Sie gehören zu Köln wie der Dom, der Rhein oder Karneval! Der 1. FC Köln und die Kölner Haie sind die sportlichen Aushängeschilder der Stadt. Wir trafen die Kapitäne der beiden Vereine zum Interview.
„Kriege schneller mein Fett weg“Kapitäne Kainz & Müller über Druck, bittere Niederlagen und Schwalben
Der 1. FC Köln kämpft aktuell in der Bundesliga um den Klassenerhalt, die Kölner Haie wollen ganz oben angreifen und endlich nach 2002 mal wieder einen Titel nach Köln holen.
Die beiden Vereine haben eine große Bedeutung – nicht nur für die Stadt, sondern auch für viele Menschen in der Region. Wie fühlt es sich an, Kapitän des FC oder der Haie zu sein? Wir trafen FC-Profi Florian Kainz (31) und KEC-Star Moritz Müller (37) kurz vor Weihnachten 2023 zum großen Interview am Geißbockheim.
Es entwickelte sich ein interessantes Gespräch über die Aufgaben eines Führungsspielers, Erwartungshaltungen und Druck und über die Schwalben-Kultur im Fußball oder Eishockey. Der große EXPRESS.de-Kapitänsgipfel, Teil 1:
Kapitäne unter sich: Florian Kainz trifft Moritz Müller
Florian, hast du in deiner Kindheit auch mal Eishockey auf einem zugefrorenen See in Österreich gespielt?
Florian Kainz: Nein, für mich gab es immer nur Fußball. Damit habe ich angefangen, als ich fünf Jahre alt war. Aber ich bin schon ein paarmal Schlittschuh gelaufen, wenn auch nicht gut, aber ich kann es einigermaßen.
Moritz, wie sieht es bei dir mit Fußball aus – welche Note gibst du dir als Kicker?
Moritz Müller: Wir spielen öfters ein wenig zum Aufwärmen. Ich würde sagen, dass ich da ein Durchschnittskicker bin. Für einen richtigen Fußballer aber eher schlecht (lacht).
Gab es von Kindheit an nur Eishockey für dich?
Moritz: Nein, wenn man in Deutschland aufwächst, geht am Fußball ja kein Weg dran vorbei. Ich war immer großer Fußball-Fan. Die EM 1996 und WM 1998 habe ich als Kind intensiv verfolgt. Aber selber habe ich in Deutschland nie im Verein gespielt, nur in Frankreich, wo ich ein paar Jahre gelebt habe, da habe ich mal eine Zeitlang im Verein gekickt.
Hast Du auch mal eine Schwalbe gemacht?
Moritz schmunzelt: Ich glaube nicht.
Und als Eishockey-Spieler?
Moritz: Ich hatte mal eine Situation in Wolfsburg, da bin ich von hinten in die Bande gecheckt worden. Für meine Verhältnisse bin ich zu leicht gefallen. Ich kann mich da noch genau an den Augenkontakt mit Schiedsrichter Lars Brüggemann erinnern – die Enttäuschung in seinen Augen sehe ich bis heute. Das war dann wirklich eher eine Schwalbe, ja.
Und du Florian, schon mal eine Schwalbe gemacht?
Florian lacht: Als Fußballer habe ich schon ein paar Schwalben gemacht, das muss ich zugeben.
Warum ist das eigentlich so: Fußballer neigen zu Schwalben, im Eishockey ist das verpönt?
Moritz: Ich habe meinen Schwiegervater (Thomas Eichin, Anm. d. Red., Borussia Mönchengladbach und 1. FC Nürnberg) mal gefragt, der selber Fußball-Profi war. Er meinte, dass wir es als Eishockeyspieler gut hätten, weil wir uns nach 30 bis 40 Sekunden auf dem Eis wieder ausruhen könnten bis zum nächsten Wechsel. Wenn er als Linksverteidiger die Linie dreimal rauf und runter gerannt sei, dann hätte er die Pause angenommen, wenn ihn einer touchiert hat. Aber es ist für mich auch eine Kulturfrage. Wir ahnden Schwalben ja auch innerhalb der Mannschaft. Wir wollen selber nicht, dass das passiert. Ich denke nicht, dass ihr mit euch hart ins Gericht geht, wenn einer eine Schwalbe macht, oder Florian?
Florian grinst: Wenn er eine Gelbe Karte dafür bekommt, schon.
Dann gibt es genauso wie für Gelb nach Meckern eine interne Strafe?
Florian: Ja.
Muss man als Fußballer auch theatralischer sein, damit der Schiedsrichter überhaupt pfeift?
Florian: Muss man nicht. Unser aktueller Trainer sieht das auch gar nicht gerne, wenn einer liegen bleibt oder Zeit schindet. Aber manchmal hat man schon das Gefühl, wenn im Spiel eine gewisse Dynamik ist: Wenn man laut schreit, bekommt man eher ein Foul gepfiffen.
Zuletzt gab es für beide von euch böse Klatschen. Der FC hat 0:6 gegen Leipzig, die Haie 1:7 gegen Düsseldorf verloren. Wie verhält man sich da als Kapitän?
Moritz: Es kommt natürlich auf die Gesamtsituation an, was war davor, was danach. Es gibt da keine Patentlösung. Bei unserem Spiel in Düsseldorf zum Beispiel musste in der Kabine gar nichts gesagt werden. Jedes Wort wäre da verschwendet gewesen. Ich habe mich auch nicht danach gefühlt, etwas zu sagen und es wollte auch keiner was hören. Da war es besser, das in Ruhe aufzuarbeiten.
Florian: Vollkommen richtig. Bei uns ist es auch so, dass wir schauen, wie die Spiele davor waren und welche Spiele dann kommen. Das Leipzig-Spiel war schon so ein Spiel, wo gar nichts funktioniert hat. In solchen Duellen ist es immer so: Entweder waren die anderen so gut, dass du keine Chance hattest oder es gibt ganz offensichtliche Gründe wie beim 0:5 gegen Mainz in der letzten Saison, wo es gleich zu Beginn Rot gegen uns gab und wir lange in Unterzahl waren. Ich bin dann immer ein Freund davon, es in Ruhe zu analysieren.
Muss man in diese Kapitäns-Rolle reinwachsen, weil viele Situationen neu sind?
Florian: Ja klar. Ich bin seit Sommer Kapitän, und es gibt einfach viele Sachen, die das erste Mal auf mich zugekommen sind – man führt viel mehr Gespräche. Mit dem Trainer habe ich zwar zuvor auch schon häufig geredet, aber jetzt ist es nochmal ein anderes Verhältnis. Dazu merke ich, dass viel mehr Leute auf mich zukommen, mit verschiedensten Anliegen: Ob es der Physio ist oder der Zeugwart oder auch Mitspieler. Ich bin der erste Ansprechpartner, das ist schon eine Umstellung.
Moritz Müller: Kapitän muss delegieren
Moritz, wie erinnerst du dich an deine Anfänge als Kapitän?
Moritz: Es ist genauso, wie es Florian gerade beschrieben hat. Das Spektrum an Aufgaben wird einfach viel größer. Wenn ich eins gelernt habe über die Jahre, dann ist es Sachen abzugeben. In den ersten Jahren wollte ich mich noch um alles selbst kümmern, aber dann habe ich gemerkt, dass ich bestimmte Sachen einfach nicht machen kann oder nicht machen möchte. Die muss man dann abgeben und Leute um sich herum aufbauen, die den Laden mitziehen. Sonst hat man das Gefühl, dass man alles alleine machen muss.
Sind die Aufgaben eines Kapitäns anders, wenn man gewonnen oder verloren hat?
Moritz: Das ist kein Job, der aufhört. Es gibt immer so Stimmungen und Schwankungen in der Mannschaft, die man versucht, einzufangen. Manchmal versucht man auch vorzubeugen oder eine Stimmung zu verstärken. Je nach Sieg oder Niederlage ist das anders, aber es hört nie auf.
Florian: Es ist aber ebenso wichtig, sich auf seine eigene Leistung zu konzentrieren, um damit vorangehen zu können. Da ist das Pensum manchmal schon groß, weil du natürlich immer auch versuchst, nach den Kollegen zu schauen und ihnen zu helfen.
Kostet dieses Kapitänsamt manchmal Körner, was die eigene Leistung angeht, weil man denkt, dass man noch für 20 andere die Verantwortung übernehmen muss? Besteht dann die Gefahr, dass man sich selber mal ein Stück weit verliert darüber?
Moritz: Das kann durchaus passieren. Es wird immer Phasen in der Saison geben, wo viel los ist, da muss man links und rechts Sachen erledigen. Gleichzeitig erwarten die Leute von außen, dass der Kapitän auch mit der Leistung vorangeht. Man hat ja keinen Bonus. Im Gegenteil: Man muss nach außen und nach innen funktionieren. Ich kenne das von mir, dass ich dann auch mal müde bin von den Gesprächen, der ganzen Rederei, dem Stimmungsfeld spüren und sich gleichzeitig immer verantwortlich fühlen für das Ganze. Ich habe gelernt, damit umzugehen.
Wie erlebst du das als Neuling, Florian?
Florian: Clevere Frage. Klar ist: Ich habe schon bessere Spiele gemacht. Ich habe auch noch nicht so viele Scorerpunkte gesammelt wie in der letzten Saison. Ich spüre, dass von mir in der Rolle noch mehr erwartet wird und ich bei schlechteren Leistungen sofort mein Fett wegkriege. Das ist auch völlig okay. Ich versuche mich dann mehr auf meine Leistung zu konzentrieren: Was kann ich – unabhängig von den Sachen, die ich als Kapitän zu erledigen habe – für mein Spiel verbessern. Ich will wieder dahin kommen, wo ich letzte Saison war.
Ist das besonders schwierig, weil man vorher nicht weiß, was auf einen zukommt, wenn man das Amt übernimmt?
Florian: Man muss sich schon daran gewöhnen – aber ich habe da vom Trainer, dem Trainerteam und unserer Mannschaft eine super Unterstützung. Es ist absolut keine Situation, in der ich mich nicht wohlfühle. Es ist eine Situation, in der ich wachsen kann.
Muss man als Kapitän ein besonderer Typ sein?
Moritz: Ich glaube schon, aber es gibt natürlich verschiedene Arten, die Rolle zu interpretieren. Man muss das wollen und umsetzen – das ist nicht etwas für jeden.
Florian: Das mit den verschiedenen Arten trifft es gut. Es gibt die Lautsprecher oder Typen wie zum Beispiel Jonas Hektor, die durch ihre Leistung und ihr Handeln überzeugt haben. Da habe ich mir viel abschauen können.
Wie würdet ihr euch als Typen beschreiben?
Moritz: Ich bin wahrscheinlich nicht der Jonas Hector. Ich versuche natürlich auch mit Leistung voranzugehen, ich gebe jeden Tag alles. Ansonsten bin ich einer, der eher viel spricht und versucht, die Jungs mitzunehmen, in dem ich mit gutem Beispiel vorangehe.
Florian: Für mich war wichtig, dass ich mich nicht verstelle und dass ich authentisch bin. Natürlich bin ich in der Außendarstellung und der Öffentlichkeit etwas ruhiger – aber intern sage ich schon klar meine Meinung. Ich habe einen guten Draht zu den Jungs, kenne sie bestens und weiß, wie ich mit den einzelnen Typen umgehen muss. Ich versuche auf eine vernünftige Art und Weise, viel zu reden.
Ist man als Kapitän wirklich der verlängerte Arm des Trainers oder sagt man das nur so?
Moritz: Da gehören ja immer zwei dazu. Kommt darauf an, wie der Trainer die Rolle interpretiert. Oft ist es aber so – und es kommen noch viele weitere Aufgaben dazu. Zum Beispiel ist man Ansprechpartner, wenn der Betreuer sauer ist, weil die Jungs die Wäsche nicht ordentlich in den Container geworfen haben. Man ist eben greifbar für alle. Die schwerste Aufgabe ist aber, die Mannschaft zusammenzubekommen, aus vielen Individuen ein Team hinzubekommen.
Florian: Ich würde schon sagen, dass man der verlängerte Arm des Trainers ist. Aber es kann je nach Hierarchie auch mehrere Spieler geben, die Ansprechpartner sind und Verantwortung übernehmen. Das war bei uns in den letzten Jahren immer der gesamte Mannschaftsrat.
Wie ist das mit der Fluktuation nach einer Saison? Ist das im Eishockey extremer, wenn dann neun neue Spieler kommen? Muss man die Mannschaft immer wieder neu hinter sich bekommen als Kapitän?
Moritz: Wenn man versucht, etwas in eine Richtung zu bringen, ist oft nicht der erste entscheidend, der anfängt zu laufen, sondern ob zwei, drei und vier mitlaufen. Da ist es wichtig zu erkennen, wer in der Mannschaft die tonangebenden Personen sind. Die braucht man, wenn man zusammen in eine Richtung gehen will. Am Ende machen wir sehr extreme Jobs, wo wir Menschen unter extrem viel Druck stehen, teilweise mit befristeten Arbeitsverträgen, wo die Familien mitgezogen sind. Für viele Menschen ist es oft nicht nachzuvollziehen, in welchen Situationen die Spieler sind. Das muss man aber verstehen. Ich kenne viele ehemalige Mitspieler, mit denen ich super ein Bier trinken gehen kann, was aber nicht heißt, dass sie in der Kabine die umgänglichsten Menschen waren.
Florian: Man hat, egal ob Eishockey oder Fußball, in jedem Jahr neue Mannschaften. Ich bin noch nie mit der gleichen Mannschaft in eine neue Saison gegangen. Du verlierst oft Stützen fußballerisch oder Stützen, die in der Kabine wichtig waren. Wenn du in der Vorbereitung eine Woche zusammen bist, auch beim Essen eine längere Zeit gemeinsam sitzt, dann entwickelt sich das neue Gefüge aber immer relativ schnell.
Müsst ihr für die Hierarchie sorgen, oder funktioniert das automatisch?
Moritz: Das geht automatisch, das Gefüge findet sich von alleine.
Ihr seid also die Anführer und dahinter gliedert sich das dann ein?
Moritz: Das muss nicht immer dahinter sein. Es kann auch jemand kommen, der eine starke Persönlichkeit hat und den Anspruch hat, mitzuführen. Ich sage dann nicht: ‚Ich bin die Nummer 1 und du die Nummer 2‘.
Wird man als Kapitän eigentlich gewählt oder bestimmt?
Moritz: Es gab Jahre, da wurde ich gewählt und Jahre, da wurde ich bestimmt vom Trainer. In den letzten Jahren bin ich es einfach geblieben. Aber mir ist das egal, ich stelle mich gerne zur Wahl (lacht).
Könntest du dir vorstellen, mal nicht Kapitän zu sein?
Moritz: Ja, könnte ich mir vorstellen. Ich war auch mal ein Jahr kein Kapitän – das war ein sehr entspanntes Jahr. Aber ich bin auch jemand, der gerne Verantwortung übernimmt.
Florian, wie war es bei dir? Wurdest du gewählt oder bestimmt?
Florian: Der Mannschaftsrat wurde gewählt. Daraus hat der Trainer dann den Kapitän ernannt.
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Wenn man dann Kapitän ist, ist das immer eine Ehre, oder?
Moritz: Ich habe es immer so empfunden.
Florian: Ja, das ist definitiv eine Ehre. Gerade für mich als österreichischer Spieler, der sich in Deutschland in der Bundesliga entwickelt und durchgesetzt hat, ist es schon etwas ganz Besonders.
...und für die Ehre nimmt man die Herausforderungen, die das Amt mit sich bringt, gerne in Kauf?
Florian: Es ist schon eine Herausforderung – und auch eine Chance, sich persönlich weiterzuentwickeln. Man strebt nach Verantwortung und will Führungsspieler sein. Da kann man dann auch fürs weitere Leben außerhalb vom Fußball eine Menge mitnehmen.
Moritz: Ich kann schon sagen, dass ich mit dem Amt gewachsen bin. Ich habe viel gelernt bezüglich Menschenführung.
In Teil 2 des großen Kapitäns-Gipfels geht es um die Rivalität zwischen Österreich und Deutschland, Abstiegssorgen und Entbehrungen als Profi-Sportler.