Interview

„Der korpulente Herr trägt Sakko“Bernd Stelter sagt, warum er sich nicht verkleidet – und lüftet Bier-Geheimnis

Redner und Autor Bernd Stelter (undatierte Aufnahme)

Diese Session war hart für Redner – wegen Ampel-Aus und Neuwahlen. Stelter musste sein Programm für die aufgezeichnete Fernsehsitzung am Rosenmontag deshalb mit viel Fingerspitzengefühl angehen.

Bernd Stelter hat über Höhen und Tiefen der langen Karnevalssession und sein neues Opa-Leben gesprochen. Und darüber, warum er Karneval kein Bier trinkt.

von Andrea Kahlmeier  (ak)

Und schon wieder unterbricht jemand das Interview im Kölner Maritim: „Herr Stelter, dürfte ich ein Foto ...?“ Aber sicher doch. „Früher gab es 5000 Autogrammkarten, heute sind es 5000 Selfies“, schmunzelt Bernd Stelter (63). Nicht die einzige Veränderung im Karneval.

Stelter begeistert mit Gitarre, Songs und frechen Sprüchen seit 35 Jahren jecke Fans im Rheinland. Wer würde sich also eher anbieten, um auf die Sessionen heute und früher zu schauen? Alles schlecht, nur noch Party? Von wegen. Er sieht auch Positives!

Bernd Stelter: Darum ist auch der Aschermittwoch ein schöner Tag

Die Session war lang – mit vielen Grippeausfällen auf der Bühne. Wie steht es um Ihre Gesundheit?

Alles zum Thema Rosenmontag

Bernd Stelter: Bestens. Ich musste keinen einzigen Auftritt absagen. Das liegt sicherlich aber auch daran, dass ich es mit 63 Jahren heute ruhiger angehe: Früher hatte ich 200 Auftritte, heute finde ich, 120 ist auch eine sehr schöne Zahl. Es gelingt in der Karnevalszeit nicht immer, aber ich versuche auch, täglich meine 10.000 Schritte zu gehen. Stärkt vielleicht das Immunsystem.

Mit 63 Jahren gehen viele vorzeitig in Rente. Würden Sie manchmal die Brocken am liebsten hinschmeißen, wenn das Publikum nur noch Party will?

Bernd Stelter: Klar wird es teilweise immer unruhiger im Saal. Es mangelt schon an der Grundaufmerksamkeit. Das finde ich nicht so schön. Aber das macht mir den Spaß an der Sache, das möchte ich betonen, nicht kaputt. Auch der Party-Karneval, bei dem mittlerweile fast nur noch Bands auftreten, hat seine Berechtigung. Aber ich habe natürlich an diesen Flüster- und Leisesitzungen, wenn auch die Bands oft ein bisschen unplugged spielen, mehr Freude. Und da findet man nach wie vor ein tolles Publikum. Ja, die lange Session hat wieder großen Spaß gemacht. Aber der Westfale in mir sagt auch: Aschermittwoch ist auch ein schöner Tag (lacht).

Gibt es auch Dinge, die sich im Laufe der Zeit zum Positiven verändert haben?

Bernd Stelter (denkt lange nach): Doch, da gibt es etwas, zum Beispiel bei uns Rednern. Wir haben jetzt das Glück, viele Redner zu haben, das hatten wir früher nie. Da war das immer so eine Dreier-Troika, die gebucht wurde: „Et Rumpelstilzje“ Fritz Schopps, „Botterblömche“ Hans Bols und ich. Dann Guido Cantz, Fred van Halen und ich. Marc Metzger, Guido Cantz und ich. Jetzt haben wir die letzten drei weiterhin, aber auch Martin Schopps, Volker Weininger, JP Weber, Ingrid Kühne und mehr als ein halbes Dutzend Leute. Das finde ich sehr, sehr positiv. Und dass dann zwischen all diesen Leuten noch eine große Kollegialität da ist, das ist eine sehr schöne Erfahrung. Ich habe in dieser Session z. B. auch dem Handwerker Peters einen Tipp gegeben, wo er noch einen kleinen Lacher mehr rausholen kann. Der ist wirklich prima, aber heute durchstarten als Redner ist schwer, da freue ich mich schon, dass ich vor 35 Jahren angefangen habe. Der nächste Punkt ist: Es gibt langsam mehr Frauen auf der Bühne. Kempes Feinest mit Nici als Frontfrau hat „Loss mer singe“ gewonnen. Und nicht zuletzt hatten wir ein schwules Dreigestirn, das die Session richtig gerockt hat. Das sind auch einige positive Veränderungen.

Manche Songs wie „Ich hab drei Haare auf der Brust, ich bin ein Bär“ sind längst Karnevals-Klassiker. Ihr aktuelles Stück „Kind vom Dorf“ geht auch mächtig ab. Haben Sie es geahnt?

Bernd Stelter: Ja, das freut mich, denn eigentlich sind wir doch alle Kinder vom Dorf – Bickendorf, Sinnersdorf, Düsseldorf (lacht). Dass der Song „Kind vom Dorf“ so richtig reinknallt, auch auf Spotify und Co, das war für mich eine sehr positive Überraschung, weil das Lied eigentlich aus dem Kabarettprogramm war. Aber geahnt? Wer kennt schon die Zutaten für Erfolg?

Bernd Stelter und Andrea Kahlmeier beim jecken Interview im Maritim

Jeck: Bernd Stelter und EXPRESS-Redakteurin Andrea Kahlmeier beim Interview vor Stelters Auftritt im Kölner Maritim-Hotel im Februar 2025.

Warum verkleiden Sie sich eigentlich nicht?

Bernd Stelter: Als ich 1988 meinen ersten Auftritt beim Club Kölner Karnevalisten hatte, trug ich zum weißen Hemd eine bunte Weste und eine Fliege. Da nahm mich der Grandseigneur des Kölner Karnevals, Günter Eilemann, zur Seite: „Junger Mann, der korpulente Herr trägt Sakko.“ Das habe ich mir zu Herzen genommen.

Als Spitzname hört man schon mal „Jo-Jo-Bernie“. Mal mehr Pfunde auf den Rippen, mal weniger. Wie sieht es denn da aktuell aus?

Bernd Stelter: Ich bin ziemlich in der Mitte. Ich hätte gerne noch sieben oder acht Kilo weniger, aber das klappt im Karneval nicht. Wenn die Session vorbei ist, dann kann ich sicher sein, dass ich von sieben Tagen an fünf Tagen mindestens 10.000 Schritte geschafft haben werde. Und dann werden die Pfunde auch wieder purzeln. Aber so? Du bist ja nie zu Hause, isst alles auf die Schnelle. Meine rechte Hand Heijo ist unser Frikadellentester, er führt eine ganz genaue Liste.

Und, welche liegen vorn?

Bernd Stelter: In NRW die Frikadellen aus dem Restaurant Engel in Warendorf, in Köln punktet der Gürzenich. Nicht ganz billig, aber gut.

Bernd Stelter: Bier im Karneval? Klares Nein!

Dazu heißt es dann „Ober, zack, 'n Helles“, stimmt's? Trinken Sie lieber Kölsch, Pils oder Alt?

Bernd Stelter: Wenn ich im Brauhaus ein schönes, gezapftes Kölsch bekommen kann, trinke ich das gerne. Aber nicht im Karneval. Bei Bier ist meine Stimme sofort weg.

Lieber Rot- oder Weißwein?

Bernd Stelter: Früher eher Rotwein, doch mittlerweile bin ich eher beim Weißen, und zwar beim deutschen Wein, besonders Weißburgunder.

Lieber Auto oder Bahn, um von Ihrem Wohnort Bornheim zum Auftritt zu gelangen?

Bernd Stelter: Also, mit beiden bist du chancenlos, aber zu Fuß dauert es leider zu lange.

Ist Kanzler Friedrich Merz für Kabarettisten ein Volltreffer?

Bernd Stelter: Es ist mir egal, was der Kanzler zu Mittag isst. Mein Kabarett ist politisch, aber nicht tagespolitisch. Da geht es vor allem um Respekt und was wir besser machen können. Ich hatte im letzten Programm ein Lied, wo ich einfach nur aufzähle, wie wir zusammenleben sollten und hinterher kristallisiert sich heraus, dass der Text eigentlich das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland ist.

Jochen Busse und sein "7 Tage - 7 Köpfe"-Team mit Kalle Pohl, Bernd Stelter, Oliver Welke, Gaby Köster und Mike Krüger 2003 in Köln.

„7 Tage, 7 Köpfe“ mit Kalle Pohl, Bernd Stelter, Oliver Welke, Gaby Köster, Mike Krüger (v. l.) und Jochen Busse (sitzend). Das Foto wurde 2003 aufgenommen.

„7 Tage, 7 Köpfe“ war fast zehn Jahre lang eine der erfolgreichsten Satire-Shows im TV. Warum floppte die Neuauflage?

Bernd Stelter: Bei der Neuauflage waren zu viel Drehbuch, zu viele Autoren im Spiel. Damals mit Gaby Köster, Mike Krüger und Co. ging es darum, dass jeder von uns sieben seine eigene Art von Humor hatte. Wir haben nicht einmal geprobt. Abgehakt! Eine Sendung, wo ich wirklich wochenlang hin muss, das wäre eh nichts mehr für mich. Mal „Quizduell Olymp“ oder Talkshow, das mache ich sehr gerne.

Es ist selten in der Branche. Sie sind 34 Jahre verheiratet. Glücklicher denn je?

Bernd Stelter: Ja, ich finde es erstrebenswert und so wunderbar, zusammen alt zu werden und ich hoffe, dass das ganz, ganz lange genau so weitergeht. Außerdem haben beide Kinder zugeschlagen und so bin ich jetzt Doppel-Opi geworden. Einfach großartig. Und auch das sehen meine Frau Anke und ich wirklich beide gleich. Das macht sehr zufrieden und glücklich. Ich sage immer, diese ganzen Bücher, die man überall findet, wie man glücklich wird, sollte man am besten gar nicht erst lesen, denn darum geht es nicht. Wenn man viele glückliche Momente hat, dann wird man ein zufriedener Mensch. Und das muss das Ziel sein. Ich habe mir jetzt in dieser Session wieder viele glückliche Momente geholt – und ich habe glückliche Momente, wenn ich meine Enkel am Rhein lang schiebe.

Westfale Bernd Stelter mischt seit 35 Jahren das Rheinland auf

Bernd Stelter, geboren am 19. April 1964 in Unna (Westfalen) ist einer von Deutschlands bekanntesten Kabarettisten, ist Büttenredner, TV-Moderator und Bestsellerautor. 1988 begann er, auch als Karnevalist durchzustarten. Es folgten erste Auftritte bei „RTL Samstagnacht“, der absoluten Durchbruch kam mit „7 Tage, 7 Köpfe“, ein der erfolgreichsten Comedy-Formate Europas. Auch als Schauspieler („Bernds Hexe“) sammelte er Erfahrungen, bevor er zum WDR wechselte, Sendungen wie „Deutschland lacht“ und „Das NRW Duell“ moderierte.

Stelter ist verheiratet mit Ehefrau Anke und lebt in Bornheim, hat zwei Kinder und zwei Enkel, ist leidenschaftlicher Camper (in Walcheren, Zeeland). Rosenmontag 2025 sieht man ihn mit vielen weiteren Stars in der ARD-Fernsehsitzung (20.15 Uhr).