirtschaftlich hat das keinen Sinn gemacht. Denn die Plattenläden hatten zu, da gab es nur die Möglichkeit des Downloads.
Sind die Alben denn bei den Downloads gelaufen?Ja, aber das fängt bei Weitem nicht die Kosten und die fehlenden physischen Verkäufe auf. Viele Menschen stehen nach wie vor auf die CD in der Hand. Ob CD oder Download ist aber in diesen Zeiten fast schon egal. Denn mit jedem Kauf unterstützt man die Künstler direkt. Das ist jetzt wichtig.
Glauben sie an die Rückkehr in „alte“ Fahrwasser, was die kölsche Musik angeht?Kölner Musik ist nicht nur Karneval. Sie ist das Abbild eines Menschenschlags hier im Rheinland. Sie gibt Hoffnung, sie lädt zum Feiern ein, sie kann traurig sein. Trotz aller Krisen wird man die Mentalität des Rheinländers nicht ändern können. Deshalb wird die kölsche Musik ja auch ganzjährig immer wichtiger, weil sie eben das musikalische Spiegelbild unserer rheinischen Gesellschaft ist. Wenn sie mich fragen, dann wird es alsbald wieder so, wie wir es kennen. Darauf freuen sich die Menschen. Und darum ist mir um die Musik aus Köln auch keinesfalls bange.